mav: Ihr Vater Lothar Horn ist viel zu früh im Februar diesen Jahres gestorben. Gab es danach eine Neuordnung in der Horn-Geschäftsleitung?
Horn: Mein Vater hatte seine Nachfolge schon vor Jahren mit Blick auf seinen Renteneintritt geregelt. Daraufhin ist damals neben mir auch Matthias Rommel zum Geschäftsführer der Paul Horn GmbH ernannt worden. Mit dieser Regelung stellen wir sicher, dass nach dem für mich und viele andere schmerzlichen Tod meines Vaters die Werte der Firma Horn mit dem gleichen Herzblut weitergeführt werden. Wir bleiben der verlässliche Partner, den unsere Kunden schätzen gelernt haben. Gleiches gilt natürlich auch in Richtung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit ihrem Know-how letztlich den Kern des Erfolges der Firma Horn bilden.
Diese Kontinuität und Verlässlichkeit ist für uns auch ein klares Bekenntnis zum Standort Tübingen. Hier finden wir, auch dank des sehr engagierten Oberbürgermeisters Boris Palmer, die passende Infrastruktur für ein technologieorientiertes Unternehmen. Die Nähe zu den hier ansässigen Hightech-Unternehmen und universitären Forschungs- und Bildungseinrichtungen ermöglicht es uns zudem, die richtigen Fachkräfte zu finden.
Was sind ihre Pläne für das nächste halbe Jahr oder vielleicht etwas längerfristig für das nächste Jahr?
Horn: Wenn wir bei Horn von langfristiger Planung sprechen, dann haben wir, wie viele andere Familienunternehmen auch, eher einen Zeithorizont von drei bis fünf Jahren und darüber hinaus vor Augen. Darin unterscheiden sich Familienunternehmen vielleicht auch am stärksten von anderen Unternehmensformen. Wir sind nicht unbedingt auf den schnellen Erfolg aus, wir planen langfristig und wollen mit unseren Kunden auch partnerschaftlich nachhaltig weiterwachsen.
Da drängt sich mir die Frage auf: Wie und wo soll dieses Wachstum stattfinden?
Horn: Die Frage, wo wir weitere Marktanteile hinzugewinnen können, ist für mich derzeit – man muss es leider fast schon sagen – eindeutig: Das Wachstum in unserer Branche findet derzeit im Ausland statt. Zwar gehen auch international die Umsätze im Maschinenbau zurück, aber bei weitem nicht so stark und von einem höheren Niveau aus wie in Deutschland. Nach den aktuellen Zahlen des VDMA bewegen wir uns in Deutschland wieder auf das sehr niedrige Niveau während der Corona-Krise zu. Leider sehen viele auch hier nicht nur einen kurzfristigen Rückgang, vielmehr sehen einige bereits eine Deindustrialisierung in Deutschland. Neben den hohen Zinsen der EZB wird die Investitionsbereitschaft auch zunehmend durch die hohe Inflationsrate gebremst. Das Desinteresse der Bundesregierung an einem starken industriellen deutschen Mittelstand macht die Situation nicht leichter.
Was müsste getan werden, damit Deutschland wieder ein Wachstumsmarkt wird?
Horn: Wer schnell etwas verbessern will, muss dafür sorgen, dass günstiger Ökostrom für alle in ausreichender Menge, zur richtigen Zeit und zu langfristigen Konditionen zur Verfügung steht. Insgesamt brauchen wir wieder mehr Verlässlichkeit in der Politik, um auch langfristig planen zu können. Die ständigen Hau-Ruck-Aktionen schaden am Ende uns allen.
Mit der Gründung von Horn-Thailand haben sie sich dazu passend einen völlig neuen Markt im Ausland erschlossen. Was spricht aus Ihrer Sicht für den Standort Thailand?
Horn: Vom Standort Chonburi aus wollen wir verstärkt alle Märkte rund um China ins Visier nehmen. In China haben wir über die Horn-Gruppe eine eigene Präsenz. In Indien sind wir über einen Handelspartner vertreten. In Thailand selbst sehen wir eine gewisse Affinität zu westlichen Werten, was das Land für uns zu einem optimalen Bindeglied zwischen Asien und Europa macht. Zudem bietet das Land auch die für uns so wichtigen Fachkräfte.
Können Sie das laufende Jahr für die Horn-Gruppe aus wirtschaftlicher Sicht schon bewerten?
Horn: Wir sind gut in das Jahr 2023 gestartet und konnten den Auftragseingang gegenüber dem Vorjahr sogar leicht steigern. Das zweite Quartal ist jedoch aufgrund der allgemeinen Marktsituation etwas verhalten angelaufen. Insgesamt rechnen auch wir bislang für 2023 eher mit einer Rezession in Deutschland.
Wie reagieren Sie intern auf diese eher düsteren Aussichten?
Horn: Mit Innovationen und Verbesserungen unserer Werkzeuge. Denn gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten brauchen unsere Kunden Lösungen, die ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. So haben wir zum Beispiel in den vergangenen Jahren eigene Beschichtungen entwickelt, mit denen wir die Leistungsfähigkeit unserer Werkzeuge noch einmal deutlich steigern konnten. Ganz konkret haben wir hierzu auf der AMB 2022 die Schichten RC4 und RC2 vorgestellt – zwei Hochleistungsschichten für das Fräsen von Stahl. Die neuen Schichten sind das Ergebnis einer Entwicklung, die das Werkzeug als Ganzes betrachtet. Ziel ist ein optimales Zusammenspiel von Substrat, Geometrie und eben der Beschichtung.
In den letzten Jahren hat Horn zunehmend auch Werkzeuge zum Fräsen und neuerdings auch zum Bohren entwickelt. Haben sie damit ihre angestammte Nische, die Bearbeitung zwischen zwei Flanken, verlassen?
Horn: Unsere Kernkompetenz liegt seit jeher in der Entwicklung von Werkzeugen für technisch anspruchsvolle Bearbeitungen, und das Einstechen oder die Bearbeitung zwischen zwei Flanken gehören hierzu definitiv dazu. So überrascht es auch nicht, dass über 50 Prozent unserer Produkte Sonderwerkzeuge sind. Hierbei bieten wir mit unserem Greenline-Angebot, mit dem unsere Werkzeuge zum Teil in nur fünf Arbeitstagen beim Kunden sein können, auch noch einen erheblichen Geschwindigkeitsvorteil.
Aus dem technologischen Anspruch heraus, dem Kunden für seine Bearbeitung stets eine effiziente Lösung anbieten zu können, sind über die Jahre mehr und mehr Werkzeuge für verschiedenste Bearbeitungen entstanden. Dies ist bei uns nie Selbstzweck, um etwa ein größeres Angebot anbieten zu können, sondern die Entwicklungen entstehen immer mit dem Fokus, dem Kunden einen Mehrwert bieten zu können.
So sind dann neben den Werkzeugen auch passend zu den Weiterentwicklungen bei den Werkzeugmaschinen auch neue Prozesslösungen entstanden. Wie zum Beispiel für das Wälzschälen. Das hochproduktive Verzahnungsverfahren ist die ideale Ergänzung für Anwender, denen das Verzahnungsfräsen nicht effizient genug ist, die aber ihre vorhandenen Bearbeitungszentren weiter nutzen wollen. Damit der Prozess reibungslos funktioniert, bedarf es allerdings eines tiefen Prozessverständnisses und der richtigen Kombination aus Maschine, Software und eben einem optimierten Werkzeug.
Neben dem Wälzschälen bietet Horn mittlerweile auch Lösungen für das Wirbeln gleich in mehreren Varianten, für das Polygondrehen, das Hochleistungsreiben, das Kugelbahnfräsen oder auch für die Hartbearbeitung an. Welcher Prozess hat Sie persönlich am meisten beeindruckt?
Horn: Auch wenn man damit vielleicht solchen Prozessen wie dem Hochglanzbearbeiten ungerecht wird, faszinieren mich immer wieder die Prozesse, bei denen man zunächst nicht erkennen kann, wie der Prozess eigentlich abläuft. Das Wirbeln, das Zyklo-Palloid-Verzahnen oder das konturunabhängige Entgraten sind hier sicherlich tolle Beispiele. Mit unserem in den letzten Jahren hinzugekommen Prozesswissen haben wir auch bewiesen, dass Horn auch sehr komplexe Bearbeitungen wir etwa das Verzahnen von Grund auf verstanden hat und auch in den unterschiedlichsten Varianten beherrscht.
„Prozesse beherrschen“ lautet dann auch das Motto der Horn Technologietage, die jetzt im Juni stattfinden. Was können die Besucher dort erleben?
Horn: Wir sehen unsere Technologietage als Schaufenster, um zu zeigen, was mit unseren Werkzeugen möglich ist. Vom 14. bis 16. Juni können die Besucher sehen, wie unsere Werkzeuge hergestellt werden und wie sie später live unter Span arbeiten. Dazu bieten wir auch einiges an: Fachvorträge, Live-Zerspanung, Bauteilexponate, branchenspezifische Ausstellungsbereiche und viel Bewegungsfreiheit in unserer Produktion. Um unsere Prozesslösungen zu verstehen, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes. Deshalb präsentieren wir auf unseren Technologietagen neben Werkzeug, Spannmittel und Maschine auch die notwendigen Softwarezyklen.
Als zusätzliches Schmankerl können die Besucher auf dem Rückweg von Tübingen noch die Moulding Expo, die europäische Leitmesse für den Werkzeug- und Formenbau, auf der Messe Stuttgart besuchen.
Paul Horn GmbH
www.horn-group.com