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Christoph Geigges, President und CEO, Walter AG im Interview

President und CEO der Walter AG im Interview
Christoph Geigges: „Wir müssen mehr automatisieren und digitalisieren“

Christoph Geigges: „Wir müssen mehr automatisieren und digitalisieren“
Christoph Geigges, President und CEO, Walter AG. Bild: Walter
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Bis zu seiner Berufung zum Finanzvorstand und kurz darauf zum President und CEO der Walter AG war Christoph Geigges ein unbeschriebenes Blatt in der Werkzeugbranche. Die mav sprach mit dem jungen und erfolgreichen Finanzexperten über seine Ziele und die Wachstumsstrategie von Walter. Das Interview führte: Frederick Rindle

mav: Wie sind Sie in die neue Position als President und CEO der Walter AG gestartet?

Geigges: Es ist nun schon rund zehn Monate her, dass ich die Position des CEO nicht mehr nur interimsmäßig ausübe, sondern dass ich jetzt in vollem Umfang als Präsident und CEO der Walter AG tätig bin. Meine erste Erkenntnis war: Die Funktionen des CFO und des CEO in einer Person zu vereinen, ist eine schwierige Aufgabe, die nur als funktionierendes Team gelingen kann. Insofern bin ich meinen Team sehr dankbar, dass wir diese Aufgabe gemeinsam so gut gemeistert haben.

mav: Bevor Sie zu Walter kamen, waren Sie im Finanzbereich eines internationalen Pharmakonzerns im Nahen Osten tätig. Was können Sie aus dieser Erfahrung jetzt bei Walter einbringen?

Geigges: Das Wichtigste, was ich in meinen Projekten mit Partnern im Jemen, Iran und Libyen gelernt habe, ist Resilienz. Wenn man mit Menschen in Krisen- und Bürgerkriegsländern arbeitet, wird einem schnell klar, dass unsere alltäglichen Herausforderungen gar nicht so groß sind, wie es zunächst den Anschein hatte. Was ich daraus mitnehme ist eine gewisse Gelassenheit auch in hektischen Situationen.

mav: Was begeistert Sie an der Werkzeugbranche, dass Sie diesen großen beruflichen Wechsel gewagt haben?

Geigges: Bei Walter begeistert mich besonders das lösungsorientierte Arbeiten. Denn wir bieten dem Kunden nicht nur Werkzeuge, sondern immer Lösungen für seine Anwendung. Außerdem treiben wir mit unseren Lösungen auch das Thema Nachhaltigkeit weiter voran. Aber natürlich gibt es für mich gerade aus technischer Sicht noch viel zu lernen. Dabei freue ich mich immer wieder, wenn ich von dem riesigen Knowhow unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren kann.

mav: Eine ganz wesentliche Veränderung bei Walter war sicherlich die Verlagerung der Fertigung der Standardwerkzeugkörper weg vom Stammwerk in Tübingen. Wie sehen die weiteren Pläne für den Standort Tübingen aus?

Geigges: Tübingen ist und bleibt der Stammsitz von Walter. Wir haben hier die einzigartige Möglichkeit, verschiedene Funktionen auf einem Campus zu vereinen. So haben wir hier in Tübingen die Forschung und Entwicklung, das Produktmanagement, den weltweiten Vertrieb und die Fertigung von Sonderwerkzeugen an einem Standort vereint. Diese räumliche Nähe und die dadurch erleichterte Zusammenarbeit tragen wesentlich zum Erfolg von Walter bei. Durch die Verlagerung der Standard-Werkzeugkörperfertigung können wir auch die Gebäude- und Flächennutzung an unserem Stammsitz in Zukunft verbessern und so schlussendlich effektiver und nachhaltiger produzieren und arbeiten. Hierzu stehen wir bereits mit verschiedenen Planungsbüros in Kontakt.

mav: Ist der Standort Deutschland für Sie noch wettbewerbsfähig?

Geigges: Ja, absolut. Wir erleben derzeit einen klaren Trend von der Globalisierung hin zur Regionalisierung. Denn zum einen wächst allgemein der Wunsch, sich unabhängiger von beispielsweise Russland oder China zu machen, zum anderen müssen wir uns im Rahmen eines nachhaltigen Wirtschaftens auch Gedanken über unsere Lieferketten machen. Darüber hinaus bietet eine Produktion in der Zielregion die Möglichkeit, flexibler und agiler auf die Bedürfnisse des Marktes zu reagieren. Und da Deutschland der größte Markt für Walter ist, spricht schon aus marktwirtschaftlicher Sicht alles für eine Produktion in Deutschland. Wichtiger ist für uns aber das Knowhow der Walter-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter hier in Deutschland, auf das wir auf keinen Fall verzichten wollen und können. In Münsingen befindet sich ja auch unser größtes und modernstes Werk für die Wendeschneidplattenproduktion.

Um auch bei den Produktionskosten am Standort Deutschland wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir allerdings verstärkt in Automatisierung und Digitalisierung investieren, denn nur durch ständige Effizienzsteigerungen wird der Standort Deutschland im globalen Wettbewerb bestehen können.

mav: Wie läuft das Jahr 2023 für Walter bisher wirtschaftlich?

Geigges: Wir sind gut in das Jahr 2023 gestartet, wobei die Wachstumsraten im ersten Quartal etwas höher waren als im zweiten. Das Umsatzwachstum wurde dabei durch den Aufwärtstrend in der Luftfahrtindustrie stark beflügelt. Für das zweite Halbjahr rechnen wir mit ähnlichen Wachstumsraten wie im ersten Halbjahr und erwarten insgesamt ein Wachstum im mittleren bis oberen einstelligen Prozentbereich. Obwohl sich der Geschäftsklimaindex für Deutschland weiter eingetrübt hat, wollen wir auch 2023 stärker als der Markt wachsen und weiter Marktanteile gewinnen.

mav: Für Walter hat sich Nordamerika in den letzten Jahren als starker Wachstumsmarkt erwiesen. Welche Branchen laufen dort derzeit besonders gut?

Geigges: Einer der größten Wachstumstreiber in den USA ist aktuell eindeutig die Luft- und Raumfahrtindustrie. Hinzu kommt, dass das Thema Near- und Onshoring in der US-Politik derzeit einen sehr hohen Stellenwert einnimmt und somit Produkte aus den USA unter ihren Nachbarländern wie Mexiko oder Kanada verstärkt nachgefragt werden. Wir sind hier in der glücklichen Lage, durch die Akquisition der GWS Tool Group im Jahr 2021 auf nunmehr 14 Produktionsstandorte in Nordamerika zurückgreifen zu können. Den Standort Greer in South Carolina werden wir zudem in naher Zukunft grundlegend modernisieren und dort Roundtools der Marke Titex produzieren. Darüber hinaus werden wir in Greer auch ein neues Technologiezentrum für den amerikanischen Markt errichten.

mav: Wie haben sich die weiteren Märkte, insbesondere der deutsche und der europäische, für Walter entwickelt?

Geigges: Im Vergleich zum nordamerikanischen Markt, der sich sehr gut entwickelt hat, haben sich der europäische und der deutsche Markt gut entwickelt. In Europa haben wir uns vor allem über das gestiegene Auftragsvolumen aus der Automobilindustrie gefreut, wobei das Wachstum hier eindeutig in Osteuropa stattfindet.

Asien und insbesondere China bleiben derzeit noch hinter unseren Erwartungen zurück. In China wollen wir uns in Zukunft mehr und mehr als Komplettlösungsanbieter positionieren und so der wachsenden Zahl chinesischer Mitbewerber mit qualitativ hochwertigen Lösungen begegnen.

mav: Wo sehen Sie noch Wachstums- und Entwicklungschancen für Walter?

Geigges: Als Vollsortimenter sind wir in vielen Märkten ein starker Player und eine bekannte Marke. Allerdings sind wir in vielen Märkten auch nicht der Marktführer. Hier sehen wir noch großes Wachstums- und Entwicklungspotenzial. Für unsere wichtigste Zielbranche, die Automobilindustrie, haben wir uns zum Beispiel im Bereich der Aluminiumbearbeitung durch die Akquisition des portugiesischen PKD-Werkzeugherstellers Frezite weiter verstärkt.

mav: Bei Walter gibt es mit dem Standort Niefern bereits ein Zentrum für PKD-Werkzeuge. Welche neuen Kompetenzen sind durch die Übernahme von Frezite hinzugekommen?

Geigges: Durch die Akquisition erhoffen wir uns zahlreiche Synergien zwischen Werner Schmitt in Niefern und dem Frezite-Standort in Trofa. Dazu zählen wir neben Verbesserungen bei den Produktionsprozessen auch eine verbesserte Kundenansprache. Ich bin mir sicher, dass wir mit dem Knowhow von Frezite und von Werner Schmitt unseren Kunden im PKD-Bereich neue, sehr interessante Lösungen für die Aluminiumbearbeitung anbieten können.

mav: Sehen Sie noch weitere Bereiche, in denen sich Walter durch weitere Akquisitionen verstärken könnte?

Geigges: Wir sind immer auf der Suche nach interessanten Unternehmen, die gut zum bestehenden Produktportfolio von Walter passen. Mit GWS haben wir bereits einen ersten Schritt in den nordamerikanischen Markt gemacht und können uns gut vorstellen, uns gerade auf dem amerikanischen Markt weiter zu verstärken. Auch in Asien können wir uns eine Verstärkung sehr gut vorstellen. Denn bisher haben wir außerhalb von China noch keinen Produktionsstandort in Asien. Hier ist für uns zum Beispiel der japanische Markt besonders interessant. Auch im Bereich der PKD-Werkzeuge sehen wir noch weiteres Potenzial, das wir eventuell durch eine geeignete Firmenübernahme heben könnten.

mav: Das Thema Nachhaltigkeit hat bei Walter schon lange einen hohen Stellenwert. In den Jahren 2021, 2022 und 2023 hat Walter beispielsweise mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie das Gold-Rating bei EcoVadis erreicht. Aktuell hat Walter neben dem schon bekannten Wiederaufbereitungsservice auch einen Recyclingservice für seine Hartmetallwerkzeuge eingeführt. Wie soll das Hartmetall-Recycling funktionieren?

Geigges: Mit dem Reconditioning Service bieten wir bekanntermaßen die Möglichkeit, unsere Vollhartmetallwerkzeuge in Originalqualität nachschleifen zu lassen. Erst kürzlich haben wir dazu eine neue Studie herausgebracht, die auch gezeigt hat, dass man seine Werkzeugkosten um bis zu 50 Prozent senken kann, wenn man ein Werkzeug dreimal wieder aufbereitet.

Das Hartmetall-Recycling ist dagegen ein ganz neuer Service bei Walter. Außer in Deutschland sind wir damit auch erst in einigen wenigen Pilotmärkten an den Start gegangen. Die Schnittstelle zum Kunden übernimmt dabei ein Online-Portal, in dem unsere Kunden sofort sehen, wie viel Geld sie für ihren Hartmetallschrott von uns bekommen. Der jeweils individuelle Schrottpreis wird dabei kontinuierlich an die Qualität des angelieferten Hartmetalls angepasst. Denn je mehr hochwertiges Hartmetall im Schrott enthalten ist, desto mehr ist er natürlich auch für uns wert. Der Schrott wird dann konzernintern an unsere Hartmetallexperten der Wolfram Bergbau und Hütten AG zur Aufbereitung weitergegeben. Dort wird er in verschiedenen Recyclingprozessen zu hochwertigem Hartmetallpulver aufbereitet. Für uns ist das der erste Schritt in Richtung Hartmetall-Kreislaufwirtschaft.

Walter AG
www.walter-tools.com

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