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Interview: Thierry Wolter, Vorstandsmitglied, Ceratizit Group

Thierry Wolter, Vorstandsmitglied, Ceratizit Group
„Wir bieten Komplettlösungen aus einer Hand“

Thierry Wolter ist als Vorstand für die gesamte Zerspanung der Ceratizit-Gruppe in Europa verantwortlich. Die mav sprach mit ihm darüber, welche Herausforderungen es mit sich bringt, einem Familienunternehmen vorzustehen, dass zu den Top 5 der weltweiten Präzisionswerkzeughersteller gehört. Der Autor: Frederick Rindle

mav: Was hat sich bei Ceratizit durch die Übernahme von Komet verändert?

Wolter: Wir haben uns sehr viele Gedanken darüber gemacht, wie man Komet am besten in das Unternehmen integriert. Für uns war es dabei immens wichtig, mit den Komet-Mitarbeitern auf Augenhöhe zu diskutieren. Das Ziel war es, eine Lösung zu finden, die das Beste aus beiden Unternehmen beinhaltet. Dabei haben sich zwei Optionen herauskristallisiert. Option 1 hätte bedeutet, dass Komet als eigenständige Marke mit eigenem Vertrieb erhalten bleibt. Der zweite für uns bessere Weg, beinhaltet eine vollkommene Integration von Komet in die Ceratizit-Welt. So haben wir nun die Chance, eine völlig neue Zerspanungsstrategie über die gesamte Gruppe hinweg aufzubauen. Mit dem Werkzeugportfolio von Ceratizit, zu dem jetzt neben Cutting Solutions by Ceratizit auch die Kompetenzmarken Komet, WNT und Klenk gehören, können wir dem Kunden Komplettlösungen aus einer Hand anbieten. Das gab es so bei uns bislang noch nicht.

Wenn Sie die Gespräche auf Augenhöhe geführt haben, warum haben dann die ehemaligen Komet-Geschäftsführer Christof Bönsch und Matthias Heinz das Unternehmen verlassen?

Wolter: Eine Firmenintegration dieser Dimension ist für uns keine alltägliche Aufgabe. Man darf sich das auch nicht als geradlinige Abfolge von Ereignissen vorstellen. Es handelt sich hierbei um einen Prozess, während dessen sich das Ergebnis mit den Gesprächen entwickelt. Gestartet sind wir zum Bespiel mit der Wunschvorstellung, Christof und Matthias weiterhin als Geschäftsführer zu halten. Da zum einen die Akquisition ohne die beiden Herren niemals stattgefunden hätte und zum anderen haben Christof Bönsch und Matthias Heinz Komet über die Jahre hinweg mit viel Herzblut, Engagement und Geschick geführt. Hut ab vor ihrer Leistung! In den Gesprächen hatte sich aber herausgestellt, dass Christof eigentlich als CEO und Matthias als CFO weitermachen wollte. In einem Familienunternehmen wie Ceratizit gibt es die Position des CEO aber leider nicht und die Stelle des CFO ist bei uns schon besetzt. Von daher haben wir im Guten die Entscheidung getroffen, auseinander zu gehen.

Wie fügen sich die neuen Komet-Geschäftsführer Gerhard Bailom und Claude Sun in die neue Organisationsstruktur ein?

Wolter: Claude Sun kommt von WNT und Gerhard Bailom war verantwortlich für die VHM-Werkzeuge bei Ceratizit. Jetzt sind beide für das gesamte Zerspanungsprogramm in Europa zuständig. Beide Manager sind in dieser Funktion auch die Geschäftsführer der Ceratizit Deutschland GmbH und der Komet Deutschland GmbH und damit mir als Vorstand für die gesamte Zerspanung der Ceratizit-Gruppe in Europa direkt unterstellt.

Welche Komet-Produkte sind für das Ceratizit-Portfolio am wertvollsten?

Wolter: Die Werkzeugportfolios beider Unternehmen waren sehr unterschiedlich und komplementär. Von daher passen die beiden Firmen ja so gut zusammen. Ceratizit war bislang sehr stark im Drehen, Fräsen und Stechen und zudem mit starken Lösungen zum Beispiel für die Aluradbearbeitung, für die Gewindeherstellung für Öl-Pipelines, für die Turbinenschaufelbearbeitung und für die Schwerzerspanung vertreten. Komet ist zum einen sehr stark in der Automotivebranche und zum anderen ein absoluter Spezialist was die Bohrbearbeitung betrifft. Besonders die High-Tech-Werkzeuge zum Bohren, Gewinden und Reiben mit Hartmetall oder PKD- und CBN-Schneiden sind natürlich für uns besonders interessant. Zudem ist das Knowhow aus dem Projektgeschäft für uns von zentraler Bedeutung..

Warum hat sich Komet in den letzten Jahren wirtschaftlich schlechter entwickelt als die Konkurrenz?

Wolter: Für mich liegt es daran, dass Komet ein wenig den Fokus verloren hatte. Wenn man die Unternehmensgröße betrachtet, steckte Komet in der Mitte fest. Komet war zu groß, um mit den kleinen flinken Nischenherstellern mitzuhalten und zu klein, um mit den Großen um die weltweiten Aufträge zu konkurrieren. Komet hat in dieser Situation zum einen versucht globaler zu agieren und zum anderen aus der reinen Bohrungsbearbeitung herauszukommen. Hierzu wurden mehr und mehr Management- und F&E-Ressourcen benötigt – und das bei gleichem Umsatz. Man hat sich vielleicht einfach zu viel vorgenommen.

Was macht die Ceratizit-Gruppe jetzt besser?

Wolter: Einige Dinge finden sich beinahe von selbst. Zum Beispiel haben sich die drei spanischen Vertretungen von Komet, Ceratizit und WNT jetzt zu einer Ceratizit-Iberica zusammengeschlossen. Die Gruppe hat zudem jetzt die notwendige Größe, damit eine global aufgestellte Vertriebsgesellschaft auch wirklich wirtschaftlich arbeiten kann. Weiterhin haben wir jetzt das Werkzeug-Knowhow gebündelt und jeder konzentriert sich künftig auf seine Kernkompetenzen. Bei Komet ist dies beispielsweise die Lochbearbeitung, bei Ceratizit das Drehen und Fräsen. Was aber noch wichtiger ist, wir werden am Standort in Besigheim in die Produktionstechnologie investieren, um unser Personal noch effizienter einsetzen zu können. Dadurch werden wir mit Hilfe von automatisierten Prozessen und ausgeklügelten Mehrmaschinen-Bedienungskonzepten die Effizienz hier an dem für uns sehr wichtigen Standort weiter steigern.

Welche Rolle übernimmt WNT in der Gruppe?

Wolter: Wir haben mittlerweile aus allen Vertriebsorganisationen eine gemacht. In Zukunft gibt es für den Kunden nur noch einen Ansprechpartner, der alle Marken im Portfolio hat. Zudem haben wir in jedem Land eine Flächenvertriebsmannschaft à la WNT für die Standardwerkzeuge und ein Team für die Sonderwerkzeuge und Projekte installiert. Das Zusammenwachsen sehen sie mittlerweile auch an den Tochtergesellschaften, deren Namen derzeit vereinheitlicht werden. WNT Deutschland firmiert beispielsweise seit 1. August unter dem Namen Ceratizit Deutschland GmbH. Als wichtige Kompetenzmarke für die Zerspanung wird es WNT aber auch weiterhin geben.

Wie haben sich die Umstrukturierungsmaßnahmen eigentlich auf den Gruppen-Umsatz ausgewirkt?

Wolter: Wir machen in der gesamten Ceratizit-Gruppe mittlerweile einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Dieses Jahr überschreiten wir hoffentlich noch die Marke von 1,2 Milliarden Euro. Wir gehören jetzt zu den Top 5 der weltweiten Präzisionswerkzeughersteller, in Deutschland sind wir sogar die Nummer 2.

Neben dem Werkzeuggeschäft fällt ein nicht unerheblicher Teil ihres Umsatzes auf den Verkauf von Hartmetall und Werkzeug-Rohlingen oder Halbzeugen. Viele dieser Kunden sind auch selbst Werkzeughersteller. Wie haben die auf die Wachstumspläne von Ceratizit im Werkzeugsegment reagiert?

Wolter: Im Allgemeinen haben sich die Beziehungen in den letzten Jahren zwischen den unterschiedlichen Marktbegleitern stark verändert. Vor zehn Jahren hätte das vielleicht noch eine leichte Verstimmung bei unseren Kunden verursacht. Heute steht man mit vielen Marktbegleitern auch in Kundenbeziehungen. Jeder kauft bei jedem, jeder steht mit jedem direkt oder indirekt im Wettbewerb. Was schließlich zählt, ist das beste Produkt, und da werden wir immer besser. Heute sind wir einer der größten Werkzeughersteller mit einem unglaublich großen Zerspanungswissen. Dieses Knowhow fließt natürlich auch in unsere ständig verbesserten Hartmetallsorten und Werkzeug-Rohlinge. Und unsere Kunden wissen, dass sie stets die besten Lösungen bekommen. An dem Tag, an dem wir anfangen, an Marktbegleiter B-Ware zu liefern, können wir unsere gesamte Unternehmensstrategie beerdigen.

Die Ceratizit-Gruppe kann von den reinen Hartmetall-Rohstoffen bis zum fertigen Werkzeug alles aus einer Hand anbieten. Welche Vorteile ergeben sich daraus?

Wolter: Wir haben mit unserem Zugang zu Minen einen strategischen Vorteil gegenüber anderen Herstellern. Gerade Wolfram und Kobalt stehen bei uns besonders im Fokus. Denn wir gehen davon aus, dass die beiden Metalle knapp werden könnten und das Thema Versorgungssicherheit zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Besonders das Thema batteriebasierte E-Mobilität wird einen Run auf das Kobalt auslösen. Hierfür sind wir – ganz im Sinne unserer Kunden – gut gerüstet.

Wird es in naher Zukunft weitere Akquisitionen geben, oder haben Sie Ihre Wunsch-Einkaufsliste abgearbeitet?

Wolter: Momentan sind wir dabei, die neuen Firmen in die Gruppe zu integrieren. Wenn man das richtig macht, dauert die Zusammenführung auch seine Zeit. Eine Akquisition ist auch keine einfache Sache. Die Unternehmen müssen kulturell und strategisch zu einander passen. Bei Komet zum Beispiel, passte neben den sich ergänzenden Werkzeugportfolios auch die Unternehmenskultur perfekt ins Konzept. Bei Komet und bei Ceratizit sind wir alle Geeks, echte Technologieliebhaber, deshalb haben sich unsere Mitarbeiter auch sofort verstanden. Das schiere Kaufen ist nur ein kleiner Schritt. Um Geld zu verdienen, muss man die Unternehmen richtig integrieren. Wir sind mit unserem Post Merger Prozess in Europa schon zu 95 Prozent durch. Jetzt sind die Unternehmensteile in den USA, Indien und China dran.

Aber ist Ihre Wunschliste schon leer?

Wolter: Jein, in Europa sind wir gut aufgestellt. Sofern sich aber außerhalb der EU uns eine gute Möglichkeit bieten würde, wäre dies für uns interessant. Beim Thema Verschleiß könnten wir uns eventuell auch noch verstärken.

Welchen Einfluss hat die Politik heute auf wirtschaftliche Entscheidungen?

Wolter: Das ist momentan eine wirklich sehr spannende Frage. Zurzeit halten sich die Auswirkungen noch in Grenzen. Aber wenn es so weiter geht, dass sehr relevante Entscheidungen wie Strafzölle auf Automobil-Importe ja oder nein, innerhalb von Tagen getroffen werden, dann wird es auch für uns schwieriger. Für uns heißt das am Ende, dass wir lokaler produzieren werden. Wir brauchen dafür neben einer lokalen Vertriebsstruktur auch eine neue Produktionsstrategie. Beim Thema weltweite Produktionsstandorte sind dann auch wieder große Unternehmen allerdings kleineren überlegen. Wir haben zum Beispiel schon heute mehrere Standorte in China und Indien, drei in den USA und einen in Mexiko.

Und technologisch, was sind hier die größten Trends 2018?

Wolter: Zum Ersten sehe ich ganz klar die intelligenten Werkzeuge mehr und mehr im Kommen. Darüber hinaus wird die der allgemeine Trend zur Digitalisierung zunehmend wichtiger. Von daher sind wir momentan dabei, unsere Werkzeuge eindeutig identifizierbar zu machen, damit diese in einen digitalten Prozess eingebunden werden können. Zum Zweiten werden wir in Zukunft Produkte benötigen, die es unseren Kunden einfacher machen werden, wirtschaftlich zu arbeiten. Hier sehr ich gerade für unser Überwachungs- und Assistenzsystem Toolscope einen immer größer werdenden Markt. Und zum Dritten bin ich der Meinung, dass das Thema Präzisions-Kühlung auch in Zukunft sehr wichtig sein wird.

Was macht Ceratizit schon heute beim Thema Digitalisierung?

Wolter: Wir machen ganz viel um unser Unternehmen zu digitalisieren. Aber ich glaube, wir machen noch zu wenig, vor allem wenn es um digitale Geschäftsmodelle geht. Natürlich machen auch wir einen nicht unerheblichen Teil unseres Umsatzes über unseren starken E-Commerce. Ländertypisch kann das sogar sehr viel sein. Aber dieser Bereich muss weiter ausgebaut werden. Von daher investieren wir auch weiterhin besonders in digitale Geschäftsmodelle. Aktuell bauen wir zum Beispiel eine Plattformlösung auf, mit deren Hilfe alle Werkzeuge über ihre gesamte Lebensdauer verfolgt werden können. Denn ein Großteil der Werkzeuge wird aus Sicherheitsgründen gar nicht bis zum Ende ihrer Lebensdauer eingesetzt. Auch beim Nachschleifen bewegen wir uns momentan noch in einer völlig analogen und intransparenten Welt. Das wollen wir mit unserer Plattform ändern, damit unsere Kunden schlussendlich produktiver fertigen können. Weiterhin ist für unsere global produzierenden Kunden die Nachverfolgbarkeit ihrer Werkzeuge und Prozesse von elementarer Bedeutung. Mit unserer Plattformlösung kann man deshalb auch mit einem Blick einen Fertigungsprozess, der an mehreren Standorten gefahren wird, untereinander vergleichen. So dass schließlich überall gleich produktiv gefertigt werden kann.

Gerade auch unter dem Aspekt Industrie 4.0 sind dabei standardisierte Prozesse für uns essenziell. Bei der Entwicklung unserer Lösungen setzen wir deshalb bereits heute auf Standards und sind dementsprechend immer für Kooperationen offen.

In einer vollkommen digitalisierten Produktionsumgebung können additiv gefertigte, kundenspezifische Werkzeuge eine wichtige Rolle spielen. Wie steht Ceratizit zum 3D-Druck?

Wolter: Unter der Marke Komet gibt es schon generativ gefertigte PKD-Werkzeuge, mit denen erhebliche Produktivitätssteigerungen möglich sind. Wir fertigen die Werkzeughalter dazu auch selbst. Hierfür haben wir in Stuttgart einen 3D-Druck-Hotspot geschaffen. Da wir davon ausgehen, dass der Bedarf an gedruckten Werkezeugen weiter wachsen wird, werden wir diesen Hotpsot in den nächsten Jahren wahrscheinlich auch weiter ausbauen. Zudem besitzen wir für andere Anwendungen an den Standorten Reutte und Mamer weitere generative Fertigungsanlagen.

Was wird nach Ihrer Einschätzung das Highlight des AMB-Messeauftritts von Ceratizit werden?

Wolter: Für mich ist das ganz klar, der erstmalige gemeinsame Auftritt der gesamten Ceratizit-Gruppe. Die Besucher können an einem Stand die gesamte Lösungs- und Zerspanungs-Kompetenz der Ceratizit-Gruppe mit den Marken Cutting Solutions by Ceratizit, Komet, WNT und Klenk erleben. Wir wollen zeigen, dass wir jetzt in der Championsleague der Zerspanung spielen.

Ceratizit S.A.
www.ceratizit.com
AMB Halle 1 Stand B12 und
Halle 3 Stand B11



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