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Resonanzprüfung senkt Inspektionskosten

Zerstörungsfreies Prüfen in der Luftfahrt- und Turbinenindustrie
Resonanzprüfung senkt Inspektionskosten

Besonders beanspruchte Bauteile benötigen besonders anspruchsvolle Prüfverfahren. Delta Airlines zum Beispiel wendet zur Übertemperaturprüfung von Turbinenschaufeln die prozesskompensierte Resonanzprüfung (Process Compensated Resonance Testing, PCRT) an. Und ein spezieller PCRT-Tester prüft Keramikkugeln für Hochleistungseinsätze in Turbinen-Kugellagern – Anwenderbeispiele einer zerstörungsfreien Prüfmethode mit Zukunft.

Flugzeuge des Typs MD-80 sind mit JT8D-Triebwerken ausgestattet, bei denen es unter Übertemperatur-Bedingungen zu mikrostrukturellen Materialveränderungen der Turbinenschaufeln kommen kann – mit möglichen negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Antriebsmaschine. Der Instandhaltungs- und Wartungsdienstleister der nordamerikanischen Fluggesellschaft Delta Airlines, Delta Techops, stellte Mängel dieser Art im Rahmen seiner kontinuierlichen Routine-Inspektionen rund dreimal im Jahr fest. Fünfmal jährlich mussten die Ingenieure im Schnitt die gesamte Antriebsmaschine unplanmäßig wegen Mängeln austauschen – bis 2009. Seitdem hat Delta sowohl die Anzahl der jährlichen T1-Mängel als auch der unplanmäßigen Maschinenwechsel auf null reduziert.

Kosten um fast zwei Millionen US-Dollar gesenkt
Seit 2009 setzt der Maintenance-Experte die zerstörungsfreie Prüfmethode PCRT ein. Ergebnisse: höhere Prüfsicherheit und -qualität sowie Senkung der Kosten für Prüfung, Inspektion und Instandsetzung um nahezu zwei Millionen US-Dollar jährlich. Vor Einführung der im ASTM E2534-10 standardisierten NDT-Methode (Non Destructive Testing) war es gängige Praxis, Turbinenschaufeln, die Übertemperatur-Indikationen aufwiesen, destruktiv zu testen. Dabei wurde eine zufällig ausgewählte Schaufel von 64 in einem Triebwerk verbauten Schaufeln entnommen, zerlegt (zerstört) und ihre Struktur auf Hinweise, die auf einen Hitzefehler hindeuten, untersucht. Bestand die Komponente den Test, ging man davon aus, dass alle anderen Schaufeln auch in Ordnung waren. Wies eine Stichproben-Schaufel jedoch Hitzedefekte auf, wurden auch alle weiteren 63 Schaufeln entfernt und ersetzt – ganz gleich, ob diese fehlerhaft waren oder nicht. Ein teures Unterfangen, das jährlich mit rund 900 000 US-Dollar für neue Turbinenschaufeln zu Buche schlug.
„Alle Turbinenschaufeln auszubauen und durch brandneue zu ersetzen, war keine ideale Lösung – weder in finanzieller noch in logistischer Hinsicht“, sagt David Piotrowski, Chef-Ingenieur bei Delta Techops. Ganz abgesehen von den hohen Kosten, sei man grundsätzlich mit den Prüfergebnissen der herkömmlichen Testmethoden äußerst unzufrieden gewesen. Die von den Herstellern empfohlenen Verfahren etwa hätten lediglich die Hälfte jener Mängel detektieren können, von denen man weiß, dass sie zu Maschinenmängeln führen können. „Wir haben eine Riesenanzahl verschiedener Verfahren ausprobiert – aber in der Praxis traten immer wieder Turbinenmängel auf“, erinnert sich Delta Techops-Antriebsexperte George Teeuwen.
Prüfung auf Eignung für Hochleistungseinsätze
Der Durchbruch gelang nach einer sechsmonatigen Probe-Inspektionsphase mit einem PCRT-System der Vibrant Corporation, die in Europa von der Vibrant GmbH Deutschland mit Sitz im mittelhessischen Limburg vertreten wird. Vibrant entwickelt und implementiert NDT-Verfahren für die weltweite Luftfahrt- und Turbinenindustrie sowie MRO-Firmen (Maintenance, Repair and Overhaul) nach AS9100 Rev.C und ISO 9001:2000. Die prozesskompensierte Resonanzprüfung des Anbieters kann die strukturelle Eignung eines sicherheitsrelevanten Bauteils für Hochleistungseinsätze unter extremen Bedingungen bewerten. PCRT prüft auf alle Defekte, die bekanntermaßen die Lebensdauer einer Maschine beeinträchtigen können, zum Beispiel Übertemperaturmängel, Wandstärke-Unregelmäßigkeiten, geometrische Abweichungen, interkristalline Einflüsse, Porositäten und Rissbildung.
Heute ist PCRT als Standard-Prüfmethode fest in die Delta Techops-Inspektionsprozesse integriert und wurde mit dem „Better Way“-Award der Federal Aviation Administration (FAA) und der Air Transport Association (ATA) ausgezeichnet. Mittlerweile werden auch die Turbinenschaufeln der CFM56-7B Flotte mit PCRT geprüft. Die Anwendung für weitere Maschinen und Komponenten ist in Planung.
Was kann nun PCRT, was andere Prüfmethoden nicht können? Die Methode vereint die Vorteile der Resonanz-Ultraspektroskopie (RUSPEC; wie elastisch ist ein Körper?) mit der patentierten Vibration Pattern Recognition (VIPR; welche Defekte führen zu funktionalen Beeinträchtigungen?) und ermöglicht es damit, Funktionsbeeinträchtigungen und Schadenstärke eines Bauteils zu testen und quantitativ zu bewerten. PCRT-Prüfsysteme messen Veränderungen in den Resonanzmustern der Prüflinge und kompensieren die in jedem industriellen Produktionsprozess vorkommenden Prozessvariationen, die einen wesentlichen Einfluss auf das Resonanzspektrum haben und die Ergebnisse verfälschen können. Prüfverfahren, die Prozessvariationen nicht kompensieren können, erkennen immer nur sehr grobe und offensichtliche Defekte und sind deshalb für die Prüfung besonders stark beanspruchter sicherheitsrelevanter Teile nur bedingt geeignet.
Schnelle, exakte und zuverlässige Fehlerdetektion
Zu solchen intensiv belasteten Komponenten zählen etwa auch Siliziumnitridkugeln (Keramik), die sich wegen ihrer allgemein sehr hohen Verschleiß- und Abriebfestigkeit besonders für den Hochleistungseinsatz in Turbinenkugellagern eignen. Defekte Kugeln können rasch zu Ausfällen des Gesamtsystems führen und entsprechend hohe Kosten verursachen. In Zusammenarbeit mit den internationalen Unternehmen Honeywell, Rolls-Royce, GE Aviation, Winston Precision Ball und Barden Precision Bearing entwickelte Vibrant einen speziellen PCRT-Keramikkugeltester und führte umfangreiche Testreihen durch. Ergebnis: PCRT sorgt für eine schnelle, exakte, zuverlässige und kostenoptimale Fehlerdetektion.
Das Prinzip ist das gleiche: Auch beim Werkstoff Keramik zeigt sich eine Veränderung der Resonanzmuster, sobald eine grundsätzliche Materialdifferenz oder innere, strukturschädigende Defekte vorliegen. Sie machen sich meist in einem Unterschied in der Dichte und/oder Elastizität bemerkbar, verursacht zum Beispiel durch Änderung der Rohstoffzusammensetzung oder variierender Rohstoffeinbringung in unterschiedlichen Chargen ebenso wie durch Herstellungsfehler, etwa Einschluss, grobe Porositäten und mangelhaftes Rohmaterial. PCRT kann als Prüfsystem in der Produktion zahlreicher Keramikkugel-Varianten angewendet werden. Für 64 Kugeln mit 1 Zoll (25,4 mm) Durchmesser beispielsweise beträgt die Prüfzeit nur 30 Minuten. Die für die Fehlerdetektion von porösen Werkstoffen weit verbreitete fluoreszierende Eindringprüfung (Fluorescent Penetrant Inspection, FPI) benötigte in einem Vergleichstest für die gleiche Kugelanzahl sechs bis sieben Stunden.
Vibrant GmbH Deutschland www.vibrantndt.de
Hesselmann & Köhler Prozessautomation GmbH www.hk-automationsystems.de

Der Autor

3802595

Thomas Köhler ist Mitgründer und Gesellschafter des Ingenieurbüros Hesselmann & Köhler Prozessautomation (HK). Als Geschäftsführer der Vibrant GmbH Deutschland, eines Joint Ventures von HK mit der US-amerikanischen Vibrant Corporation,treibt er die Implementierung spezifischer PCRT-Prüflösungen in der europäischen Luftfahrt- und Turbinenindustrie voran.

Verfahren bewährt sich in vielen Branchen
Das PCRT-Prüfverfahren (Process Compensated Resonance Testing) wurde Ende der 80er Jahre am Los Alamos National Laboratory, USA, entwickelt. In Europa werden PCRT-Prüfsysteme exklusiv von der Vibrant GmbH Deutschland auf Prozesse in der europäischen Luftfahrt- und Turbinenindustrie abgestimmt, implementiert und gewartet. In der Automotive-Industrie ist das Verfahren unter dem Produktnamen „Quasar“ etabliert: Die wichtigsten Tier1- oder Komponentenlieferanten in der Automobilindustrie sind Quasar-Anwender. Auch im Bereich der Medizintechnik gewinnt PCRT als Alternative zu den herkömmlichen, in ihren Einsatz- und Aussagemöglichkeiten eingeschränkten Rissprüfmethoden zunehmend an Bedeutung.
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