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Wir haben uns alle auf ein völlig normales Jahr 2022 gefreut. Wie ist Iscar in das bislang dann doch ganz anders gelaufene Jahr gestartet?
Timons: Wir sind sehr gut in das neue Jahr hineingekommen. Der Plan war und ist immer noch, in diesem Jahr wieder zweistellig zu wachsen. Trotz der widrigen Umstände in dem für uns relevanten DACH-Gebiet könnte das auch gelingen. Wobei natürlich die Fragezeichen auch bei uns immer größer werden. Zum einen sind aus unserer Sicht die Lieferprobleme immer noch sehr akut und dadurch kommt es bei den OEMs und Tier-1-Lieferanten immer noch zu Schließtagen. Die Tier-2-Unternehmen hingegen befüllen bei ihren Kunden gerade die Lager. Wie lange das noch anhält, ist allerdings schwer zu sagen. Zudem macht natürlich auch uns der Krieg in der Ukraine große Sorgen.
Ist die Corona-Pandemie bei der Iscar Germany aus wirtschaftlicher Sicht schon überwunden?
Timons: Wir sind dran und haben jetzt schon wieder das Niveau der ebenfalls sehr guten Ergebnisse aus dem Jahr 2019 erreicht. Wir denken aber, dass wir auch die Zahlen aus dem Jahr 2018 bald wieder erreichen können.
Einen weiteren positiven Effekt auf die Umsatzzahlen erwarten wir zudem durch die Standorterweiterung hier in Ettlingen. Denn in den beinahe klimaneutralen Neubau wird neben der eigenen Sonderwerkzeugproduktion auch der Spezialwerkzeug-Hersteller Outiltec einziehen. Die Experten für Tieflochbohrer gehören wie Iscar zur IMC Group und verlegen ihren Standort vom elsässischen Soufflenheim ins badische Ettlingen. Damit bündeln wir in Ettlingen sehr viel Werkzeug-Know-how und bekennen uns damit ganz klar zur Region.
Zudem waren unsere Entwickler in den beiden Corona-Jahren weniger in laufende Projekte eingebunden, als das sonst der Fall gewesen wäre. Von daher hatten wir die Zeit und die Ressourcen, eine unglaubliche Fülle an neuen Werkzeugen und Lösungen zu entwickeln.
Hatten Sie dabei bestimmte Zerspanungstrends im Fokus?
Timons: Ja sicher, besonders wesentlich ist für uns der Trend hin zur konturnahen Fertigung der Vorprodukte. Mithilfe moderner Schmiedetechnik, 3D-Druck und Präzisionsguss kommen die Bauteile mittlerweile schon sehr endkonturnah auf die Maschine. Ein Trend ist demnach, dass dadurch der Anteil an den klassischen Schruppoperationen immer kleiner wird.
Bei Iscar haben wir zudem einen weiteren Entwicklungsfokus auf die Reduzierung der Nebenzeiten gelegt. Hierfür wollen wir vor allem das Handling unserer Werkzeuge noch einfacher und damit schneller gestalten. So haben wir zum Beispiel Wendeschneidplatten im Angebot, deren Geometrie schon die endgültige Einbauposition vorgibt.
Des Weiteren haben wir unseren Rohstoffbedarf nochmals kritisch unter die Lupe genommen. Unser Ziel ist es, wo immer es möglich ist, auf energieintensive Rohstoffe zu verzichten.
Wie und wo können Sie auf Rohstoffe wie etwa Hartmetall verzichten?
Timons: Mit unseren modularen Werkzeugen bieten wir schon sehr lange ein Konzept an, mit dem man das Hartmetall nur dort einsetzt, wo es auch gebraucht wird. So kann man relativ viel an dem energieintensiven Hartmetall einsparen. Ein Beispiel sind etwa die Fräswerkzeuge mit austauschbarem Hartmetall-Kopf aus dem Multi-Master-System. Etwas Ähnliches haben wir mit der SumoCham-Linie auch für das Bohren im Programm.
Darüber hinaus setzen wir auch bei kleineren Werkzeugdurchmessern verstärkt Wendeschneidplatten ein. So bieten wir jetzt Wendeschneidplatten-Werkzeuge ab einem Durchmesser von acht Millimetern an. Bei den Werkzeugen mit austauschbarer Bohrkrone geht das sogar schon ab einem Durchmesser von vier Millimetern los.
Die große Fülle an neuen Werkzeugen zeigt die aktuelle Neo-Logiq-Kampagne ja sehr deutlich. Was ist bei den neuen Werkzeugen ihr persönliches Highlight?
Timons: Das ist schwer zu sagen und sicherlich kann ich mich dabei nicht auf nur ein Werkzeug beschränken. Sehr beeindruckend finde ich auf jeden Fall das neue Abstech-System Logiq-F-Grip. Damit haben wir unsere Position als Marktführer in diesem Segment noch einmal gefestigt. Denn das Werkzeug ermöglicht beim Abstechen völlig neue Leistungen. Das geht so weit, dass wir die Maschinenbediener zum Teil immer wieder dazu ermutigen müssen, diese hohen Leistungen auch abzurufen.
Ein zweites Highlight aus dem neuen Werkzeugprogramm sind die neuen modularen Bohrwerkzeuge. Hier können wir jetzt nach langer Entwicklungsarbeit Bohrköpfe mit sogar drei Schneiden anbieten. Damit sind nun doppelt so hohe Vorschubwerte wie bislang möglich. Zum Teil können damit Vorschübe von 0,5 oder sogar 0,6 mm pro Umdrehung gefahren werden. Die Bearbeitung kann man mit dem bloßen Auge schon gar nicht mehr wahrnehmen. Das wirklich Beeindruckende daran ist aber, dass wir die Späne trotz der hohen Geschwindigkeiten prozesssicher evakuieren können. Zudem haben wir bei diesem Bohrer auch bei verhältnismäßig langen Werkzeugen keine Probleme mit dem sonst zu erwartenden Bouncing-Effekt. Als Resultat können wir damit schnell qualitativ hochwertige Bohrungen fertigen – und das auch bei längeren Werkzeugen. Dahinter steckt wirklich viel Entwicklungsarbeit. Ich denke, der Bohrer gehört sicherlich zu den aufwendigsten Projekten bei Iscar. Dabei wurden auch die Bereiche Spiralisierung, Kühlkanäle innerhalb der Wendelung und Spannuten optimiert. Auch fertigungstechnisch haben wir zum Beispiel auch in Richtung 3D-Druck einiges investiert.
Immer mehr Unternehmen setzen in ihren Fertigungen auf flexibel einsetzbare Bearbeitungszentren. Wie unterstützt Iscar diesen Trend?
Timons: Ich denke, dass generell die Bearbeitungen mit der bei den Multifunktionszentren hinzukommenden Y-Achse zunehmen werden. Von daher haben wir etwa Dreh- und Stechwerkzeuge entwickelt, die auch mit einer Y-Achse in einem Dreh-Fräszentrum funktionieren. Sofern auf solchen Maschinen auch angetriebene Einheiten eingesetzt werden, müssen die Fräs- und Bohrwerkzeuge dementsprechend kürzer ausgelegt werden. Auch hierfür bieten wir die passenden Lösungen. Zudem können diese Werkzeuge mit unseren NeoCollet Spannzangen dann auch noch unkompliziert gewechselt werden. Noch einfacher geht es dann nur noch mit unseren modularen Werkzeuglösungen. Hier wird es in den kommenden Monaten noch sehr viel Neues zu sehen geben.
Iscar hat eine ganze Reihe neuer Werkzeuge für die Hochvorschubbearbeitung herausgebracht. Was ist das Besondere an dieser Strategie?
Timons: Bei der Hochvorschubbearbeitung geht es hauptsächlich um ein hohes Zeitspanvolumen Q. Für die Fräsbearbeitung gibt es die dafür optimierten Werkzeuge schon seit einiger Zeit. Wir sehen aber auch, dass das Thema mit den neuen dynamischen Maschinen wieder an Fahrt aufnimmt.
Welche Vorteile bietet das Hochvorschubdrehen?
Timons: Auch beim Hochvorschubdrehen kann das Zeitspanvolumen, im Vergleich zum konventionellen Längsdrehen, deutlich gesteigert werden. Dies bietet gerade bei der Bearbeitung von langen Wellen deutliche Vorteile hinsichtlich der Produktivität.
Iscar ist in Deutschland als Spezialist für Drehanwendungen bekannt. Ist aber das Angebot an Fräswerkzeugen nicht eigentlich viel größer?
Timons: Diese Wahrnehmung ist leicht mit der Firmenhistorie zu erklären: Iscar hat vor mittlerweile exakt 50 Jahren in Deutschland zunächst sein Angebot an Abstechwerkzeugen vorgestellt. Die Dreh- und Fräswerkzeuge kamen erst später hinzu. Seitdem haben wir in Deutschland den Ruf, ein Abstech- und Drehspezialist zu sein, der daneben auch Fräswerkzeuge anbietet. In den meisten anderen Ländern der Welt ist Iscar aufgrund des, wie Sie gesagt haben, riesigen Angebots an Fräswerkzeugen in erster Linie ein Spezialist für das Fräsen.
Der Iscar Standardkatalog umfasst mittlerweile rund 50 000 Werkzeuge. Wie behält man da den Überblick?
Timons: Das Gute vorweg: Niemand muss alle Werkzeuge kennen, um das optimale Werkzeug für seine Bearbeitung zu bestellen. Dafür gibt es unsere Außendienstberater und den digitalen Werkzeugberater NEOITA. Beide finden für die jeweilige Bearbeitung immer das richtige Werkzeug mit der optimalen Bearbeitungsstrategie. Hierfür kann der Anwender in dem Online-Tool seine Maschine, den zu bearbeitenden Werkstoff und die Bearbeitungsart eingeben. Wichtig war uns dabei, dass wir auch immer alternative Bearbeitungsprozesse anbieten. Das Ziel soll schließlich nicht sein, nur ein bestehendes Werkzeug durch ein leistungsstärkeres zu ersetzen. Vielmehr soll der Anwender auch hinsichtlich der Kosten die für seinen Anwendungsfall optimale Bearbeitungsstrategie bekommen. NEOITA liefert dabei auch immer gleich das digitale Abbild des Werkzeugs mit.
Gerade aufgrund der weiter sinkenden Losgrößen bieten wir unseren Kunden mit dem digitalen Werkzeugberater auch die Möglichkeit, die eigene Fertigung flexibler zu gestalten. Am Ende geht es schließlich darum, die gesamte Produktion auch wirtschaftlich erfolgreich zu machen. Das heißt, ich muss mich zum Beispiel auch intensiv mit den Rüstzeiten beschäftigen. Ebenso spielt für eine automatisierte Fertigung auch die maximale Anzahl an Plätzen im Werkzeugmagazin der Maschine eine wesentliche Rolle.
Neben der geforderten Flexibilität kommt in der Zerspanung auch noch der Trend zu immer höheren Qualitätsanforderungen hinzu. Wie hat Iscar darauf reagiert?
Timons: Unsere Kunden konnten sich schon immer sicher sein, dass sie bei Iscar hochtechnologische Highend-Werkzeuge für höchste Qualitätsansprüche finden können. Wie ich eingangs gesagt habe, sehen wir auch, dass der Bedarf an einfacheren Schruppwerkzeugen zurückgehen wird. Hinzugekommen ist dafür aber die Bearbeitung neuer Materialien mit sehr anspruchsvollen Eigenschaften. Gerade die Bearbeitung von hochwarmfesten Legierungen ist für uns als Lösungsanbieter sehr interessant. Ebenso sind in Zukunft auch vermehrt Hybridmaterialien zu zerspanen. Zudem konfrontiert uns der 3D-Druck mit völlig neuen Oberflächen und filigranen Bauteilstrukturen. Für uns als Werkzeuganbieter steigen die Anforderungen stetig und darauf freuen wir uns schon.
Iscar Germany GmbH
www.iscar.com