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Melissa Albeck, Mitglied des Vorstands, Ceratizit im Interview

Melissa Albeck, Mitglied des Vorstands, Ceratizit im Interview
“Unsere Zukunftsmärkte sind ganz klar Amerika und Asien“

“Unsere Zukunftsmärkte sind ganz klar Amerika und Asien“
Melissa Albeck, Mitglied des Vorstands bei Ceratizit. Bild: Ceratizit
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Im Interview mit der „mav“ spricht Melissa Albeck, Vorstandsmitglied bei Ceratizit, über ihre beeindruckende Karriere innerhalb der Plansee Group, die globale Expansion in Asien und Amerika und die technologische Tiefe der Zerspanungsbranche. Das Interview führte: Frederick Rindle

mav: Ich habe aus der Folge des Ceratizit Innovation Podcast, in der Sie zu Gast waren, erfahren, dass Sie bereits über 30 Jahre für die Plansee Group tätig waren, bevor Sie im Dezember letzten Jahres die Nachfolge von Thierry Wolter angetreten haben. Welche Stationen haben Sie in dieser lange Zeit innerhalb des Unternehmens bereits begleiten dürfen?

Albeck: Meine Reise in der Plansee Group habe ich damals hier in Reutte im Marketing für den Bereich High Performance Materials begonnen. Meine erste richtige Auslandserfahrung führte mich dann für zehn Jahre als Business Segment Manager in die USA. Danach kehrte ich für fünf Jahre in meine Heimat England zurück, wo ich die Position des General Managers unseres Vertriebsbüros übernahm. Anschließend bot sich mir die Chance, für unser damaliges Handelsunternehmen WNT zwei internationale Vertriebsbüros in Indien und China aufzubauen. Dieser Schritt war für WNT von großer Bedeutung, da wir dadurch international, insbesondere in Asien, an Bedeutung gewannen. Dabei kam ich dann auch zum ersten Mal mit unseren Zerspanungsprodukten in Berührung.

Meine letzte Station war dann wieder etwas ganz Neues: Vor rund acht Jahren haben wir für die Plansee Group in München die Online-Materialplattform Matmatch als Start-up gegründet. Mit einem Team von 30 jungen Leuten aus 22 Ländern habe ich dabei viele New-Work-Themen wie agiles und flexibles Arbeiten kennen und auch schätzen gelernt. Danach ging es fast Schlag auf Schlag. Zuerst wurde ich gefragt, ob ich die Division Global Tungsten & Powders (GTP) übernehmen könnte, in der das Wolframpulver für unser Hartmetall und die Wolfram-Produkte von Plansee produziert wird. Und als die Plansee Group vor drei Jahren die Mehrheit an Ceratizit übernommen hat, war klar, dass GTP in Ceratizit integriert werden soll. Zu diesem Zeitpunkt bin ich Mitglied des Ceratizit-Vorstands geworden. Im Dezember 2023 durfte ich dann, als Thierry Wolter in den wohlverdienten Ruhestand ging, seine Aufgaben bei Ceratizit übernehmen.

mav: Sie haben in Ihrem Berufsleben wirklich schon viele Stationen durchlaufen und eine beeindruckende Karriere gemacht. Wovon können Sie davon in Ihrer jetzigen Position am meisten profitieren?

Albeck: Am meisten profitiere ich sicherlich davon, dass ich bereits mit vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen zusammenarbeiten durfte und dadurch einen weiteren Blick auf unsere Unternehmen und unsere Branche erhalten habe. Zudem konnte ich mir durch meine viele Stationen ein großes Netzwerk innerhalb und außerhalb der Plansee Group aufbauen.

mav: Neben Ihnen sind noch Andreas Lackner und Frank Thomé im Vorstand von Ceratizit. Wie sind die Aufgaben zwischen Ihnen aufgeteilt?

Albeck: Andreas Lackner hat hier eine Sonderstellung: Denn einerseits ist er Vorstandssprecher und für die gesamte Produktion der Ceratizit verantwortlich. Andererseits sitzt er auch im Vorstand der Plansee Group Holding, wo er unter anderem das Thema Nachhaltigkeit verantwortet. Frank Thomé ist unter anderem für den Vertrieb der Divisionen Hard Material Solutions und Global Tungsten & Powders sowie unser Asiengeschäft und unser taiwanisches Joint Venture CB-Ceratizit zuständig. Die Verantwortung für den Vertrieb der Zerspanungswerkzeuge, die bisher ja bei Thierry Wolter lag, liegt jetzt bei mir. Außerdem bin ich für Marketing, F&E und für das Amerikageschäft von Ceratizit verantwortlich. Mit dieser Aufteilung haben wir auch unsere beiden Wachstumsmärkte Asien und Amerika jeweils in die Verantwortung eines Vorstandsmitglieds gelegt.

Komplexität und technologische Tiefe in der Zerspanung

mav: Sie waren einige Jahre lang für den Bereich Pulver bei Ceratizit tätig. Gibt es etwas, das Sie überrascht hat, als Sie jetzt auf die Seite der Werkzeuge gewechselt sind?

Albeck: Meine ersten Erfahrungen in der Zerspanungsbranche habe ich ja bereits während meiner Zeit bei WNT gesammelt, daher war für mich nicht alles neu. Was mich aber schon überrascht hat, ist die Komplexität und technologische Tiefe, die hinter den Werkzeugen, den Bearbeitungslösungen und dem Serviceangebot von Ceratizit steckt. Bei WNT haben wir uns damals nur auf den Flächenvertrieb konzentriert, jetzt kommen für mich die Key-Account-Kunden und das spezialisierte Angebot und die Services in den einzelnen Branchen und Segmenten hinzu.

Mich fasziniert dabei besonders die Präzision und Leidenschaft, mit der unsere Mitarbeitenden Werkzeuglösungen entwickeln, testen und später auch fertigen. Das beginnt bei Ceratizit ja schon mit der Auswahl des richtigen Hartmetallpulvers und geht dann über die Konstruktion und Fertigung der Werkzeuge bis hin zur termingerechten Lieferung an unsere Kunden. Überrascht hat mich auch, wie sehr moderne Arbeitsweisen wie funktionsübergreifendes, agiles und flexibles Arbeiten auch in unserem Konzern immer mehr Einzug halten. Es ist einfach eine unglaublich spannende Branche mit den unterschiedlichsten Kunden. Von Firmen mit wenigen Mitarbeitenden bis hin zu global aufgestellten Konzernen mit hunderttausenden Mitarbeitenden, und für jeden wollen wir immer die richtige Zerspanungslösung und den besten Service bieten.

mav: „Ceratizit soll die Nummer 3 unter den Werkzeugherstellern werden“, das war bisher immer ein klares Ziel von Ceratizit. Hat sich an diesen Wachstumsplänen mit den neuen Zuständigkeiten im Vorstand und vielleicht auch mit der zunehmenden Integration in die Plansee Group etwas geändert?

Albeck: Wir wollen heute vielleicht mehr denn je wachsen und Marktanteile gewinnen, und das Ziel, mit der gesamten Ceratizit-Gruppe die Nummer 3 im Markt zu werden, bleibt daher natürlich bestehen. Auch die Eigentümer der Plansee Group, die Familie Schwarzkopf, haben stets das Ziel verfolgt, in ihren Geschäftsbereichen zu den Besten zu gehören. Dieses Ziel möchte der heutige Aufsichtsratsvorsitzende Michael Schwarzkopf auch für die Ceratizit-Gruppe erreichen. In der heutigen Zeit benötigt ein Unternehmen wie unseres zudem schlicht eine gewisse kritische Größe, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, besonders wenn man weltweit tätig ist.

Die Standorte in Deutschland und in Reutte sind das Herz unseres Zerspanungsgeschäfts

mav: Mit Amerika und Asien haben Sie bereits die beiden Wachstumsregionen für Ceratizit genannt. Wie wettbewerbsfähig schätzen Sie die Ceratizit-Standorte in Deutschland ein?

Albeck: Um es gleich vorweg zu nehmen: Unsere Standorte in Deutschland und hier in Reutte sind das Herz unseres Zerspanungsgeschäfts und mit ihrem Know-how in Forschung und Entwicklung, in der Fertigung und auch im Service für uns unverzichtbar. Gerade deshalb wird hier auch weiter investiert, und das sowohl in unsere Mitarbeitenden als auch in die Anlagentechnik. Das sieht man vielleicht am besten an dem immer weiter steigenden Automatisierungsgrad in unseren Fertigungen und an dem stetig wachsenden Angebot an digitalisierten Lösungen. Mit diesen verbessern wir auch den Service für unsere Kunden. Andererseits ermöglichen wir zum Beispiel mit der Prozessüberwachungslösung ToolScope und mit dem CERAsmart Cockpit zunehmend auch automatisierte Fertigungen. Darüber hinaus wollen wir natürlich auch in Europa „local-for-local“ produzieren, um einerseits schnell beim Kunden zu sein und andererseits auch unsere Nachhaltigkeit weiter zu verbessern.

Es ist aber auch so, dass wir arbeitsintensive Produktionsschritte, die sich nur schwer automatisieren lassen, an Produktionsstandorte verlagern, die hinsichtlich der Personal- und Energiekosten günstiger sind. So investieren wir derzeit zum Beispiel auch größere Summen in unsere Werke in Polen und Bulgarien.

Fünf große Herausforderungen in Deutschland

mav: Was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern, damit Deutschland wieder ein Wachstumsmarkt wird?

Albeck: Da ich weder Wirtschaftswissenschaftlerin noch Politikerin bin, kann ich darauf nur aus meiner persönlichen Sicht antworten. Zusammengefasst gibt es für mich fünf große Herausforderungen, auf die in Deutschland schnell Antworten gefunden werden müssen. Das sind für mich der durch den demografischen Wandel immer gravierender werdende Fachkräftemangel, die noch schleppende Digitalisierung, die immer schlechter werdende Infrastruktur, die überbordende Bürokratie verbunden mit einer hohen Steuer- und Abgabenlast für Unternehmen und die dringende Aufgabe über allem, die Nachhaltigkeit gerade mit Blick auf den Klimawandel zu verbessern. Wobei gerade in der Nachhaltigkeit auch viele Chancen für die deutsche Wirtschaft liegen können, um im globalen Wettbewerb wieder aufzuholen.

mav: Welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit für Sie persönlich?

Albeck: Wir tragen eine große Verantwortung und sollten dieser auch gerecht werden. Von daher ist für mich und für meine beiden Kinder nachhaltiges Handeln sehr wichtig. Die Frage, ob wir etwas ändern müssen, stellt sich für mich zudem schon lange nicht mehr, allein schon wegen des Klimawandels.

mav: Die Ceratizit Group will bereits im nächsten Jahr CO2-neutral sein. Wie weit ist Ceratizit noch von diesem Ziel entfernt?

Albeck: Wir sind auf einem guten Weg, das Ziel, unsere CO2-Emissionen bis 2025 um 35 Prozent zu reduzieren, und auch das weitergehende Ziel, bis 2040 wirklich „net zero“ zu sein, zu erreichen. Natürlich muss man auch ehrlich sein und klar sagen, dass die ersten Schritte, wie zum Beispiel alle Standorte weltweit nur noch mit Ökostrom zu versorgen, noch relativ einfach waren. Mit vielen weiteren großen und kleinen Projekten wollen wir nun unsere CO2-Emissionen noch weiter reduzieren. Dazu gehört zum Beispiel unsere derzeit im Bau befindliche Anlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff hier in Reutte genauso wie unser bereits sehr erfolgreiches Hartmetallrecycling. In naher Zukunft werden wir hierzu auch eine ganze Serie an Universalfräswerkzeugen präsentieren, die aus recyceltem Hartmetall hergestellt wird. Sehr erfreulich ist, dass die Werkzeuge dann nicht nur einen geringeren Product Carbon Footprint aufweisen, sondern auch leistungsfähiger sind als bisherige Fräser.

EcoVadis zeichnet Ceratizit mit Silber und Plansee mit Gold aus (industrie.de)

2024 lief bislang für Ceratizit besser als erwartet

mav: Wie ist das Jahr 2024 für Ceratizit wirtschaftlich gestartet und was erwarten Sie für das zweite Halbjahr?

Albeck: Die ersten Monate dieses Jahres waren für uns sogar etwas besser als erwartet. Wir hatten allerdings auch nicht mit einem großen Wachstum gerechnet. Von daher hoffen wir noch auf ein stärkeres zweites Halbjahr. Aber der Trend zeigt klar nach oben, das können wir schon jetzt an den steigenden Auftragseingängen ablesen.

Die Ceratizit Highlights zur AMB

mav: Was erwarten Sie von dem Branchenhighlight des Jahres, der AMB 2024?

Albeck: Messen wie die AMB und die EMO sind für uns nach wie vor wichtige Meilensteine. Sie bieten uns die Möglichkeit, Einblicke in Branchenentwicklungen und digitale Technologien zu gewinnen und den persönlichen Kontakt zu unseren Kunden und der Industrie zu pflegen. Für uns sind diese Veranstaltungen nach wie vor sehr wertvoll, um unsere Marke zu stärken und unsere Innovationskraft zu präsentieren. Ebenso bieten gerade die großen Messen eine hervorragende Plattform, um ganz neue Entwicklungen auf den Markt zu bringen. So haben wir im vergangenen Jahr auf der EMO nicht nur erstmals unseren Product Carbon Footprint Standard (PCF) für Hartmetallprodukte vorgestellt, sondern auch mit vielen Akteuren der Branche diskutiert. Die Resonanz war sehr vielversprechend und dieses direkte Feedback bekommt man nur auf einer Messe.

Technologisch werden bei uns weitere Entwicklungssprünge in den Bereichen Drehen, additive Fertigung, nachhaltige Ressourcen und digitale Lösungen zur Effizienzsteigerung zu sehen sein. Auch das HDT (High Dynamic Turning) mit unseren FreeTurn-Werkzeugen sowie unsere Lösungen für die Kreislaufwirtschaft werden auf dem Messestand präsent sein.

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