Wo ist der Punkt, an dem ein alternatives Vertriebskonzept in ein fundamental neues Geschäftsmodell mündet? Ich denke, viele Missverständnisse im Zuge der Industrie-4.0-Debatte haben hier ihren Ursprung. Denn der Übergang ist fließend, und das Resultat lässt sich erst im Nachhinein bewerten. Ich habe die Entwicklung der Internetwirtschaft lange Jahre als Fachjournalist begleitet, und eines kann ich sagen: Niemand hatte einen Masterplan. Und keiner kann mit Fug und Recht behaupten, er hätte von Anfang an gewusst, welche Entwicklung Google, Amazon und Co. nehmen würden. Letztendlich haben diese Unternehmen unterschiedliche Branchen zusammengebracht, Synergien geschaffen und dadurch Zug um Zug etablierte Geschäftsmodelle verändert. Fragen Sie nur mal einen Buchhändler, oder einen Apotheker…
Auch in der Zerspanung haben sich inzwischen innovative Plattformen herausgebildet, die das Modell des E-Commerce mit dem der klassischen Fertigungsindustrie zusammenbringen. Einige Beispiele dazu finden Sie in unserem Trendthema „Neue Wege zum Kunden“ ab Seite 22. Dass ein Fertigungsdienstleister mit übervollen Auftragsbüchern aktuell vielleicht keinen großen Handlungsdruck verspürt, sich dem Thema zu nähern, ist nachzuvollziehen. Von der Vision, ein Qualitätsbauteil per Web-Formular irgendwo zu ordern, sind wir auch noch ein Stück weit entfernt – zu hoch sind die Anforderungen an das Ingenieurs-Know-how, und zu gering ist die Zahl der Spezialisten, die die Expertise wirklich mitbringen.
Aber dass zumindest Standardbauteile zunehmend online bestellt werden, bei dem, der kapazitätsabhängig gerade den günstigsten Preis ausrufen kann, daran zweifle ich nicht. Für Fertigungsunternehmen macht es also Sinn, sich auf den neu entstehenden Online-Marktplätzen zu versuchen. Vielleicht erhalten sie Zugriff auf neue Kundenkreise, vielleicht gewinnen sie auch einfach nur Erkenntnisse darüber, wo sie mit ihrer eigenen Produktivität im Wettbewerb stehen.
