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Start-ups mischen die Industrie in Deutschland auf

Additive Fertigung, Robotik, Künstliche Intelligenz – Klassische Unternehmen sind unter Druck
Start-ups mischen die Industrie in Deutschland auf

Wir erleben aktuell einen der größten Umbrüche der Wirtschaftsordnung. Die klassischen Wertschöpfungsketten werden durch den digitalen Wandel von Grund auf infrage gestellt. Junge innovative Start-ups fordern etablierte Unternehmen heraus und spornen diese zum eigenen Wandel an. Autor: Yannick Schwab

Start-ups sind ein wichtiger Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes geworden. Sie setzen innovative Geschäftsideen um, schaffen neue Arbeitsplätze und tragen so ihren Teil zum Bruttoinlandsprodukt bei. Gerade im Bereich der Zukunftstechnologien nehmen sie eine wichtige Rolle ein, egal ob in der Additiven Fertigung, Robotik, Künstlichen Intelligenz (KI), Blockchain, Augmented Reality oder im Internet der Dinge (IoT). So sehen bspw. fast 60 % der 1550 Start-ups, die im 6. Deutschen Startup Monitor (DSM) aufgeführt sind, bereits heute einen spürbaren Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf ihr Geschäftsmodell.

Neuer Schwung für die Fertigung

Auch im Bereich der industriellen Fertigung entstehen immer mehr Start-ups und Spin-offs, die sich mit digitalen Geschäftsmodellen beschäftigen. So hat der Werkzeughersteller Mapal zum Beispiel im Februar 2017 das Software-Start-up c-Com gegründet. Die gleichnamige Open-Cloud-Plattform dient der Datenverwaltung von Werkzeugen und C-Teilen im Fertigungsumfeld und setzt sich aus verschiedenen Modulen zusammen: Applikationsdatenbank, Nachschliffmanagement, Wälzfräsermanagement, c-Connect, Maschinenabnahme und zu guter Letzt das Werkzeugmanagement – die Kombination der verschiedenen Module.

Dort werden alle Informationen zu Werkzeug und Maschine gesamtheitlich betrachtet und in Verbindung zueinander gebracht. Unnötige Bestellungen von neuen Werkzeugen sowie ein zu hoher Lagerbestand sollen dadurch vermieden werden. Giari Fiorucci, der Geschäftsführer von c-Com, erklärt die Arbeitsweise in dem jungen Unternehmen: „Wir sind ein kleines Team, in dem agiles Handeln die erste Regel ist. Haben wir eine Idee, wird diese in die Software implementiert. Sollte sie funktionieren, weiter so. Wenn nicht, wird die Idee verworfen und es geht zurück zur Ausgangssituation.“

Künstliche Intelligenz im
Qualitätsmanagement

Die Iconpro GmbH, ein Spin-off des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen, beschäftigt sich mit der Entwicklung und Anwendung von Process-Mining-Software zur Analyse und Korrelation von Produktionsprozess- und Qualitätsdaten mittels Machine Learning. Die Anwender sollen von gesteigerter Qualität und Produktivität durch die Erkennung und Nutzung von Optimierungspotenzialen und die Vermeidung von Engpässen in ihren Produktions- und Inspektionsprozessen profitieren. Dafür werden Produktionsprozessdaten durch maschinelle Lernalgorithmen analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt. Der gesamte Prozess kann vollständig automatisiert und in Form von Dashboards visualisiert werden. Daneben bietet das Start-up individuelle Beratungsprojekte und Workshops zu den Themen „Production Process Mining“ und „Künstliche Intelligenz im Qualitätsmanagement“ an.

Auch die ehemaligen Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Astrophysik, Dr. Theo Steininger und Dr. Maksim Greiner, analysieren Produktionsprozesse, um daraus Handlungsempfehlungen in Echtzeit abzuleiten. Sie haben die Erium Gmbh gegründet und nutzen statistische Methoden aus der Astrophysik. Dabei setzt das Start-up einen besonderen Fokus darauf, das Fachwissen der Ingenieure und Prozessexperten einzubinden. Dadurch sollen weniger Daten benötigt und Lösungen schneller gefunden werden. Das Endergebnis überzeugt laut den Entwicklern durch verringerte Ausschussquoten, verkürzte Anlaufzeiten und Kosteneinsparungen im bis zu zweistelligen Prozentbereich.

Maschine zum Bauteil statt Bauteil
zur Maschine

Frei nach dem Sprichwort: „Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet zum Berg gehen“, bietet die Picum MT GmbH ihren Kunden ein mobiles Bearbeitungssystem für große Bauteile und komplexe Bearbeitungsaufgaben an, welches den Einsatz herkömmlicher großer Werkzeugmaschinen und langwierige Transporte überflüssig macht, etwa bei der Instandhaltung von Tiefziehwerkzeugen für Autobleche. Damit erfüllt das Spin-off der Leibniz Universität Hannover ein bisher unerfülltes Bedürfnis in der industriellen Produktion: Ein System, das die Genauigkeit einer Werkzeugmaschine mit der Flexibilität und Mobilität eines Roboters kombiniert. Damit kann die Fertigung von großen Bauteilen, wie bspw. Flugzeugrümpfen, nicht nur viel schneller, sondern auch flexibler und deutlich günstiger erfolgen.

Riesiger Markt lockt Gründer

Die Robotik ist einer der größten Wachstumsmärkte. Innovative Entwicklungen wie fahrerlose Transportsysteme, kollaborative Roboter in der Fertigung oder Haushaltsroboter für den Consumer-Markt sorgen dafür, dass das Wachstum auch weiterhin anhalten soll.

Im Juni 2014 wurde die Magazino GmbH von Frederik Brantner, Lukas Zanger und Nikolas Engelhard gegründet. Das Start-up entwickelt und baut intelligente Roboter, die ihre Umgebung wahrnehmen und selbstständig Entscheidungen treffen. Die Mobilroboter arbeiten parallel zum Menschen und machen Prozesse in den Bereichen E-Commerce- und Produktionslogistik flexibler und effizienter.

Die Kommissionierungsroboter Toru und Soto können autonom navigieren und mithilfe von 3D-Kameras Objekte selbstständig und ohne Interaktion des Menschen greifen. Mit der Benutzeroberfläche ARC (Advanced Robot Control) können Anwender den Überblick sowohl über die ganze Flotte als auch den einzelnen Roboter behalten. Bis heute hat das Münchner Unternehmen mit 110 Mitarbeitern aus 17 Nationen 42 Roboter produziert und 283 Softwarepakete entwickelt. Potenzielle Großkunden wie der Onlinehändler Zalando, Fiege Logistik und der Technologiekonzern Körber konnten bereits als strategische Investoren gewonnen werden.

Im Bereich der Robotik konnte sich auch das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) mit einem Spin-off platzieren. Mit der webbasierten, herstellerunabhängigen Software drag&bot sollen sich Industrieroboter unkompliziert einrichten, programmieren und bedienen lassen. Mittels drag&drop werden Funktionsblöcke auf einer grafischen Benutzeroberfläche in einer Reihe angeordnet, sodass eine Programmsequenz definiert wird. Dabei sind einfache Aufgaben wie „Roboter in Position x bewegen“ oder „Greifer öffnen“ bereits als Funktionen programmiert. Dieser Ansatz senkt den Programmieraufwand erheblich. Abhängig vom Funktionsblock können verschiedene Parameter eingestellt werden. Diese können entweder manuell eingegeben oder intuitiv mit grafischen Assistenten, den sogenannten Wizards ausgewählt werden. Drag&bot kann für Roboter und Komponenten verschiedener Hersteller genutzt werden, wie z. B. Universal Robot, Kuka, Fanuc oder ABB.

Deutschland liegt bei den
Gründungen hinten

Die wachsende Bedeutung der Start-ups in Deutschland lässt sich auch an der deutlich gestiegenen Mitarbeiterzahl ablesen. Im Durchschnitt arbeiten mittlerweile 12 Personen in den jungen Unternehmen. Beim Anteil der Gründerinnen gibt es allerdings Nachholbedarf: Auch nach einem stetigen Wachstum über die letzten vier Jahre liegt der Wert hier bei nur rund 15 %. Insgesamt liegt die Gründungsquote in Deutschland, laut Global Entrepreneurship Monitor 2018/19 (GEM), bei 4,97 % und hat sich somit im Vergleich zu den Vorjahren kaum verändert. Das heißt, einer von zwanzig Bürgern im Alter von 18 bis 64 Jahren hat seit 2015 ein Unternehmen gegründet oder ist gerade dabei. Im Vergleich zu anderen Ländern mit hohem Einkommen belegt Deutschland damit einen der hinteren Plätze – Österreich und die Niederlande beispielsweise erreichen eine Gründungsquote von über 10 %.

Dabei sind die Bedingungen in Deutschland gar nicht so schlecht. Das Marktumfeld für neue Produkte ist attraktiv, das Angebot an Förderprogrammen ist breit aufgestellt und der Patent- und Markenschutz ist in Deutschlang effektiv. Als hindernde Faktoren gelten jedoch insbesondere die fehlende schulische Vorbereitung auf das Unternehmertum, gesellschaftliche Werte und Normen sowie der Fachkräftemangel. Ebenso werden die Finanzierungsbedingungen in der Bundesrepublik seit Jahren eher durchschnittlich bewertet, obwohl sich hier positive Strukturveränderungen andeuten. Erfreulich ist, dass die Zahl der Investoren insgesamt zugenommen hat und öffentliche Finanzierungsprogramme weiter ausgebaut wurden. Insgesamt erreicht Deutschland im GEM-Ranking der 31 Länder mit hohem Einkommen, im Vergleich der gründungsbezogenen Rahmenbedingungen, den 15. Platz. Ein ähnliches Niveau erreichen Schweden, Irland und Spanien. Deutlich besser platziert sind beispielsweise die Niederlande und die USA. „Nur mit einer wettbewerbsfähigen Kapitalausstattung können innovative Start-ups schnell wachsen und internationale Märkte erobern“, erklärt Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Startups e.V., im Vorwort des Deutschen Startup Monitors 2018.

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