mav: Wie reagieren Sie bei Mapal auf den Wandel in der Antriebtstechnologie und die Entwicklung hin zur E-Mobilität?
Kress: Für uns als Firma sind Entwicklungen von jeher von großer Bedeutung. Von daher haben wir uns auch mit der E-Mobilität schon beschäftigt, bevor es konkrete Anfragen von unseren Kunden gab. Unser vorausschauendes Handeln hat sich bewährt. Wir fühlen uns heute bestens auf die Anforderungen der E-Mobilität vorbereitet und haben für sehr viele Bearbeitungssituationen schon eine passende Werkzeuglösung im Angebot.
Aber hat Sie die Geschwindigkeit, mit der die E-Mobilität flächendeckend in Europa umgesetzt werden soll, nicht überrascht?
Kress: Natürlich war und ist es auch für uns unvorhersehbar, in welchem Umfang, mit welcher Geschwindigkeit und zu welchem Zeitpunkt sich die E-Mobilität in welcher Region durchsetzen wird. Aber dass sie kommen wird, das war für uns völlig klar. Grundsätzlich sind wir auf die Bearbeitung von Antriebskomponenten für die Automobilindustrie spezialisiert und diese Kernkompetenz werden wir auch in Zukunft weiter ausbauen.
Durch die E-Mobilität wird sich die Anzahl an zu bearbeitenden Bauteilen im Vergleich zu einem Verbrennungsmotor deutlich reduzieren. Wie werden Sie bei Mapal auf diesen Rückgang reagieren?
Kress: Es ist richtig, dass die Anzahl der zu bearbeitenden Bauteile je Antrieb abnimmt. Damit werden auch die Bearbeitungsumfänge und folglich auch der Werkzeugverbrauch zurückgehen. Aber es gibt auch gegenläufige Entwicklungen. Zum einen berufen sich manche Quellen noch auf Studien, die heute gut zehn Jahre als sind. Seitdem hat sich in der Entwicklung der E-Motoren einiges getan. In der Konsequenz sind die Antriebseinheiten auch komplexer geworden und die Bauteile erfordern bei der Bearbeitung eine höhere Präzision. Damit ist bei diesen Bauteilen der Anteil an der mechanischen Fertigung gestiegen.
Zum anderen hat man sich damals die Bearbeitungen pro Antriebseinheit angeschaut. Die Anzahl der verbauten Antriebseinheiten blieb dabei völlig unberücksichtigt. Stand heutiger Technik werden aber zum Beispiel in Allrad-Fahrzeuge zwei E-Motoren eingebaut. Ebenso bekommen leistungsstarke E-Fahrzeuge oftmals auch zwei Antriebseinheiten.
Weiterhin muss man die Stückzahlen in der Automobilindustrie insgesamt im Blick haben. Denn das ist schlussendlich das wichtigste Kriterium, wenn man das zukünftige Marktvolumen der Zerspanung in der Antriebstechnik abschätzen möchte.
Wie, denken Sie, werden sich die Produktionszahlen bei den OEMs entwickeln?
Kress: Da gibt es ganz unterschiedliche Vorhersagen. Sollten die Zahlen aus der letzten Studie des VDMA, die gemeinsam mit FEV Consulting entstanden ist, zutreffen, dann würde das für Mapal bedeuten, dass wir bis ins Jahr 2030 bei gleichen Marktanteilen einen leichten Anstieg in diesem Bereich haben werden. Die Zahlen aus der aktuellen VDMA-Studie sind bislang die detailliertesten, von daher hat diese Studie auch eine gewisse Aussagekraft. Vor allem aber wird deutlich, dass die Zerspanung nicht mit dem Verbrenner enden wird.
Natürlich darf man beim Thema E-Mobilität auch nicht unterschätzen, dass alle Entwicklungen in diesem Bereich stark von der Politik beeinflusst werden. Die E-Mobilität ist bislang noch nicht selbsttragend und hängt noch stark am Subventions-Tropf.
Gibt es bei der Einführung der E-Mobilität regionale Unterschiede?
Kress: Für mich ist Europa bei den Entwicklungen momentan am schnellsten. Die EU ist hier nach meiner Einschätzung auch der stärkste Treiber. China hat noch einen Vorsprung, aber Europa holt schnell auf.
Wie sehen Sie die Chancen für Hybrid-Fahrzeuge?
Kress: Ob sich Hybrid-Fahrzeuge durchsetzen können, hängt zum einen von den Entwicklungen in der Batterietechnologie ab und zum anderen, was noch viel entscheidender ist, wieder von den Subventionen. Denn momentan werden nur Plug-in-Hybrid-Autos gefördert, alle anderen Konzepte sind dadurch stark benachteiligt – und das, obwohl die anderen Hybrid-Konzepte im Real-Betrieb einen sehr niedrigen Verbrauch haben können. Da gibt es zum Beispiel Fahrzeuge in der Kompaktklasse, die nur 4 bis 4,5 Liter auf einhundert Kilometer verbrauchen. Da diese Fahrzeuge aber nicht staatlich gefördert werden, sind sie wahrscheinlich schnell wieder vom Markt verschwunden.
Die Brennstoffzelle ist eine weitere Energiequelle für die Mobilität der Zukunft. Wie sehen sie die Marktchancen für solche Fahrzeuge?
Kress: Ein Fahrzeug mit Brennstoffzelle ist im Grunde ein E-Fahrzeug mit zwei Energiespeichern: Einer kleineren Batterie und einem Wasserstofftank. Für den Wasserstoff benötigt man zusätzlich noch ein aufwändiges Tanksystem. Von daher ist die Brennstoffzelle aus meiner Sicht für kürzere Fahrten um die 100 bis 200 Kilometer eher ungeeignet.
Wir reden zudem die ganze Zeit über E-Mobilität ohne die absolute Menge der zur Verfügung stehenden elektrischen Energie zu thematisieren . Die Mobilität steht in Zukunft in direkter Konkurrenz zu weiteren Einsatzfeldern, in denen verstärkt auf Elektrizität als Energiequelle gesetzt werden soll, wie etwa dem Einsatz von Wärmepumpen zum Heizen. Von daher bleibt die Frage: Haben wir überhaupt genug Strom, um Wasserstoff zu erzeugen? Oder ist es nicht effizienter, die Energie direkt zu nutzen? So gesehen spricht vieles für rein batteriebetriebene Fahrzeuge.
Was ich mir aber vorstellen kann, zunächst als Brückentechnologie, ist die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger, um diesen in Lkw-Motoren direkt zu verbrennen.
Es wird in Zukunft trotz dem Schwerpunkt zur E-Mobilität in der öffentlichen Diskussion auch noch weitere Einsatzszenarien geben, zumindest als Brückentechnologie, bei denen die Brennstoffzelle und E-Fuels einer batteriegetrieben E-Mobilität überlegen sind. Es macht aus meiner Sicht wenig Sinn, in einem Traktor, der zehn Stunden Leistung bringen muss, eine Batterie zu verbauen. Von daher wird bei anderen Anwendungen als der personenbezogenen Mobilität auf Kurz- und Mittelstrecken immer abgewägt werden müssen, welche Technologie sich für diese Anwendungsfelder am besten eignet.
Wird die E-Mobilität im Pkw-Bereich in Zukunft die vorherrschende Mobilitätsform sein?
Kress: Davon bin ich überzeugt. Der Antrieb der Zukunft wird elektrisch sein. Es bleibt nur die Frage, wie der Energiespeicher aussehen wird.
Wie unterscheiden sich die Bauteile für die E-Mobilität von denen konventioneller Verbrennungsmotoren?
Kress: Bei vielen Bauteilen kann man keine allzu großen Unterschiede zwischen konventionellen und elektrischen Bauteilen ausmachen. Ein Statorgehäuse zum Beispiel ist einem Getriebegehäuse nicht unähnlich. Prinzipiell haben wir es bei der E-Mobilität vorrangig mit Bauteilen aus Aluminium zu tun. Die klassischen Stahl- und Guss-Bauteile wie Pleuel, Kurbelwelle oder Kolben wird es in Zukunft ja nicht mehr geben.
Für den Automotive-Bereich neu hinzugekommen sind Strukturbauteile wie die Batteriewanne. Bei deren Bearbeitung waren wir froh, dass unsere Luftfahrtexperten ihr Knowhow dazu einbringen konnten, welche Besonderheiten bei dünnen Stegen zu beachten sind und wie Vibrationen verhindert werden können. Bei diesen so nur scheinbar neuen Bauteilen können wir oftmals von dem spezifischen Branchen-Knowhow hier im Haus profitieren.
Eine der wichtigsten neuen Anforderungen ist die Geräuschentwicklung. Denn da bei E-Fahrzeugen das Verbrennergeräusch entfällt, kann man bei niedrigen Geschwindigkeiten auch leiseste Geräusche hören. Besonders Zahnräder müssen von daher sehr präzise bearbeitet werden. Aber auch bei bislang geräuschtechnisch unauffälligen Bauteilen wie zum Beispiel Achsgelenken müssen wir neuerdings die eventuelle Geräuschentwicklung beachten. Für eine höhere Bauteilpräzision spricht zusätzlich auch noch, dass so die Reibung abnimmt und dadurch die Reichweite der Fahrzeuge erhöht werden kann.
Mit den Bauteilen für die E-Mobilität sind neuerdings auch Teile mit völlig neuen Dimensionen zu bearbeiten. Müssen sich die Zulieferer hierfür extra neue, größere Maschinen anschaffen?
Kress: Bei Mapal haben wir für diesen Fall Werkzeuglösungen im Angebot, mit denen man zum Beispiel auch mit einer HSK-63-Maschine eine Statorbohrung präzise bearbeiten kann. Diese können zumeist auf den schon bestehenden Maschinen eingesetzt werden. So können viele unserer Kunden teure Neuinvestitionen vermeiden. Diese Werkzeuglösungen sind gerade jetzt am Anfang für die kleineren Stückzahlen eine wirtschaftliche Alternative.
Durch die E-Mobilität wurde die bisher geltende Struktur bei den Zulieferern kräftig durchgemischt. Wie macht sich das bei Mapal bemerkbar?
Kress: Die Karten werden gerade neu gemischt und es rücken jetzt Firmen in den Vordergrund, die vorher weniger Bedeutung hatten. Es ist für mich aber vor allem erstaunlich, wer jetzt wo und von wem welche Bauteile fertigen lässt. Das geht kreuz und quer durch die ganze Welt. In dieser neuen Situation hilft uns unser globales Netzwerk umso mehr. So sind wir in der Lage, unseren Kunden an beinahe jedem Punkt der Erde den gleichen umfangreichen Mapal-Service zu bieten.
Zudem punkten wir bei unseren Kunden immer mehr mit unserem sehr breiten Bearbeitungs-Knowhow. Schlussendlich liefern wir ja nicht nur das Werkzeug, sondern eine komplette Bearbeitungslösung. Wenn ein Kunde es möchte, liefern wir auch die Vorrichtungen oder die Programmierung. Diese Leistungen werden auch sehr gut angenommen. Unsere Umsätze im Bereich Toolmanagement haben sich zum Beispiel in den letzten sieben Jahren verdoppelt. Ich bin mir sicher, dass wir mit unserem umfassenden Angebot an Bearbeitungslösungen gerade im Bereich der E-Mobilität weiter Marktanteile gewinnen werden
Mapal Dr. Kress KG
www.mapal.com
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