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Corona-Krise: Haimer und Deckerform fertigen Gesichtsschutz

Lokale Partnerschaft in der Covid-19-Krise
Haimer produziert Vollvisier-Gesichtsschutz mit Deckerform

Im Zuge der Covid-19-Krise hat die Haimer GmbH einen Gesichtsschutz entwickelt, zertifiziert und produziert, der Tröpfcheninfektionen vorbeugt und durch hohe Ergonomie und Tragekomfort überzeugen soll. Auf der Suche nach einem Formenbauer wurde der Spanntechnikspezialist bei der Firma Deckerform aus Aichach, fündig. Dabei konnten die beiden Firmen zeigen, dass sie mit einem ausgeklügelten Produktionsprozess qualitativ hochwertige Produkte zu einem guten Preis-Leistungsverhältnis herstellen können.

Nachdem das „Corona“-Virus auch in Igenhausen, der Heimat von Haimer, Menschen getroffen hat, entstand in der Geschäftsleitung des Familienunternehmens die Idee, ein Produkt zu entwickeln, dass neben Mitarbeitern in Industrie und Handwerk auch Personen in anderem Umfeld (wie Büro, Rezeption, Optiker, Friseure etc.) schützt. Die Ende März entstandene Idee formte sich zu einem Vollvisier-Gesichtsschutz, dem Haimer „Face Shield“, das Tröpfchen durch eine durchsichtige Scheibe von Augen, Nase und Mund fernhält und gleichzeitig angenehmer vom Tragekomfort für die ganztägige Anwendung sein soll.

Altbekannter Partner

Von vornherein war klar, dass für den Werkzeugbau und den Produktionsprozess ein leistungsstarker Partner mit ins Boot geholt werden muss. Die Wahl fiel auf die Deckerform-Gruppe, Spezialist für Formenbau und Kunststofftechnik, zudem ebenfalls ein Familienbetrieb und im nur knapp zehn Kilometer entfernten Aichach zuhause.

Die Familien Haimer und Tschacha kennen sich schon viele Jahre und sind ebenso lange Geschäftspartner. Anna Tschacha, Geschäftsführende Gesellschafterin, erklärt: „Wir beziehen schon immer Werkzeugaufnahmen von Haimer, deren hohe Qualität unsere Mitarbeiter durchgängig überzeugt. So liegt der Haimer-Anteil inzwischen über 80 Prozent. Dazu haben wir von Haimer eine Wuchtmaschine und ein aktuelles Schrumpfgerät der i4.0-Premium-Baureihe sowie diverse Vollhartmetallfräser im Einsatz.“

Hohes Qualitätsbewusstsein ist eine Eigenschaft, die beide Unternehmen eint. Auch darum war der gewünschte Projektpartner Deckerform. „Wir haben uns konsequent vom Werkzeug- und Formenbauer zum Systemlieferanten für die Kunststoffverarbeitung weiterentwickelt“, schildert die Geschäftsführerin. „Zwar entwickeln und bauen wir nach wie vor anspruchsvolle Spritzgießformen für die Automobilindustrie sowie für Hersteller von Stühlen, Einkaufswagen oder Fassadenelementen und vielem mehr.“ Sie weist aber darauf hin, dass seit 2007 das gesammelte Fertigungs- und Entwicklungs-Know-how in einer eigenen Firma gebündelt wurde, der Deckerform Technologies GmbH, auch Ideenschmiede genannt. Sie ist dafür zuständig, anhand von Füll- und Verzugsanalysen, FEM-Festigkeitsberechnungen und Topologieoptimierungen die Bauteile spritzgussgerecht zu optimieren.

Große Zustimmung bei Deckerform

Für das Gesichtsschutz-Projekt waren für Haimer die Kompetenzen im Formenbau und der Ideenschmiede entscheidend. Beim Deckerform-Ansprechpartner Peter Ottillinger stießen die Pläne auf große Zustimmung. Auch Familie Tschacha und die Deckerform-Belegschaft zeigten sich begeistert. „Unsere Konstrukteure legten sogar eine Wochenendschicht ein, um die engen Zeitvorgaben zu erfüllen“, berichtet Ottillinger. „Gerade, weil alles sehr schnell gehen musste, war der kurze Weg zwischen Igenhausen und Aichach sehr vorteilhaft. So konnten die Haimer-Entwickler und ich ein perfektes Pingpong-Spiel aufziehen, in dem wir die Vorstellungen vom Produkt, dem erforderlichen Werkzeug und dem optimalen Produktionsprozess permanent abgestimmt haben.“

Ausgehend von einer Spritzgießsimulation, die wegen der sehr dünnen Wandstärken und langen Fließwege zwingend erforderlich war, ergänzten die Kunststoffspezialisten die Produktkonstruktion um Angüsse und Verteiler. Und sie planten die Werkzeugtechnik: Wo werden Heißkanäle benötigt, wo sind Formschrägen erforderlich? Wie sind die Wandstärkenverhältnisse? Wo braucht man Touchierungen? „Wir haben dabei auf eine optimierte Zerspanung geachtet“, erklärt Peter Ottillinger. „Schließlich wollten wir die Formwerkzeuge hauptsächlich fräsen und zeitaufwändiges Erodieren vermeiden. So galt es zum Beispiel, die Rippen in ihrem Tiefen-/Breitenverhältnis und den Radien so zu gestalten, dass sie gefräst werden können.“

Fräsen im Formenbau

Die langjährige Partnerschaft der Firmen Deckerform und Haimer liegt genau hier begründet: beim Fräsen im Formenbau. Die Zerspanungsspezialisten bei Deckerform schwören auf die Haimer-Schrumpfspannfutter, insbesondere auf die Power Shrink Chucks. Sie verfügen über ein optimiertes Design, das hohe Steifigkeit mit Schwingungsdämpfung verbindet – wodurch sie sich für Hochgeschwindigkeits- oder Hochpräzisions-Fräsanwendungen empfehlen. Die Qualität zeigt sich hier unter anderem in der Rundlaufgenauigkeit von  3 μm bei 3xD Werkzeugauskragung. Für tiefe Kavitäten wie zum Beispiel Rippen nutzen die Formenbauer Haimer Power Mini Shrink Chucks, die durch ihre schlanke 3-Grad-Außenkontur ideal für die 5-Achs-Bearbeitung von schwer zugänglichen Bauteilen sind.

Beim Schrumpfprozess achtet Deckerform ebenfalls auf Qualität, Bedienerfreundlichkeit – und ein zeitgemäßes Datenhandling. Deshalb investierte das Unternehmen in eine Schrumpfstation der Power-Clamp-i4.0-Premium-Reihe von Haimer. Sie ermöglicht ein teilautomatisiertes Schrumpfen und ist intuitiv zu bedienen.

Für den digitalen Datentransfer an die Werkzeugmaschine integriert Deckerform RFID-Chips in die Werkzeughalter. „Diese müssen dann zwar erneut gewuchtet werden, aber die Vorteile sind das wert“, erklärt Anna Tschacha. Das Feinwuchten findet auf einer Tool Dynamic Comfort-Wuchtmaschine statt.

Die jüngsten Deckerform-Investitionen bei Haimer betreffen Vollhartmetall-Fräser, wie Peter Ottillinger sagt: „Die Leistung der Haimer-Mill-Fräser hat uns einfach überzeugt. Wir haben sie – wie auch die Vollradiusfräser aus der Power-Mill-Serie – zusammen mit unterschiedlichen Wettbewerbsprodukten vielen Tests unterzogen und als Konsequenz weitgehend auf die Haimer-Produkte umgestellt.“ Deckerform nutzt die Schaftfräser in der 2,5xD-Variante vor allem zum Schruppen. Dabei überzeugen sie bezüglich Zerspanvolumen, Standzeit und Qualität der Bearbeitung.

Zurück zum gemeinsamen Gesichtsschutz-Projekt

Den beiden Unternehmen gelang es, Produktentwicklung und Werkzeugkonstruktion für das Gesichtsschutz Vollvisier so zu ineinander zu verzahnen, dass der Werkzeugbau nach einer Woche loslegen konnte. Aber auch hier war intensive Abstimmung erforderlich. „Wir haben ein Versuchswerkzeug hergestellt, bei dem wir mit Tauchkanten arbeiten, um die Wandstärke flexibel einstellen zu können“, erklärt Peter Ottillinger. „So bekommt man ein Gefühl für unterschiedliche Wandstärken und wie sich das Teil biegen lässt. Außerdem haben wir Materialtests gefahren, um auch diesbezüglich ein optimales Ergebnis zu erzielen.

Tobias Völker, Marketingleiter bei Haimer, weist auf Entscheidendes hin: „Zu unseren beiden Unternehmen passt nur ein Produkt, das höchsten Qualitätsansprüchen gerecht wird. Das gilt für das Design und die Funktionalität des Gesichtsschutzes ebenso wie für den einfachen Umgang damit und die gute Verträglichkeit. Schließlich wollen wir mit diesem Projekt auch beweisen, dass wir in der Lage sind, hier in Deutschland bessere Produkte zu wettbewerbsfähigen Kosten herzustellen.“

Funktionaler Geschichtsschutz aus drei Teilen

Das Haimer Face Shield Model 1 besteht abgesehen vom Visier aus zwei Teilen: dem Visierhalter und dem Kopfträger. Überzeugend ist die ergonomische Ausführung: Durch einstellbare Bänder kann es optimal auf den Kopf des Trägers eingestellt werden. Im Bereich der Stirn sorgt ein weicher, austauschbarer Stoffeinsatz für besten Tragekomfort. Es ist mit Atemschutzmasken und zusätzlichen (Schutz)Brillen kombinierbar. Da es nach vorne aufgeklappt werden kann, muss es beim Telefonieren, Trinken oder Wechsel von Atemmasken nicht abgenommen werden.

Das Haimer Face Shield ist für den Einsatz im privaten und beruflichen Bereich bestimmt. Es eignet sich besonders für den Einsatz in produzierenden Betrieben (Industrie und Handwerk), und Büros, da das Sichtfeld nicht eingeschränkt ist. Aber auch für Dienstleister, die nah am Kunden sein müssen, ist es eine ideale Ergänzung für den Corona Schutz. Dementsprechend erfüllt es die Sicherheitsanforderungen der PSA-Verordnung (Persönliche Schutzausrüstung) EU 2016/425 Kategorie II und die Anforderungen an Augenschutzgeräte nach EN 166:2001 zum Schutz gegen Tropfen und Flüssigkeitsspritzer.

Projekt mit sozialer Komponente

Ende Mai fand die erste Bemusterung statt, der finale Verbesserungen folgten. Für die Produktion der ersten 1000 Teile stellte Deckerform sein „Technikum“ zur Verfügung, eine Halle, in der sich fünf betriebsbereite Toyo-Spritzgießmaschinen mit Schließkräften zwischen 50 und 1300 t befinden. Für die Montage und Konfektionierung ist Haimer zuständig, ebenso für die zukünftige Serienproduktion auf den hauseigenen Maschinen.

Die ersten Produkte werden seit Anfang Juni ausgeliefert. Sie gehen als Spende und „kleines Dankeschön“ an die Krankenhäuser in Aichach und Friedberg (bei Augsburg) sowie an weitere Pflegeeinrichtungen. „Uns ist der soziale Aspekt dieses Projektes sehr wichtig“, bekräftigt Völker. „Wir wollen ein Zeichen setzen, was alles möglich ist, wenn wir regionale Kräfte bündeln.“ Peter Ottillinger stimmt dem voll und ganz zu und sagt‘s auf bayerisch: „Zamhalten müss mer – aus der Region für die Region, Deutschland, Europa und die ganze Welt.“ Seit Mitte Juni ist das Face Shield auch für alle Gewerbetreibenden, Industrie, Handwerk und Handel erhältlich.

Haimer GmbH

Weiherstr. 21

D-86568 Igenhausen

www.haimer.com

Deckerform Technologies GmbH

Hanns-Martin-Schleyer-Straße 8

D-86551 Aichach

www.deckerform.de


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