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Interview Mirko Merlo Vorstandsvorsitzender der Walter AG

Mirko Merlo war von 2012 bis 2018 Vorstandsvorsitzender der Walter AG
„2018 war ein fantastisches Jahr für Walter“

„2018 war ein fantastisches Jahr für Walter“
Mirko Merlo war von 2012 bis 2018 Vorstandsvorsitzender der Walter AG. Bild: Walter
In seiner Position als Vorstandsvorsitzender führte Mirko Merlo die Walter AG auf Wachstums- und Rentabilitätskurs. Insgesamt war Merlo über 35 Jahre für den Präzisionswerkzeughersteller aus Tübingen tätig. Die mav sprach mit ihm über das fantastische Jahr 2018, über die Walter-Digitalisierungsstrategie, und über die Trends in der Zerspanungsindustrie. Das Interview führte: Frederick Rindle

mav: Schon Ende letzten Jahres hatten Sie voller Enthusiasmus angekündigt, dass 2018 für Walter ein sehr erfolgreiches Jahr sein wird. Gab es hierfür einen besonderen Auslöser?

Merlo: Es ist beinahe schon unglaublich, aber fast alle Branchen laufen bei Walter gerade sehr gut. Am meisten hat mich persönlich die sehr starke Nachfrage der Automotivebranche überrascht, und das sowohl hinsichtlich der Dynamik als auch beim Volumen. Zudem hat auch der Bereich Aerospace abermals zugelegt. Einzig die Energieerzeugungsbranche, hier im Besonderen alle Anwendungen rund um den Turbinenbau, hat im letzten Jahr geschwächelt.

Kann man bei den Automotiveprojekten eine bestimmte Antriebsart als Wachstumstreiber klassifizieren?

Merlo: Ich beobachte die Automotivebranche schon seit Jahren sehr genau. Mir ist dabei aufgefallen, dass durch die erhitzte Diskussion rund um den Antrieb der Zukunft ein wahrer Innovationsschub losgetreten wurde. Das hat zur Folge, dass wir sowohl bei den Projekten mit rein konventionellen Verbrennungsmotoren als auch bei den Hybridkonzepten und den rein elektrischen Antrieben Zuwächse erzielen konnten.

Die hohen Qualitätsanforderungen an die Bauteile für die E-Mobilität stellen viele Produzenten vor große Herausforderungen. Wie ist Walter hier aufgestellt?

Merlo: Walter hat schon immer auf Qualität, Präzision und Zuverlässigkeit gesetzt. Diese Ansprüche an uns selbst und unsere Produkte sind mittlerweile fest in der Firmen-DNA verankert. Von daher sind die Walter-Werkzeuge gerade für die Elektromobilität, was die Toleranzen und die Erwartungen unserer Kunden angeht bestens geeignet. Wir sind sogar bei den Bearbeitungsergebnissen meistens etwas präziser, als wir sein müssten. Darauf sind wir auch sehr stolz.

Seit Jahren wächst die gesamte Wirtschaft in Deutschland kontinuierlich. Auch die Zerspanungsbranche erarbeitet sich alljährlich neue Rekordergebnisse. Entstehen durch dieses Wachstum auch Engpässe in der Lieferkette?

Merlo: In Deutschland arbeiten die meisten Unternehmen sehr effizient. Von daher sind die Lagerkapazitäten überall möglichst klein. Das führt dann dazu, dass zum Beispiel die Maschinenhersteller im Fall einer ungeplanten hohen Nachfrage, wie eben jetzt, sehr lange Lieferzeiten haben. Aber ansonsten haben wir keinen weiteren Flaschenhals in der Lieferkette, der unser Wachstum bremsen würde.

Wie hat sich in den letzten Jahren die Produktentwicklung verändert?

Merlo: Unsere Entwicklungsarbeit hat sich massiv verändert. Am auffallendsten ist sicherlich, dass wir und die gesamte Branche viel schneller geworden sind. Die Produktlebenszyklen sind gleichzeitig viel kürzer und zudem sind die Produkte viel komplexer geworden. In der Vergangenheit haben wir bei unseren Produkten auf mehr Leistung zu einem fairen Preis gesetzt. Heute versuchen wir mehr und mehr, einen Spagat zwischen Leistung und Kosten hinzubekommen.

Ein gutes Beispiel sind unsere Fräser aus der Xtratec XT Serie. Die Fräser sind echte Allrounder, die eine Vielzahl an Anwendungen abdecken. Indem wir ein schlankes Portfolio mit effizienten Werkzeugen auf den Markt bringen, machen wir uns das Entwicklerleben nicht einfach. Zudem liefern wir mittlerweile zu jedem Werkzeug gleich den digitalen Zwilling mit. Außerdem müssen die Werkzeuge auch noch einfach und schnell zu bestellen sein. So hat sich ein neuer Vierklang aus Geometrie, Beschichtung, Substrat und Werkzeugdaten ergeben.

Gewinnen dabei die Sonderlösungen mehr an Bedeutung?

Merlo: Nein, das denke ich nicht. Bei Walter versuchen wir immer, Standardlösungen für die Bearbeitung von Bauteilen zu entwickeln. Standardlösung heißt, das Werkzeugkonzept für die Bearbeitung beinhaltet sowohl Standard- als auch Sonderwerkzeuge. So soll es pro Bauteil möglichst nur ein standardisiertes Werkzeugkonzept geben. In unserer Digital Factory treten wir Tag für Tag den Beweis an, dass unsere Lösungen funktionieren, und das bei bis zu 1000 Bauteilen pro Testlauf.

Die Digitalisierung ist bei Walter schon seit Längerem immer wieder eines der bestimmenden Themen. Haben Sie eine Vision, wohin die Digitalisierung Walter führen wird?

Merlo: Wir haben ein ganz klares Ziel vor Augen. Wir wollen die komplette Werkzeugkonstruktion digital anbieten, und das zu jederzeit von jedem Punkt der Welt aus. Dafür muss das gesamte Werkzeug-Knowhow unserer Konstrukteure in unseren Online-Auto-Konfigurator, der mit Walter-GPS bei der Auslegung von Standardwerkzeugen schon sehr leistungsstark ist, transferiert werden.

Das wird für unsere Kunden in vielerlei Hinsicht einen riesigen Mehrwert schaffen. Zum einen steigt die Verfügbarkeit und die Fehlerquellen sinken. Und zum anderen, was noch viel wichtiger ist, stecken wir die Expertise unserer Konstrukteure in die Entwicklung von neuen Konzepten und Prozessen.

Mit Comara hat Walter einen eigenen Softwarehersteller ins Haus geholt. Zur AMB 2018 wurde das Fertigungs-Assistenzsystem Appcom aus deren Feder vorgestellt. Wofür ist die App?

Merlo: Comara Appcom ist eine Plattform, mit deren Hilfe Maschinendaten in Echtzeit analysiert und visualisiert werden. Hierzu lassen sich mit individuell programmierten Apps alle Fertigungsdaten visualisieren, Prozesse analysieren und Optimierungen durchführen. Die Plattform ist dabei sowohl für Kunden als auch Wettbewerber und Partner offen. Denn Digitalisierung funktioniert nur in Kooperation mit anderen Teilnehmern.

Wie geht es bei den Apps weiter?

Merlo: Wir validieren, welche Daten überhaupt relevant sind. Denn nur qualitativ hochwertige Daten sind auch wirklich interessant und diese müssen erst mal aus den Systemen herausgefiltert werden. Zudem wollen wir mit unseren digitalen Angeboten die Effizienz in der Produktion erhöhen. Mit Comara sind wir hier auf dem besten Weg.

Welche Trends sehen Sie für die Zerspanungsindustrie generell?

Merlo: Zum einen werden die Bauteile wie schon seit Langem immer leichter. Durch die dadurch vielfach entstehenden Bauteilschwingungen werden selbst einfachere Bearbeitungen immer schwieriger. Zum anderen gilt es, immer schwierigere Materialien zu bearbeiten. Gerade im Bereich der Hochtemperaturmaterialien sind wir momentan, was die Wirtschaftlichkeit angeht, gefordert. Aber mit solchen Herausforderungen fühlen wir uns sehr wohl. Denn Innovationen sind bei uns ein Teil der Firmenkultur. Wir arbeiten ständig an neuen Werkzeugen, Prozessen und Lösungen. Gerade beim Hartmetall sind wir noch lange nicht am Ende der Entwicklung angekommen. In unseren Versuchen sehen wir, dass Hartmetallwerkzeuge auch mit Keramikschneidstoffen konkurrieren können. Wir haben auch Lösungen getestet, die bei der Wirtschaftlichkeit auch gegenüber Werkzeugen mit CBN-Schneiden wettbewerbsfähig sind. Wobei ich auch der Meinung bin, dass CBN- und Diamantschneiden in Zukunft mehr und mehr an Bedeutung gewinnen werden.

Können Sie schon einen Ausblick auf die Produktneuheiten für 2019 gewähren?

Merlo: Ich verrate nur so viel, die Entwicklung bei unseren Tigertec Gold Werkzeugen ist sicherlich noch nicht am Ende. Wir entwickeln derzeit zudem etwas völlig Neues und es scheint wieder eine echte Walter-Innovation zu werden. Besonders bei den Beschichtungen sehen wir das Potenzial, die Zerspanungswelt völlig auf den Kopf zu stellen.

Walter AG
www.walter-tools.com


Wechsel im Management der Walter AG

Zum Zeitpunkt des Interviews war noch nicht bekannt, dass Richard Harris zum 4. Februar 2019 neuer Vorsitzender des Vorstandes der Walter AG wird. Mirko Merlo, der seit 2012 Vorstandsvorsitzender der Walter AG war, hat das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen.

Richard Harris, der neue Walter Vorstandsvorsitzende ist seit 2002 für den Mutterkonzern Sandvik in verschiedenen Führungspositionen tätig. Zuletzt leitete Harris die Konzernsparte Pulver- und Rohling-Technologie innerhalb Sandvik Machining Solutions, die seit 2018 unter dem Namen SMS Supply firmiert.

Die Walter AG hat sich bei Mirko Merlo für 35 Jahre sehr erfolgreiche Arbeit für das Unternehmen bedankt. In seiner Position als Vorstandsvorsitzender führte er die Walter AG auf Wachstums- und Rentabilitätskurs. „In den letzten sechs Jahren hat sich Walter hervorragend entwickelt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, einen neuen Ansatz auf höchster Führungsebene zu ermöglichen und das Unternehmen strategisch in die Zukunft zu lenken“, begründet Mirko Merlo seine Entscheidung. „Ich wünsche Richard Harris viel Erfolg für die anstehenden Aufgaben und positiven Herausforderungen.“



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