Startseite » Werkzeuge »

Bauteile in Sekundenschnelle auf die Pyramide spannen

Spannmittel als Erfolgsfaktor in der automatisierten Fertigung
Bauteile in Sekundenschnelle auf die Pyramide spannen

Bei der Prozessautomation denken viele zuerst an Handlingsysteme. Dabei spielt gerade in der Zerspanung die Spanntechnik eine entscheidende Rolle, wenn wirtschaftlich automatisiert werden soll. Geschickt eingesetzt lässt sich mit ihr das Potenzial der Maschinenselbstbeladung beträchtlich steigern. Am Beispiel der Euler Feinmechanik GmbH aus Schöffengrund wird deutlich, wo Potenziale schlummern.

Leonard Euler ist Denker und Macher zugleich. 2015 ist er in die Geschäftsleitung des vom Großvater Erich Euler Anfang der 1960er Jahre gegründeten Feinmechanikbetriebs eingestiegen. Seither trimmt er das Unternehmen gemeinsam mit seinem Vater Hans Euler in Sachen Qualität, Prozesssicherheit und Effizienz. Der Umsatz hat sich seither fast verdreifacht, die Anzahl der Mitarbeiter und Maschinen verdoppelt. Programmierung, Dreh- und Frässtrategie, Werkstückspannung, Magazinierung sowie Handling sind heute sorgfältig aufeinander abgestimmt. „Schnell rüsten und flexibel fertigen“ – so lautet die Prämisse, nach der der Juniorchef die Fertigung ausgerichtet hat. „Alles muss schnell umgebaut und standardisiert sein“, betont Leonard Euler. „Dazu brauchen wir flexibel einsetzbare, standardisierte Spannmittel, die von allen verstanden werden.“ Kurze Vorlaufzeiten und kurze Durchlaufzeiten seien entscheidend für den Erfolg. „Mein Ziel war es von Anfang an die Rüstzeiten zu verkürzen, definiert aufzubauen und zu standardisieren“, berichtet der Unternehmer.

Bei der Definition der unterschiedlichen Spannstrategien greift der Wirtschaftsingenieur auf das Portfolio und die Kompetenz von Schunk zurück. Gerade in der Anfangsphase der Umstellung hatten sich die flexiblen Mehrfachspanner Kontec KSM2 als idealer Einstieg erwiesen, damals noch fest installiert auf 3-Achs-Maschinen. Im Handumdrehen lassen sich auf ihnen mehrere Teile gleichzeitig nebeneinander spannen. Schlanke Backen ohne überstehende Störkonturen ermöglichen eine hohe Teiledichte und eine gute Zugänglichkeit. Eine gehärtete und geschliffene Spitzverzahnung sorgt für maximale Robustheit, Präzision und Formstabilität. Unabhängig von der Werkstückgröße bewirkt ein Keilspannsystem, dass das Werkstück beim Spannvorgang automatisch niedergezogen wird.

Palettenspeicher in der Kleinteilefertigung

Mit Einführung eines CAD/CAM-Systems, der Umstellung von SK- auf HSK-Schnittstellen und dem Siegeszug der 5-Achs-Maschinentechnologie war für Leonard Euler schnell klar, dass vor allem Palettensysteme und Werkstückspeicher künftig die erforderliche Flexibilität und Effizienz bringen würden. In einem ersten Schritt investierte Euler Feinmechanik in ein 5-Achs-Bearbeitungszentrum Hermle C 22 U mit einem robotergestützten Regalmagazin, das er bei Hermle entwickeln und mit Schunk-Basisspannern Kontec KSC 65 ausstatten ließ. Fein säuberlich aufgereiht stehen 39 dieser kompakten Spanner nebeneinander – die meisten fertig gerüstet und automatisch abrufbar.

Die Allrounder für die Roh- und Fertigteilbearbeitung vereinen hohe Spannkräfte, eine komfortable Bedienung und kurze Rüstzeiten. Sie können direkt in die Paletten des auf Hermle-Maschinen gebräuchlichen Erowa-Nullpunktspannsystems integriert werden, wodurch das Gewicht beim Roboterhandling minimiert wird. Der vollständig gekapselte Antrieb sowie ein integrierter Späneabfluss sorgen für eine besonders hohe Prozessstabilität und minimalen Verschleiß. Dank Backenschnellwechselsystem können werkstückspezifische Spannbacken mit wenigen Handgriffen gewechselt und ein breites Werkstückspektrum abgedeckt werden. „Ich wollte einen Palettenspeicher für kleine Teile mit Rohteilmaßen bis 100 x 100 x 100 mm und zugleich eine intelligente Automation, mit der wir sehr flexibel sind“, unterstreicht Euler. Wenn nicht gerade Prototypen produziert oder Neuteile eingefahren werden, laufen auf der Maschine Serienteile.

Als klar wurde, wie groß der Effekt war, investierte Euler Feinmechanik in den zurückliegenden vier Jahren in zwei Hermle C22 UP sowie ein Hermle C32 U dynamic – konsequent ausgestattet mit Palettenspeichern und unterschiedlichsten Spannmitteln von Schunk. Gerüstet wird seither hauptzeitparallel anhand werkstückspezifischer Rüstpläne. Unproduktive Nebenzeiten, wie Umspannen, Ausrichten oder die Bestimmung des Nullpunkts werden aus dem Arbeitsraum der Maschine verbannt.

Speicherkapazität vervielfacht

Leonard Euler geht mit seinem Automatisierungskonzept noch einen Schritt weiter: Im Werkstückspeicher sollen so viele Teile wie möglich Platz finden, um möglichst lange mannlos fertigen zu können und Leerphasen in der Einzelteilfertigung produktiv zu überbrücken. Bei neuen Aufträgen analysiert er daher gemeinsam mit seinem Team und den Spanntechnikspezialisten bei Schunk, wie sich die Anzahl der Teile pro Magazinplatz erhöhen lässt.

Im Falle der Kleinteilefertigung in den Kontec-KSC-65-Basisspannern werden bis zu fünf Teile in einem einzigen Spanner produziert. Am Ende der Bearbeitung sind die Teile nur noch über einen Steg miteinander verbunden. Auf diese Weise kann die C22 U insgesamt 20 Stunden am Stück produzieren, ohne dass ein Bedienereingriff erforderlich ist. 95 % der Zerspanung sind damit automatisiert erledigt. Lediglich zum Planfräsen werden die Teile noch manuell auf einer anderen Maschine gespannt. Tagsüber steht dann die Fertigung von Kleinserien und Einzelstücke auf dem Programm.

Quasi-Direktspannung minimiert Deformationen

Zur Spannung deformationsempfindlicher Bauteile nutzt Euler Spannpyramiden, die mit den Nullpunktspannmodulen Vero-S NSE 138 ausgestattet sind. Pro Spannpyramide lassen sich so drei Bauteile gleichzeitig spannen, im Palettenspeicher platzieren und mannlos auf die Maschine einwechseln. Indem die dünnwandigen Werkstücke auf Paletten geschraubt und quasi direkt – sprich ohne weiteres Spannmittel – in den Schunk-Spannmodulen gespannt werden, sind ein schneller Werkstückwechsel und eine verzugsfreie Spannung gewährleistet. So war es möglich, die Präzisionsanforderungen der Bauteile prozesssicher in Serie zu gewährleisten. Aufgrund der langen Laufzeiten ist das 5-Achs-Bearbeitungszentrum Hermle C22 UP mit einem voll bestückten Werkstückmagazin ein komplettes Wochenende lang mannlos ausgelastet.

Trend zu Spannpyramiden

Vor allem bei 5-Achs-Maschinen verzeichnet Schunk seit einiger Zeit eine spürbar steigende Nachfrage nach Spannpyramiden. Ohne Zugeständnisse bei der Zugänglichkeit lässt sich mit ihnen die mannlose Maschinenlaufzeit vervielfachen – erst recht, wenn die Beladung wie bei Euler aus maschineneigenen Palettenspeichern erfolgt. Dass die Spannpyramiden nicht nur zur Direktspannung, sondern auch zur Aufnahme herkömmlicher Spannmittel dienen, wird auf dem zweiten Hermle-Bearbeitungszentrum C22 UP deutlich: Hier ist die Spannpyramide mit drei Kontec-KSC-125-Basisspannern bestückt. „Verglichen mit herkömmlichen Mehrfachspannern gewinnen wir mit der Kombination aus Spannpyramide, Nullpunktspannmodul und den kleinen Zentrischspannern viel Zeit beim Rüsten“, erläutert Leonard Euler. „Weder mit den Mehrfachspannern noch mit den großen KSC sind wir so schnell wie mit den kleinen KSC-Spannern auf der Pyramide. Auch wenn nur die sechste Seite überfräst wird, gehen wir mittlerweile am liebsten auf die Pyramide. Es ist einfach und es geht schnell.“

Während bei anderen Spannmitteln jedes Mal umständlich geschraubt werden muss, lassen sich die kleinen Spanner auf der Spannpyramide in Sekundenschnelle über Druckluft lösen. Auch bei Einzelteilen und Eilaufträgen bevorzugen die Bediener die Spannpyramiden, nicht zuletzt wegen den Schnellwechselmodulen. Aufträge, die früher auf 3-Achs-Maschinen sechs bis sieben Spannungen erforderten, sind heute mit 5-Achs-Technologie und Spannpyramide in zwei Aufspannungen effizient erledigt. Sollte es aufgrund der Störkonturen eng werden, nutzt Euler entweder die schlanken Hydro-Dehnspannfutter Tendo Slim 4ax oder Tribos-Werkzeugverlängerungen von Schunk.

Know-how liegt in der Spanntechnik

Runde Teile und große Platten mit hohen Anforderungen an die Ebenheit werden hingegen vorrangig auf dem Hermle-5-Achs-Zentrum C32 U dynamic bearbeitet, wobei Kontec-KSC-Basisspanner in den Baugrößen 200 und 300 zum Einsatz kommen, die mit Pendelbacken oder Krallenbacken von Schunk, beziehungsweise mit von Euler selbst gefertigten Segmentbacken, ausgestattet sind. Ein Pluspunkt des Kontec-Programms ist neben der Baugrößenvielfalt, dass Anwender aus einem großen Standardaufsatzbackenprogramm wählen können, wodurch eine größtmögliche Flexibilität gewährleistet ist. Dank Backenschnellwechselsystem lassen sich sowohl Standardbacken als auch werkstückspezifische Backen einfach wechseln.

„Unser Know-how liegt definitiv bei der Spanntechnik“, unterstreicht Leonard Euler. „Wir haben dünnwandige Bauteile für die Filmindustrie mit vielen Geometrien und H5-Passungen, bei denen Form- und Lagetoleranzen von 0,01 mm eingehalten werden müssen und zugleich extreme Oberflächengüten gefordert sind.“ Die Spannpyramide sei auf den 5-Achs-Maschinen als Standard gesetzt. Reicht der Weg in Z-Richtung nicht aus oder sind die Spanner zu klein, erhalten die horizontalen Spanner aus dem Schunk-Programm den Vorzug. „Wir streben einen gesunden Mix an, sodass wir überall volle Auslastung haben“, betont Euler.

Können Werkstücke für die OP20 nicht einfach aufgelegt und gespannt werden, kommen mitunter auch Segmentbacken zum Einsatz, in der Regel auf den Basisspanner Kontec KSC 125–160 . Für empfindliche Teile wiederum nutzt Euler hartcoatierte Alubacken. Um dauerhaft prozesssicher die hohen Qualitäten zu gewährleisten, sind sämtliche Bediener darauf sensibilisiert, die Spannmittel sorgsam zu behandeln und penibel zu reinigen.

Schunk GmbH & Co. KG
www.schunk.com

Euler Feinmechanik GmbH
www.euler-feinmechanik.de


Deformationsarm spannen – automatisiert beladen

Zur Bearbeitung von Drehteilen nutzt Euler Feinmechanik sowohl auf der Haupt- als auch auf der Gegenspindel eines DMG beta 800 4A Hochleistungsdrehzentrums jeweils das 6-Backen-Kraftspannfutter Rota NCR von Schunk, das automatisiert per Roboter beladen wird. Es besteht aus einem zentralen Futterkolben, der drei unter 120° angeordnete innere Pendel trägt. Jedes Pendel ist mit zwei Grundbacken verbunden. Das Ergebnis ist eine Werkstückzentrierung zwischen sechs Berührungspunkten, die paarweise ausgemittelt werden. Da die Spannkräfte auf das Futterzentrum gerichtet sind, ergibt sich bei Rohteilen eine optimale Zentrierung ohne Überbestimmung des Werkstücks. Das Futter passt sich mit seinen pendelnden Backen an das Werkstück an. Bei konventioneller Backenspannung erlaubt diese Konfiguration eine maximale Rundheit der Werkstücke. Die Beladung erfolgt mithilfe standardisierter Greifer.


Mehr zum Thema Spanntechnik


Hier finden Sie mehr über:
Aktuelle Ausgabe
Titelbild mav Innovation in der spanenden Fertigung 1
Ausgabe
1.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Trends

Aktuelle Entwicklungen in der spanenden Fertigung

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Alle Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de