Startseite » Werkzeuge »

Nachhaltigkeit in der Zerspanung mit Blick auf die Werkzeugspannung

Nachhaltigkeit in der Zerspanung
Werkzeugmaschine und Prozess bieten enorme Einsparpotenziale

Ganz aktuell werden für viele Prozesse Nachhaltigkeitsberichte erstellt – auch für die Zerspanung und die dafür eingesetzte Ausrüstung. Dabei werden teilweise nur einzelne Elemente betrachtet, ohne deren Auswirkungen auf den Gesamtprozess zu berücksichtigen. Der Spanntechnikhersteller Haimer plädiert dagegen für eine gesamtheitliche Betrachtung der Zerspanungsprozesse und sieht hier noch enorme Einsparpotenziale.

Nachhaltigkeit ist ein Thema, das uns zu Recht immer mehr beschäftigt. Die Ressourcen sind begrenzt und Energie wird immer teurer. Bei der Bewertung der Nachhaltigkeit ist es allerdings wichtig, nicht zu eng auf ein Produkt zu schauen, sondern auch das Umfeld zu betrachten – den Produktlebenszyklus und den Gesamtprozess, in den das Produkt eingebunden ist.

Denn je nach zu bearbeitendem Werkstoff, der Bauteilgeometrie und den Stückzahlen kommen unterschiedlichste Maschinen, Werkzeuge und Spannmittel zum Einsatz. Zudem sind äußere Umstände wie der Produktionsstandort, die Qualifikation der Mitarbeiter und auch eine mögliche Automatisierung zu beachten. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren können im Einzelfall sehr unterschiedliche Fertigungskonzepte die wirtschaftlichste und auch nachhaltigste Lösung darstellen.

Wie misst man Nachhaltigkeit?

Abgesehen von den eingesetzten Materialien dürfte die Energieeffizienz der entscheidende Faktor für einen nachhaltigen Prozess sein. Daher ist ein vielversprechender Ansatz, nach den größten Verbrauchern Ausschau zu halten und deren Einsatz zu optimieren. In der Zerspanung ist dies zweifellos die Werkzeugmaschine, die mit ihren Spindel- und Achsantrieben, mit Peripherie und Nebenaggregaten wie Kühlung, Schmierung oder Druckluftversorgung einen Löwenanteil der eingesetzten Energie verschlingt.

Mit einer Neuanschaffung kann der Anwender den Verbrauch hier erheblich senken, in dem er auf energiesparsame Komponenten achtet. Andreas Haimer, Geschäftsführer und President des Werkzeugspanntechnik-Herstellers Haimer Group erklärt: „Wir haben in unserer eigenen Fertigung die Erfahrung gemacht, dass durch den Austausch eines alten gegen ein neues Bearbeitungszentrum mit dem gleichen Bearbeitungsprozess rund 30 Prozent weniger Energie benötigt wurde.“ Er ergänzt noch einen grundsätzlichen Faktor: „Als Familienunternehmen achten wir sehr stark auf Nachhaltigkeit. Zum Beispiel beziehen wir unseren Werkzeugstahl aus Deutschland, setzen seit Jahren ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien ein und investieren in PV-Anlagen und grüne Infrastruktur. Gesamt haben wir hierfür im letzten Geschäftsjahr über eine Million Euro investiert und sparen so über 250 Tonnen CO2 pro Jahr ein.“ Darüber hinaus lassen sich auch beim Zerspanungsprozess selbst Einsparungen erzielen, z. B. durch den Einsatz CAD/CAM-optimierter Bearbeitungsstrategien wie dem trochoidalen Fräsen.

Andreas Haimer hat ein konkretes Beispiel parat: „Ein Kunde stellte uns Daten zur Verfügung, wie er durch trochoidales Fräsen mit unseren Haimer Power-Schrumpffuttern und Haimer Mill Fräsern die Bearbeitungszeit im Vergleich zur Bearbeitung mit einem Messerkopf um 75 Prozent von 71 min auf 18 min pro Bauteil senken konnte. Mit der Änderung der Bearbeitungsstrategie ging eine Energieeinsparung durch deutlich weniger Stromverbrauch einher. Während bei der herkömmlichen Bearbeitung mit Messerkopf für 10 Bauteile die Spindellast bei 80 bis 85 Prozent lag und dadurch die Energiekosten bei gesamt ca. 150 Euro, konnten mit der trochoidalen Frässtrategie bei einer Spindellast von 8 bis 10 Prozent und bei deutlich geringerer Maschinenlaufzeit die Energiekosten auf gesamt 5 Euro für 10 Bauteile gedrückt werden. Das bedeutet wiederum eine höhere Ausbringung bei geringerem Energieaufwand pro produziertem Teil – das nenne ich nachhaltig und effizient.“

Nachhaltige Werkzeugspannung

Eine Frage, die seit einigen Monaten immer wieder aufgegriffen und diskutiert wird, lautet: Wie nachhaltig ist welche Werkzeugspannmethode? Angesichts eines Bearbeitungsprozesses, bei dem die Fräsmaschine durchschnittlich etwa 30 kW verbraucht, zuzüglich der Leistung von hydraulischen und pneumatischen Vorrichtungen, von Automatisierungseinrichtungen wie Robotern, spielt die Werkzeugspannung nur eine untergeordnete Rolle. Denn die Werkzeugaufnahme ist ein vergleichsweise kleines Detail, selbst wenn der Spannvorgang mit einem Schrumpffutter marginal Energie verbraucht.

Bei der Herstellung feinmechanischer Bauteile setzt Ossenbrüggen auf Haimer-Werkzeugaufnahmen

Gesamtheitliche Betrachtung der Zerspanung

Prinzipiell ist der Energieverbrauch beim Schrumpfen im operativen Einsatz höher als beim hydraulischen Spannen. Wenn man allerdings den gesamten Produktlebenszyklus einer Spannaufnahme betrachtet, zu dem die Herstellung, Wartung und Entsorgung zählen, ergibt sich laut den Spanntechnikexperten ein ganz anderes Bild.

Denn die Herstellung eines Hydrodehnspannfutters erfordert aufgrund des komplizierteren Aufbaus deutlich mehr Aufwand und Energie. Zur hochpräzisen Zerspanung der Einzelkomponenten kommen das Einlöten der Dehnhülse, eine zusätzliche Wärmebehandlung, damit die Lötstelle nicht bricht, sowie der Aufwand für Reinigung, Montage und Ölbefüllung.

„Aus unserer Erfahrung ist der energetische Aufwand bei der Produktion rund dreimal so hoch wie beim Schrumpffutter“, erklärt Andreas Haimer. „Wir haben in unserem breiten Portfolio neben Schrumpfaufnahmen auch Hydrodehnspannfutter, deren Listenpreise aufgrund der aufwändigen Herstellung allerdings beim zwei- bis dreifachen eines Schrumpffutters liegen. Für bestimmte Anwendungen sind sie die richtige Lösung. Nur nachhaltiger sind sie nicht. Unsere Analysen haben ergeben, dass ein Hydrodehnspannfutter in der Herstellung ca. 25 kWh mehr Energie benötigt als ein Schrumpffutter. Im Umkehrschluss bedeutet das auf den Produktlebenszyklus bezogen, dass man eine Schrumpfaufnahme bei einem Energiebedarf von 0,026 kWh pro Schrumpfung und Kühlung fast 1000 Mal schrumpfen kann, bevor man mehr Energie benötigt als beim Hydrodehnspannfutter.“

Lebenszyklus und Prozesssicherheit sind entscheidend

Zum erhöhten Herstellungsaufwand kommt noch der Unterschied bezüglich der Wartung. Während Haimer Schrumpffutter durch die hohe Güte des Warmarbeitsstahls wartungsfrei seien und in Kombination mit der Haimer Spulen- und Gerätetechnik unbegrenzt oft ein- und ausgeschrumpft werden können, müssten Hydrodehnspannfutter aufgrund des Verschleißes zur Kontrolle der Spannkraft, der Schmierung der Spannschraube und einer regelmäßigen Wartung des Futters spätestens alle zwei bis drei Jahre zurück zum Hersteller. Die enthaltene Hydraulikflüssigkeit macht zudem die umweltgerechte Entsorgung schwieriger als bei Schrumpfaufnahmen, die keinerlei zusätzliche Komponenten enthalten.

Neben der Lebenszyklusbetrachtung würde auch das Thema der Prozesssicherheit signifikante Unterschiede aufweisen: im Falle der Trockenbearbeitung oder mangelnder Kühlung im Zerspanungsprozess bergen Hydrodehnspannfutter aufgrund der hohen Hitzeentwicklung die Gefahr des Platzens der Spannkammern samt Werkzeugauszug und Ausschussrisikos. Schrumpffutter sind hier robuster und strapazierfähiger; will man einen Werkzeugauszug komplett ausschließen, gibt es bei Haimer Schrumpffuttern optional das Safe-Lock System.

Energieverbrauch beim Schrumpfvorgang

Doch wie berechnet sich der Energieverbrauch beim Schrumpfvorgang wirklich? Das Erwärmen eines Schrumpffutters dauert mit einem aktuellen Haimer Schrumpfgerät etwa fünf Sekunden. Geübte Anwender schrumpfen in einem Arbeitsgang ein verschlissenes Werkzeug aus und ein neues Werkzeug ein. Es wird also nur einmal erwärmt und gekühlt. Die Leistung eines Haimer Power Clamp Geräts mit NG-Spule liegt bei maximal 13 kW, im Durchschnitt jedoch bei 8 kW. Damit verbraucht man bei einem einzelnen, kompletten Schrumpfvorgang etwa 0,011 kWh. Hinzu kommt das Kühlen mit etwa 0,015 kWh – bei Haimer Geräten können bis zu fünf Aufnahmen parallel und in der gleichen Zeit mit dem nahezu gleichen Energieverbrauch gekühlt werden. Im worst case ergeben sich also für den gesamten Prozess in Summe 0,026 kWh. Bei 20 Cent pro Kilowattstunde, würden für das Schrumpfen und Kühlen eines Werkzeugs somit lediglich 0,5 Cent anfallen.

Wie ist nun dieser Energieaufwand bei der Gesamtbetrachtung eines Bearbeitungsprozesses einzuordnen, bei dem die Leistungsaufnahme einer Fräsmaschine mit allen Hilfsantrieben rund 30 kW beträgt? Hierzu sollte man sich folgendes überlegen: Nimmt man an, dass durch eine verbesserte Rundlaufgenauigkeit und Steifigkeit oder durch die aufgrund der schlanken Kontur verbesserten Frässtrategien auch nur ein Prozent der Bearbeitungszeit einspart werden kann, so entspricht das bei einer ursprünglichen Bearbeitungszeit von einer Stunde bereits 0,3 kWh. Das ist etwa das 11-fache des Energieeinsatzes für das Schrumpfen.

Andreas Haimer fasst zusammen: „Der Energieverbrauch pro Spannvorgang spielt eine vernachlässigbare Rolle im Vergleich zu den Themen Lebenszyklus, Prozesssicherheit und Bearbeitungsstrategie. Durch moderne CAD/CAM optimierte Frässtrategien können 75 Prozent Bearbeitungszeit eingespart werden. Auf derart verbesserte Prozesse müssen sich Zerspaner konzentrieren, wenn sie nachhaltig und produktiv sein wollen. Und im zweiten Schritt sollten sie für diese Strategien die am besten geeignete und prozesssicherste Werkzeugaufnahme auswählen. Gegenüber den dadurch realisierbaren Einsparungen ist ein Nachhaltigkeitsvergleich von Schrumpf- und Hydrodehnspannfutter eine Erbsenzählerei.“

Haimer GmbH
www.haimer.com


Mehr zum Thema Nachhaltigkeit
Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelle Ausgabe
Titelbild mav Innovation in der spanenden Fertigung 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Trends

Aktuelle Entwicklungen in der spanenden Fertigung

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Alle Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de