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Matthias Rommel, Horn: „Automatisierungs-Knowhow für die Fertigung von morgen“

Matthias Rommel, Geschäftsführer, Paul Horn GmbH
„Automatisierungs-Knowhow für die Fertigung von morgen“

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Der Tübinger Werkzeughersteller Horn setzt in seiner Fertigung über 300 selbst entwickelte Schleifmaschinen ein. Nun wurden diese um eigene Automationslösungen ergänzt. Die mav sprach mit Matthias Rommel, einem der Geschäftsführer der Paul Horn GmbH, darüber, wie und warum das Unternehmen ein so tiefes Werkzeugmaschinen- und Automatisierungs-Knowhow erlangt hat.

Das Interview führte: Frederick Rindle

mav: Wie kommt man als Werkzeughersteller dazu, seine Schleifmaschinen selbst zu entwickeln?

Rommel: Wir stellen Werkzeuge her, die in ihren Toleranzen und Geometrien einzigartig sind. Dafür brauchen wir Schleifmaschinen, die zu 100 Prozent zu unseren Anforderungen passen. Da diese auf dem Markt so nicht zu finden sind und waren, hat sich Horn schon vor vielen Jahren mit Weitsicht dazu entschlossen, dass wir unsere eigenen Schleifmaschinen bauen bzw. modifizieren wollen, die ganz speziell auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Das notwendige Knowhow kann man sich ja nicht über Nacht aneignen. Was waren die ersten Schritte, die Horn auf dem Weg zum eigenen Maschinenbau gemacht hat?

Rommel: Das ging Schritt für Schritt. Am Anfang stand bei uns die Anschaffung einer Rumpfmaschine. Was früher in erster Linie über unsere Instandhaltung umgesetzt wurde, bilden wir heute mit einem eigenen Bereich „Maschinenbau“ ab. Hier werden nicht nur die Rumpfmaschinen zu Schleifmaschinen modifiziert, sondern es entstehen hier auch unsere eigenen Automationen. Wir treiben das Thema Competence-Insourcing auch hier voran, um technologisch und prozessseitig Vorteile zu generieren, die in der Regel so nicht zugekauft werden können. Das spielt sich manchmal in größeren und sichtbareren Bereichen ab, wie bei den Maschinen, manchmal aber auch im Kleinen und eher Unsichtbaren, wie Bauteilen, Gruppen, Vernetzungen und dem Thema OPC UA.

Was unterscheidet die Lösung bei Horn von anderen Schleifmaschinen mit einer automatisierten Werkstückbestückung?

Rommel: Da haben wir gleich mehrere ganz Horn-typische Besonderheiten. Für uns als Präzisionswerkzeughersteller mit starkem Fokus auf Sonderwerkzeuge sind zunächst einmal kleine Losgrößen zwischen 50 und 100 Stück, aber auch bis hinunter zur Stückzahl 1 an der Tagesordnung. Wir müssen also den sogenannten One-Piece-Flow bei uns perfekt beherrschen. Hinzu kommt, dass die Schneidplatten sehr komplex, filigran und mit engen Toleranzen versehen sind, die man erst einmal sicher und richtig ausgerichtet greifen können muss. Hier eine Lösung zu finden, funktioniert nach meiner langjährigen Erfahrung nur in einem sehr umfassenden Austausch zwischen dem Automatisierungslieferanten und dem Anwender und erfordert viele Stunden Detailarbeit.

Wie gehen Sie damit um, dass die Schleifmaschinen wegen des abrasiven Hartmetallpulvers nach kurzer Zeit ausgetauscht werden müssen?

Rommel: Generell pflegen wir unsere Maschinen mit aufwändigen und umfangreichen Instandhaltungsmaßnahmen. Ist der Maschinenverschleiß jedoch an bestimmten Grenzen angekommen, führen wir eigene, zum Teil weitgehende Retrofit-Maßnahmen durch. Dies können wir, oder besser gesagt, haben wir gelernt, da wir unsere Maschinen mittlerweile komplett selbstständig aufbauen können. Außerdem können wir so unseren Maschinenpark durch eigene Wartung und unser eigenes Retrofit immer auf dem neuesten Stand halten und zukunftsorientiert mit den neuesten Technologien ausstatten. Und auch hier hat Horn viel in seine Mitarbeiter investiert, um das Retrofit-Knowhow ins eigene Unternehmen zu holen.

Wie schätzen Sie den technologischen Stand der Horn-eigenen Schleifmaschinen, einschließlich der Automation ein?

Rommel: Mit der neuen Roboterautomation brauchen wir uns mit unserer aktuellen Maschinengeneration nicht hinter den Top-Maschinenherstellern zu verstecken. Im Gegenteil: Ich denke, gerade was das Schleifen von Schneidplatten betrifft, sind wir sicherlich ganz vorne mit dabei.

Ist ein Knickarmroboter für ein reines Werkstückhandling nicht etwas überdimensioniert?

Rommel: Der Roboter ist unserem bisherigen Handlingsystem einfach in vielen Punkten überlegen, vor allem in Bezug auf Agilität und Flexibilität. Wir wollen mit den Robotern und vor allem mit dem Wissen, wie man den allergrößten Teil unserer Schneidplatten greifen und positionieren kann, in Zukunft auch weitere Tätigkeiten automatisieren. Gerade im Bereich der Qualitätssicherung sind so zum Beispiel auch automatisierte 100-Prozent-Prüfungen denkbar. Im Prinzip haben wir jetzt eine Lösung, die überall hinkommt und dort Aufgaben erledigen kann. Wir können folglich fast beliebige Funktionen in unsere Roboterzelle einbauen, die dann automatisiert abgearbeitet und somit auch als Modul ausgetauscht sowie modernisiert werden können.

Wo lagen die Knackpunkte bei der Realisierung dieser Automatisierungslösung?

Rommel: Die mechanischen Komponenten haben wir bei diesen Lösungen immer relativ schnell im Griff. Bei der Programmierung, insbesondere auch bei der SPS-Steuerung, mussten wir uns allerdings Hilfe holen. Mit den Experten unserer Roboterlieferanten haben wir zusammen unsere Ideen in die Automatisierungswelt übertragen und zur Serienreife gebracht. Bis heute sind die Roboterexperten auch bei unseren neuen Projekten mit an Bord.

In der Praxis stellt dann das Greifen der beliebig orientierten, filigranen Schneidplatten von den Paletten die größte Herausforderung dar. Hierfür benötigt man teilweise entsprechende Bildverarbeitungskomponenten, die dann dem Roboter die exakte Lage der Schneidplatten übermitteln müssen. Denn der Roboter muss schlussendlich die Schneidplatten an der richtigen Stelle greifen und dazu auch die Lage der Schneide genau erkennen.

Würden Sie ein Projekt dieser Größenordnung noch einmal in Angriff nehmen, wenn Sie das Wissen von heute hätten?

Rommel: An der Automatisierung führt heute kein Weg mehr vorbei und der enorme Wissensvorsprung, den wir durch dieses Projekt gewonnen haben, wiegt die Kosten und den Zeitaufwand mehr als auf. Bei Horn muss sich eine solche Investition auch nicht in kurzer Zeit amortisieren. Für uns als Familienunternehmen sind solche Projekte eine langfristige Investition in die Wettbewerbsfähigkeit unseres Unternehmens und zudem ein klares Bekenntnis zum Standort Tübingen. Denn schließlich investieren wir heute in die Zukunft von morgen und von übermorgen. Das heißt für uns, dass wir bereits an der Entwicklung der nächsten Generation von Produktionstechnologien arbeiten.

Welche Verbesserungen wird es dann in der nächsten Version geben?

Rommel: Bei der nächsten Generation unserer Produktionstechnologien werden wir uns unter anderem vermehrt auch auf unsere Softwarethemen konzentrieren. Hier interessiert uns besonders: Welche Daten können wir während des Prozesses erfassen und was können wir daraus ableiten? Ich will hier nicht von einer KI sprechen, aber eine Vorstufe davon wird uns sicherlich helfen. Dabei kommt unsere eigene I 4.0-Abteilung zum Tragen, die hier die entsprechenden Technologien auswählt, testet und implementiert.

Wie sieht für Sie dann die Fertigung der Zukunft aus?

Rommel: Ein Motto bei Horn ist: Stillstand ist keine Option. Daher ist der nächste Schritt, die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen beispielsweise aus dem Bereich Automation/Robotik oder im Bereich Schleifen auch auf andere Bereiche im Unternehmen zu übertragen. Dieser interne Knowhow-Transfer ist für uns essenziell, um unsere Spitzenposition auf dem Weltmarkt weiter auszubauen. Parallel läuft, wie bereits angesprochen, die Entwicklung bzw. Weiterentwicklung hinsichtlich der nächsten Generationen an Produktionstechnologien. Diese haben vor allem das Thema Funktionsimplementierung im Fokus. Konkret ist hier das Messen und Prüfen in der Maschine vorgesehen. Darüber hinaus auch die Übernahme einfacher Tätigkeiten. Das Ziel dabei ist es nicht, den Menschen zu ersetzen, sondern die vorhandenen Kapazitäten noch besser für die relevanten Arbeitsgänge einzusetzen. Der Mensch ist und bleibt auch weiterhin Dreh- und Angelpunkt bei Horn.

Hartmetall-Werkzeugfabrik Paul Horn GmbH
www.horn-group.com

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