Firmen im Artikel
mav: Herr Dr. Kress, Sie haben gesagt: „Den Wunsch von Teilen der Politik, zum Verbrennungsmotor zurückzukehren, halte ich für falsch.“ Was macht Sie so sicher, dass sich die Elektromobilität durchsetzen wird?
Kress: Unter dem Strich sind batterieelektrische Fahrzeuge für den Individualverkehr langfristig die bessere Alternative. Der deutlich bessere Wirkungsgrad eines Elektroantriebs gegenüber einem Verbrennungsmotor ist der entscheidende Punkt. Hinzu kommt die wesentlich geringere Komplexität der Antriebsaggregate, was in Zukunft auch zu geringeren Wartungskosten von E-Autos führen wird. Natürlich sind auf dem Weg zur Elektromobilität noch viele Herausforderungen zu meistern. Dazu zählen eine belastbare und leistungsfähige Infrastruktur für das Laden und das spätere Recycling der Fahrzeuge, die Verfügbarkeit von Rohstoffen und die Bezahlbarkeit der Fahrzeuge.
Aufgrund dieser Herausforderungen ist die Umstellung auf Elektromobilität eine Generationenaufgabe, die nicht in fünf oder zehn Jahren abzuschließen ist. Während dieser Umstellungsphase würde die Politik gut daran tun, sich in Sachen Mobilität darauf zu beschränken, bestimmte Rahmenbedingungen und Ziele vorzugeben und stabil zu halten und ansonsten den Akteuren möglichst freie Hand bei der Lösungsfindung zu lassen. Das hat meiner Meinung nach beim Emissionshandel sehr gut funktioniert. Ich bin mir sicher, es würde auch bei der Elektromobilität funktionieren, Vertrauen in die Akteure vorausgesetzt. Ich gehe jedenfalls fest davon aus, dass ich nicht mehr mit einer großen Verbrennerproduktion in Rente gehen werde.
mav: Die Hybridtechnologie wurde von vielen als Übergangslösung auf dem Weg zum reinen Elektroauto angesehen. Jetzt melden die meisten Autohersteller Zuwächse in diesem Segment und Rückgänge bei den vollelektrischen Fahrzeugen. Wie passt das zusammen?
Kress: Für mich ist das kein Widerspruch. Fahrzeuge mit großer elektrischer Reichweite sind derzeit einfach sehr teuer, weshalb die Hybridtechnik für viele aktuell die bessere Alternative darstellt. Die steigenden Verkaufszahlen von Hybridantrieben gehen zudem einher mit einem sinkenden Anteil von reinen Verbrennerfahrzeugen. Somit zeigt sich, dass die Menschen durchaus bereit sind, in die Elektromobilität einzusteigen, wenn auch mit dem Zwischenschritt Hybridtechnologie. Dieser Trend ist nicht nur auf Deutschland und Europa beschränkt, auch unsere südkoreanischen und chinesischen Kollegen haben für ihre Regionen den Trend hin zu mehr Hybridfahrzeugen bestätigt.
mav: Wie empfinden Sie den Schlingerkurs der Politik, mal Förderungen für E-Fahrzeuge aufzulegen, sie wieder zurückzunehmen und dann wieder das Verbrennerverbot infrage zu stellen?
Kress: Dieses ständige Hin und Her ist für Wirtschaft und Industrie fatal. Denn die daraus resultierende fehlende Planungssicherheit verstärkt die aktuell bestehende Investitionszurückhaltung nur noch weiter. Viele Unternehmen haben den Schwenk in Richtung E-Mobilität vollzogen und entsprechende Kapazitäten aufgebaut. Jetzt stellen wir fest, dass die Produktionsanlagen für E-Mobilitätskomponenten nur zu 35 bis 40 Prozent ausgelastet sind. Solange sich das nicht ändert, bleibt die Investitionszurückhaltung bestehen.
mav: Neben dem E-Antrieb sehen viele gerade im Nutzfahrzeugbereich mit dem Wasserstoffmotor eine weitere Alternative. Haben Sie dazu schon Projektanfragen bekommen?
Kress: Ja, aber die Kommerzialisierung dieser Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Wobei der Wasserstoffmotor an sich, also der Einsatz von Wasserstoff in einem Hubkolbenmotor, nicht die Schwierigkeit darstellt. Auch die Herstellung des Injektors zur Wasserstoff-Direkteinspritzung ist nicht die wesentliche Herausforderung. Die Schwierigkeit liegt bei der Tankinfrastruktur und bei der Herstellung von grünem Wasserstoff. Wobei ich mir gut vorstellen könnte, dass die Wasserstoffproduktion eine Energiesenke sein könnte bei temporärem Überangebot an Solar- und Windstrom.
mav: Neben der Automobilindustrie, der für Mapal wichtigsten Branche, befindet sich auch der Produktionsstandort Deutschland im Wandel. Insbesondere das Konzept, Produkte für den weltweiten Export herzustellen, wird zunehmend unattraktiver. Wie reagieren Sie auf diesen Trend?
Kress: Wir haben mit der Tatsache zurechtzukommen, dass es in vielen Ländern Zollschranken für Güter aller Art gibt. Davon sind auch wir als Werkzeughersteller betroffen. Bei Landing Costs von bis zu 40 Prozent bedeutet dies, dass ein importiertes Produkt bei gleichen Herstellkosten 40 Prozent teurer ist als ein einheimisches Konkurrenzprodukt. Mit dieser Kalkulation ist man bei einfacheren Produkten einfach nicht mehr konkurrenzfähig. Wir können dann zwar mit unseren High-End-Werkzeuglösungen und den damit erzielbaren Produktivitätssteigerungen punkten, aber bei Standardprodukten wird das schwierig. Denn die Konkurrenz vor Ort schläft nicht.
mav: Heißt das dann auch, dass Mapal vermehrt im Ausland produzieren wird?
Kress: Die Mapal Gruppe verfügt heute über 25 Tochtergesellschaften mit Produktion, Vertrieb und Service in ebenso vielen Ländern weltweit. Unser Grundsatz war immer, unseren Kunden ein verlässlicher Partner zu sein und ihnen auch an ihren internationalen Produktionsstandorten ein attraktives Angebot zu machen. So sind wir mit unseren Kunden international gewachsen. Deshalb produzieren wir schon heute nach dem Grundsatz: in der Region für die Region.
Wir sehen das als Chance für Mapal, weiter zu wachsen. Denn wir haben mit der Gruppe die notwendigen Strukturen, um in den für uns wichtigen Regionen mit regionalspezifischen Angeboten unterwegs zu sein. Nehmen wir zum Beispiel unseren Standort in Coimbatore, dem Hauptsitz von Mapal India. Dort haben wir auf der grünen Wiese eine der modernsten und nachhaltigsten Produktionsstätten der Mapal Gruppe errichtet. Von dort aus können wir nun Kunden in Indien und angrenzenden Ländern beliefern und hoffentlich mit dem Markt weiter wachsen.
mav: Bereits im letzten Jahr hatten Sie darauf hingewiesen, dass bürokratische Anforderungen wie etwa die Entsenderichtlinie, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das Hinweisgeberschutzgesetz, die NIS-2-Richtlinie und neuerdings die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der deutschen Wirtschaft den Schwung nehmen würden. Sehen Sie hier eine Trendwende oder nimmt die Bürokratie eher noch zu?
Kress: Vermutlich aufgrund der jüngsten Wahlen zum Europäischen Parlament hat die Frequenz, mit der neue Vorschriften erlassen werden, deutlich abgenommen. Das war aber auch dringend notwendig, denn wir sind immer noch mit der Umsetzung der bestehenden Richtlinien beschäftigt. Die Umsetzung bindet eine ganze Reihe hochqualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an anderer Stelle sicherlich produktiver eingesetzt werden könnten.
Aber nicht die einzelnen Vorschriften machen mir Sorgen, sondern der immer deutlicher werdende Wunsch der Politik, gesellschaftlich relevante Aufgaben auf die Unternehmen abzuwälzen. Die Folge wird sein, dass diese Lasten insbesondere für kleinere Unternehmen irgendwann nicht mehr tragbar sein werden und diese vom Markt verschwinden.
mav: Was müsste sich aus Ihrer Sicht in der Politik ändern, um Unternehmen von dieser Last zu befreien?
Kress: Zum einen sollte es sich die Politik an manchen Stellen etwas weniger einfach machen und manche Themen selbst vorantreiben, anstatt die Aufgaben auf die Firmen abzuwälzen. Zum anderen müssen wir uns als Gesellschaft mit dem Thema auseinandersetzen: Woher kommt eigentlich der Drang zur Überregulierung? Aus meiner Sicht existiert in unserer Gesellschaft eine gewisse Risikoscheu, die sich auch auf die Politik übertragen hat. Wenn wir weniger Bürokratie wollen, müssen wir ein gewisses Restrisiko und ein gewisses Maß an Ungleichheit aushalten. Das gilt auch für die Industrie selber. Die Anzahl der geforderten Audits nimmt beständig zu und ich bin mir sicher, dass auch die Mitarbeiter bei Mapal über die ein oder andere unnütze Regel schimpfen.
mav: Im Geschäftsjahr 2023 konnte Mapal noch ein Wachstum von 5,5 Prozent erzielen. Das erste Halbjahr 2024 verlief allerdings schwächer als erwartet. Womit rechnen Sie im zweiten Halbjahr?
Kress: Einige positive Signale haben wir im Frühjahr gesehen und es war fast Konsens, dass es im zweiten Halbjahr, spätestens im vierten Quartal, wieder aufwärts geht. Aktuell hat sich die Lage etwas eingetrübt, vor allem in Deutschland. Angesichts der vielen Krisenherde weltweit und des abrupten Zinsanstieges, beginnend vor zwei Jahren, ist das nicht verwunderlich. Da ich grundsätzlich ein optimistischer Mensch bin, gehe ich davon aus, dass es auch wieder aufwärts geht. Das wird allerdings frühestens im vierten Quartal der Fall sein.
mav: Ohne dies bewerten zu wollen: Der Verteidigungssektor ist derzeit weltweit ein Wachstumsmarkt. Ist das auch für Mapal eine interessante Branche?
Kress: Auch wir nehmen das Wachstum in diesem Bereich wahr. Grundsätzlich gilt jedoch unser Augenmerk weiterhin den vier Segmenten Automotive, Luftfahrt, Fluidtechnik und Werkzeug- und Formenbau. Dort, wo wir den Kunden aus dem Bereich Defense passende Lösungen anbieten können, dürfen und wollen, tun wir dies auch.
mav: Mapal hat sich in letzter Zeit ganz bewusst dem Thema Lieferqualität gewidmet und hier deutliche Verbesserungen erzielt. Woran hat es zuvor gehapert?
Kress: Lieferqualität bedeutet für uns, die Wünsche und Anforderungen unserer Kunden hinsichtlich Lieferzeit und Liefertreue zu erfüllen. Und zwar unabhängig davon, ob ein Kunde ein Sonderwerkzeug oder ein Standardwerkzeug bestellt hat. Im Bereich der Katalogprodukte haben wir beispielsweise unser Angebot deutlich gestrafft und die dahinter liegenden Prozesse verschlankt. Auch bei der Herstellung unserer Sonderwerkzeuge haben wir uns durch eine Vielzahl an Maßnahmen verbessert. Unsere Optimierungsmaßnahmen umfassen den gesamten Prozess von der Angebotserstellung bis zum Eintreffen des Werkzeugs beim Kunden. Beispielsweise können gewisse Mehrschneidenreibahlen, die bis elf Uhr morgens bestellt werden, bereits um vier Uhr nachmittags das Werk in Richtung Kunde verlassen.
Erfreulicherweise bemerken unsere Kunden und Mitarbeiter die positiven Veränderungen. Deshalb bleibt das Thema weiterhin oben auf unserer Agenda und wir werden daran arbeiten, unsere Lieferqualität noch weiter zu verbessern.
mav: „Empower Your Aluminium Machining“ – unter diesem Motto steht der diesjährige Messeauftritt von Mapal auf der AMB. Was ist das Besondere an den Werkzeuglösungen von Mapal für die Aluminiumbearbeitung?
Kress: Mapal beschäftigt sich seit über drei Jahrzehnten intensiv mit der Aluminiumbearbeitung, wodurch wir ein tiefes Prozessverständnis aufgebaut haben. Zudem haben wir eine sehr hohe Fertigungstiefe, stellen sogar den Schneidstoff PKD und Diamantbeschichtungen selbst her. Dadurch kommen wir immer wieder zu Werkzeuglösungen wie den rot eloxierten PKD-Messerköpfen, die beim Planfräsen von Aluminium Standards gesetzt haben.
Und wir sind in der Lage, dieses Prozessverständnis auf unterschiedlichste Anwendungen und Aluminiumsorten zu übertragen. Speziell für das Volumenfräsen von Aluminium haben wir ein sehr umfangreiches Programm an Vollhartmetall- und Wendeschneidplattenfräsern entwickelt. Das Besondere an diesen Werkzeugen ist das erreichbare Zeitspanvolumen, in Verbindung mit vergleichsweise niedrigen Zerspanungskräften. So wurden mit dem Hochvolumenfräser OptiMill-Alu-Wave auf einem Hochleistungs-Bearbeitungszentrum von Bavius Zeitspanvolumina von über 20 Litern pro Minute erzielt.
Mapal Dr. Kress KG
www.mapal.com
AMB Halle 1 Stand C11