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Corona bringt Digitalisierung auf Trab

Trends wie digitale Kommunikation, Digital Twin, Smart Devices und KI werden 2021 an Bedeutung gewinnen
Corona bringt Digitalisierung auf Trab

Zum Jahresende schlägt immer die Stunde der Auguren: Welche großen Trends werden die Branche im kommenden Jahr beschäftigen? Die meisten davon sind schon länger angelegt, aber unter dem Einfluss der Coronakrise haben einige Themen eine Betonung erfahren – gerade im Bereich der Digitalisierung.

Autor: Dr. Frank-Michael Kieß

Der Megatrend Digitalisierung beschäfigt den Maschinenbau schon seit Jahren. Doch während der Coronapandemie ist deutlich geworden, wie sehr digitale Technologien die entscheidende Brücke in die „neue Normalität“ und ein Aufrechterhalten des Betriebs erst möglich gemacht haben. So sieht es etwa der Solinger Komponentenhersteller Item, der wie auch andere versucht hat, die Maschinenbautrends- für 2021 zu definieren.

Digitalisierte Kommunikation

Erste wichtige Erkenntnis: Die Erwartungen der Kunden an kurzfristige Projektabstimmungen – etwa über Webmeetings – seien gestiegen. Die digitalisierte Kommunikation dürfte auch in der Post-Corona-Welt generell an Bedeutung gewinnen und sei nicht allein auf das Projektmanagement beschränkt, sondern setze sich auch in der Kollaboration mit anderen Unternehmen zunehmend durch. Aber auch im Kundenservice und Support gewinnen digitale Tools an Akzeptanz. Ein Beispiel von vielen liefert der Werkzeughersteller Hufschmied, der erfolgreich Microsoft Teams, Hololens-Brillen und Augmented-Reality-Technologie für die virtuelle Kundenbetreuung nutzt.

Konsumerisierung der Industrie durch Smart Devices

Daran schließt sich ein weiterer Trend an, den der Digital-Marketing-Spezialist Eviom konstatiert: Wie Entwicklungen im Consumermarkt einst schon die Business-IT-Landschaft verändert haben, so gewinnt nun auch die Konsumerisierung der Industrie durch Smart Devices an Kontur. So sind Touch-Displays – ein ursprünglich durch den privaten Konsum entstandener Trend – auch in der Fertigung fast schon Alltag geworden. „Die Display-Steuerung von Maschinen ist bereits heute eine feste Größe“, so Eviom. Der nächste Schritt werde wohl die Abkopplung der Displays von der Maschine sein, sodass die Steuerung von Maschinen remote über Smartphones oder Tablets vorgenommen werden kann. Klar sei allerdings, dass dies auch neue Anforderungen an die Datensicherheit mit sich bringt.

Standardisierte Kommunikationsprotokolle

Vor dem Durchbruch könnten 2021 die standardisierten Kommunikationsprotokolle für den Maschinenbau stehen – ein Thema, das die Branche seit Jahren beschäftigt. Spätestens seit 2017, als die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie einen Vorstoß startete, der in Umati, einem OPC-UA-basierten Standard für die Kommunikation von Werkzeugmaschinen mündete. In Zusammenarbeit mit dem VDMA wurde das Projekt auf eine breitere Basis gestellt, und Ende September wurde die OPC-UA for Machinery veröffentlicht. Sie stellt Basisbausteine für die Maschinenschnittstelle bereit, die für den gesamten Maschinen- und Anlagenbau von Bedeutung sind. „Mit der Veröffentlichung der OPC UA for Machinery sind wir nach langen Jahren der Standardisierungsarbeit im Bereich OPC UA unserem Ziel einer ‚Weltsprache der Produktion‘ einen wichtigen Schritt nähergekommen“, freut sich Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau).

Zeitgleich erschien dieses Jahr auch die erste Version der OPC UA for Machine Tools. „Sie ist ein wesentlicher Meilenstein für die Werkzeugmaschinenindustrie“, sagt Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken). „Damit geben wir unseren Mitgliedern nun die Möglichkeit, Produkte an den Markt zu bringen, deren Kommunikation auf OPC UA als offener Schnittstelle basiert.“

Die Entwicklung standardisierter Kommunikationsprotokolle sei eine der Herausforderungen, um die autonome Kommunikation von Maschinen in einer Smart Factory zu organisieren, bestätigen die Auguren von Eviom. Eine erfolgversprechende Plattform sei OPC UA, gegebenenfalls in Kombination mit dem Standard TNS (Time Sensitive Networking). Abgesichert werden müsse im ersten Schritt, dass identische Maschinentypen – etwa Werkzeugmaschinen oder Maschinen für die Lebensmittelproduktion – die gleiche digitale Sprache sprechen.

Evolution des Digital Twin

Spätestens seit Siemens die Technologie quasi zum Herzstück seiner neuen CNC-Generation Sinumerik One erhoben hat, ist klar: Der digitale Zwilling – also das digitale Abbild etwa einer Maschine – wird ein zentraler Baustein der Fertigung der Zukunft sein. Diese Entwicklung wird 2021 weiter Fahrt aufnehmen, so die Prognose der Analysten. „Perspektivisch sollen Digital Twins in der Lage sein, auch im laufenden Betrieb ein vollständiges Abbild von Maschinen oder von komplexen Anlagen zu liefern“, so Eviom. Über Sensor-Daten ließen sich Abweichungen vom Soll-Zustand der Maschinen und Anlagen in Echtzeit erkennen; damit könne der Aufwand für Predictive Maintenance (vorausschauende Wartung) optimiert werden.

Weitere Vorteile nennt Item: Indem digitale Zwillinge reale Objekte repräsentieren und etwa deren aktuelle Leistungsdaten visualisieren oder Projekte simulieren, die noch in der Entwicklung sind, verkürzten sie nicht nur Arbeits- und Entwicklungsprozesse. Auch lange Fahrwege und Präsenztermine entfielen, was in Coronazeiten wiederum vorteilhaft sei. Außerdem lasse sich ein digitaler Zwilling und Augmented Reality kombinieren, wodurch Social Distancing selbst bei intensiven Diskussionen keine Rolle mehr spiele.

Mensch-Roboter-Kollaboration

Ein Thema, das auch im Umfeld der Fertigungsmaschine selbst immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist die Mensch-Roboter-Kollaboration. Einerseits, weil der Robo-Kollege mangelnde Maschinenbediener ein Stück weit ersetzen kann, andererseits aber auch, weil er unter Coronabedingungen naturgemäß Vorteile mit sich bringt. „Es ist fest davon auszugehen, dass die Mensch-Roboter-Kollaboration nächstes Jahr noch mehr Fahrt aufnehmen und somit zu den Maschinenbautrends 2021 zählen wird“, so Item. Die vielseitigen kollaborativen Roboter (Cobots) würden für KMU zunehmend erschwinglich. Und auch Corona spiele beim zunehmenden Erfolg der kollaborativen Roboter eine Rolle. „Der Roboter muss sich nicht an Abstandsgebote halten“. bringt es Helmut Schmid, langjähriger Deutschland-Chef beim dänischen Cobot-Pionier Universal Robots und seit kurzem Start-up-Berater für junge Hightech-Unternehmen, auf den Punkt.

Künstliche Intelligenz

Das Bild wäre nicht vollständig ohne den Megatrend der Digitalisierung: Künstliche Intelligenz (KI) gehört derzeit zu den Technologiebereichen, die besonders rasant voranschreiten. „Riesenfortschritte gab es insbesondere beim Deep Learning mit künstlichen neuronalen Netzen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Thomas Bauernhansl, der Leiter des Fraunhofer IPA. Deep Learning helfe bei der Bildauswertung in der Medizin ebenso weiter wie in der Produktion, wo KI die Produktivität und Effektivität von Maschinen erhöhe. Verfahren des maschinellen Lernens könnten Anomalien erkennen und automatisiert empfehlen, was man tun muss, damit die Maschinen besser laufen. Zudem könne mit KI ein Teil der planerischen Aufgaben und der Fehlerbehebung direkt in die Maschinen verlagert werden.

Die Vision einer menschenleeren Fabrik durch KI teilen die Forscher indes nicht. „KI übernimmt Daten-Fleißarbeit – wertet große Datenmengen aus, trifft Klassifizierungen und findet Analogien“, sagt Prof. Dr.-Ing. Martin Ruskowski, Leiter der Technologieinitiative Smart Factory KL. „Sie wird aber niemals eine kreative Problemlösung vorschlagen.“

Es läuft also eher darauf hinaus, dass KI mehr und mehr als Assistent eingesetzt wird und den Mitarbeiter unterstützt. „In der Vergangenheit mussten sich Menschen den Maschinen anpassen, nun passen wir Maschinen an menschliche Bedürfnisse an“, so Ruskowski. Vieles verdanke man dabei übrigens den Consumerprodukten. „Es reichen ja schon Smartphone oder Tablet, um mithilfe der Augmented Reality technische Informationen in das Bild der Realität einzublenden.“

Womit sich dann auch der Kreis zum oben diskutierten Thema Konsumerisierung der Industrie schließt.


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