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Formen statt Schneiden

Schnellere Gewindeherstellung
Formen statt Schneiden

Bilfinger Maschinenbau hat bei den Turbinengehäusen die Herstellung von UST-Gewinden von Schneiden auf Formen umgestellt. Ergebnis: Höhere Gewindequalität, stabiler Prozesses und 90 Minuten kürzere Bearbeitungszeit pro Gehäuse.

Die Bilfinger Maschinenbau in Linz, ein Teil des Bereich Power Systems bei Bilfinger, zählt weltweit zu den führenden Anbietern von Konstruktions- und Fertigungsdienstleistungen bei großen und schweren Gehäusen für Gas- und Dampfturbinen. In Linz werden zudem Laufräder von Wasserturbinen, Flugzeugteile, Schweißkonstruktionen sowie Behälter, ebenso Wärmetauscher und Reaktoren für die Prozessindustrie gefertigt.

„Unser Werkstückspektrum reicht vom Wasserturbinenmodell mit 400 Millimetern Durchmesser über Tankdeckel für die Ariane-Rakete bis zum gasgekühlten Methanolreaktor mit mehr als 500 Tonnen Stückgewicht“, erklärt Hermann Leitner, Leiter CNC-Programmierung bei Bilfinger Maschinenbau. „Mit 25 Meter Hakenhöhe und einem CNC-Maschinenpark, mit dem wir auch Werkstücke mit 17 Meter Durchmesser drehen und schon mal 25 Meter lange Teile fräsen können, sind wir ziemlich flexibel aufgestellt. Deshalb gibt es kaum etwas, wo wir bei der Bearbeitung Nein sagen müssen.“ Bei den Großteilen kommen sehr viele Aufträge aus dem Bereich Kraftwerkstechnik. Auf der Kundenliste stehen hier so bekannte Namen wie Alstom, General Electric oder Siemens.
Zum Beispiel die Gas- und Dampfturbinengehäuse aus Stahlguss, die im Schnitt 18 Tonnen auf die Waage bringen und in jeweils zehn verschiedenen Ausführungen bearbeitet werden. Die mächtigen Gehäusesegmente aus hoch- und warmfestem G17CrMoV5-10-2 kommen – je nach Typ in unterschiedlichen Größen und Formen – als Rohteile aus der Gießerei des Nachbarn Voestalpine und werden in Linz komplett fertig bearbeitet, sodass sie vom Turbinenhersteller nur noch montiert werden müssen. „Die Genauigkeit der Bearbeitung ist entscheidend für die Passgenauigkeit bei der späteren Montage“, sagt Leitner, „weshalb wir auch bei diesen großen Teilen Toleranzen im Hundertstelbereich erreichen müssen.” Die einzelnen Fertigungsschritte umfassen neben Fräsen, Bohren und Innenausdrehen auch das Herstellen von Gewinden.
Problem: Gewindeschneiden erfordert viel Nacharbeit
Bei den Linzern werden alle Prozesse ständig hinterfragt und optimiert: So auch die Gewindefertigung bei den Turbinengehäusen. „Es kam mit konventionellen Gewindeschneidwerkzeugen immer wieder zu Ungenauigkeiten beim Gewindeprofil, weshalb alle Gewinde noch mal mit Lehren überprüft wurden und der Kontrollaufwand deshalb entsprechend hoch war”, so Leitner. Wurden Ungenauigkeiten entdeckt, was häufig der Fall war, musste das Gehäuse zur Nachbearbeitung noch mal auf die Maschine. Hinzu kommt noch das Entgraten, um das man beim Gewindeschneiden nicht herumkommt. „Fasst man alle nachgelagerten Schritte zusammen, summieren sich diese Einsparungen zu einem erheblichen Plus an Wirtschaftlichkeit.“
Die Alternative stand eigentlich bereits fest: Nämlich das Gewinde zu formen, statt zu schneiden. Gewindeformen ist an sich nichts Neues, erste Anwendungen gab es bereits in den fünfziger Jahren, und seither wurde die Technik ständig weiterentwickelt. Gewindeformer sehen auf den ersten Blick aus wie Gewindeschneider, bei denen Schneidkanten und Spannuten vergessen wurden. Die werden auch nicht benötigt, da beim Verformen erst gar keine Späne entstehen – ein großer Vorteil dieses Verfahrens. Weitere Pluspunkte sind die höhere Bearbeitungsgeschwindigkeit und ein gegenüber dem Schneiden präziseres Gewinde mit glatteren Oberflächen, was eine Nachbearbeitung fast immer überflüssig macht.
Gewindeformen mit normalem Kühlschmierstoff
Doch es gibt auch Hürden, die es beim Gewindeformen zu überwinden gilt, beispielsweise die niedrigen Toleranzen beim Vorbohren oder die Verwendung von speziellen Trennpasten und Kühlmitteln. „Letzteres hatte uns bisher immer davon abgehalten, auf dieses – prinzipiell für unsere Turbinengehäuse besser geeignete – Verfahren umzusteigen“, sagt Leitner. „Wir suchten darum nach einer Lösung, mit der wir beim Gewindeformen denselben Kühlschmierstoff verwenden können, der sich ohnehin in der Maschine befindet.“
Da Bilfinger Maschinenbau schon sehr lange Zeit Gewindeschneidwerkzeuge von Emuge-Franken einsetzt und auch nach einer Lösung im Rahmen eines KVP-Projektes suchte, sprach man Hannes Jastrzemski, der die Linzer als Anwendungstechniker bei den Gewindewerkzeugen betreut, auf das Problem an. Und der hatte auch gleich eine Idee. „Wir standen zu diesem Zeitpunkt kurz vor der Markteinführung einer komplett neu entwickelten Innoform-Reihe. Damit standen Gewindeformer zur Verfügung, die zur Bearbeitung von bestimmten Werkstoffen oder Werkstoffgruppen optimiert sind und auch mit konventionellen Kühlschmierstoffen eine sehr hohe Gewindequalität erzeugen.“
Erste Testwerkzeuge wurden zur Verfügung gestellt, die ersten Versuche gefahren „und alles hat auf Anhieb wunderbar funktioniert“, wie Leitner sagt. Und da sich das Büro von Emuge-Franken nur wenige Kilometer entfernt befindet, konnte Jastrzemski schnell vor Ort sein, um bei akuten Fragen zu helfen oder zusammen mit dem Team von Leitner den Prozess zu optimieren.
Qualitätssteigerung und Zeitgewinn pro Gewinde
Schließlich wurde die gesamte Turbinengehäuse-Fertigung von Gewindeschneiden auf Formen umgestellt. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen. „Mit den Innoform H-Werkzeugen haben wir eine Qualitätssteigerung sowie eine Verbesserung der Prozessstabilität erreicht. Bei durchschnittlich 360 Gewinden pro Gehäuse reduziert sich durch diese Maßnahme alleine die reine Maschinenzeit um 90 Minuten“, rechnet Leitner vor.
Da auch das Entgraten, die Hundertprozentprüfung – es gibt jetzt nur noch eine Stichprobenkontrolle – und die Nachbearbeitung der Gewinde entfallen, wird zudem die hierfür veranschlagte Zeit teilweise eingespart. „Und geht man bei den Innoform-Werkzeugen von einer 20 Prozent längeren Standzeit und von im Schnitt 40 Prozent höheren Beschaffungskosten gegenüber Gewindebohrern aus, bei denen wir wiederum die Nachschleifkosten mit 30 Prozent kalkulieren, sind die reinen Werkzeugkosten aufkommensneutral.“ Mit den neuen Innoform-Werkzeugen sei die Umstellung auf das Gewindeformen völlig problemlos verlaufen, sagt Leitner abschließend. ■
Bilfinger Maschinenbau GmbH & Co KGwww.maschinenbau.bilfinger.com
Emuge-Werk Richard Glimpel GmbH & Co. KG www.emuge-franken.com
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