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CNC steuert Roboter

Softwareschnittstelle erleichtert Maschinenbedienern die Arbeit
CNC steuert Roboter

Mit innovativen Fertigungsprozessen schafft es das Siemenswerk in Bad Neustadt, die Ausbringungsmenge seiner Elektromotoren regelmäßig zu steigern. So übernimmt beispielsweise eine autark arbeitende Dreh-Bohr-Zelle die Herstellung diverser Komponenten wie Lagerkappen und Flansche. Besonders interessant: Das Handling der Teile erledigt ein Kuka-Roboter, der über die gleiche Highend-CNC gesteuert wird wie die Bearbeitungsmaschinen.

Die Elektromotoren des Siemens-Werks Bad Neustadt kommen in verschiedensten Werkzeug-, Produktionsmaschinen und Robotern zum Einsatz. Werkleiter Peter Deml legt Wert darauf, sowohl die Leistungsfähigkeit seiner Produkte zu verbessern als auch die Abläufe und Prozesse am Standort. Steigende Werte in Verkauf und Ausbringung bei konstanten Mitarbeiterzahlen sind der beste Beweis. So werden die rund 80 CNC-Werkzeugmaschinen des Standorts nicht bedingungslos vollautomatisiert. Vielmehr achten die Verantwortlichen darauf, wandlungsfähige Strukturen und Prozesse einzuführen, die es ermöglichen, sich schnell auf geänderte Rahmenbedingungen – wie neue Produkte oder Volumenschwankungen – einzustellen.

Deshalb hat Peter Zech, Leiter Druckguss und Sondermaschinenbau, im Jahr 2014 gemeinsam mit seinen Mitarbeitern einen Teilbereich der Fertigung erneuert, in dem unter anderem kleinere Lagerschilde und Abdeckkappen für Elektromotoren auf einer Dreh- und einer Bohrmaschine spanend bearbeitet werden. „Die Teilequalität der alten Anlage war zwar noch gut, aber nicht mehr produktiv genug“, erklärt er. „Zum einen ließ die Verfügbarkeit zu wünschen übrig, zum anderen musste die Bohrstation von einem Mitarbeiter manuell bestückt werden – eine monotone Arbeit.“
Auf der Suche nach der besten Lösung stand unter anderem ein neues Drehzentrum mit angetriebenen Werkzeugen zur Debatte, das den gesamten Prozess abdecken kann. Problem: Die Durchlaufzeit wäre zu lang, weil meist Mehrfachbohrungen gefordert sind, die eine separate Bohrstation in einem Arbeitsgang erledigt. „Zudem liegt der Preis für in Frage kommende Drehzentren deutlich zu hoch“, ergänzt Zech.
Eine alternative Überlegung war, für die bis dato eingesetzte Index GE42 eine neue, gleichgeartete Drehmaschine zu kaufen. Doch auch diese Variante kam letztlich nicht zum Zug, denn das inzwischen durchgeführte Retrofit mit neuer Sinamics/Simotics-Antriebs- und Sinumerik-Steuerungstechnik hat sich als beste Lösung dargestellt. Gründe dafür nennt Volker Ress, Meister Druckguss: „Die mechanische Qualität und Präzision der GE42 entspricht nach der Generalüberholung zu 100 Prozent unseren Bedürfnissen. In Summe hat diese Variante wesentlich weniger gekostet als eine neue Maschine.“
Alleine mit dem Retrofit der automatisierten Drehmaschine waren Zech und Ress aber noch nicht zufrieden. Sie wollten vielmehr eine Lösung mit integrierter Bohrstation – ganz im Sinne einer intelligenten Automatisierungslösung. Der Plan: Innerhalb einer autarken Dreh-Bohr-Zelle übernimmt ein flexibler Roboter das komplette Teilehandling vom eingehenden Bandsystem bis zum fertigen Bauteil.
Die Suche nach der geeigneten Robotertechnik dauerte nicht lange. Schnell stand fest, dass Kuka mit dem KR Agilus die technischen Anforderungen am besten erfüllt. „Die Bewegungen können andere Roboter natürlich auch ausführen“, bestätigt Zech, „aber die Qualität von Kuka ist anerkannt hoch. Und die nahtlose Integration der Robotik in die Werkzeugmaschinenumgebung ist einzigartig. Das ist tatsächlich nur möglich, wenn man einen Kuka-Roboter mit einer hochwertigen Siemens-CNC wie der Sinumerik 840D sl kombiniert.“
Berührungsängste abgebaut
Basis dieser Lösung ist die Softwareschnittstelle Run Myrobot, die Ingenieure von Siemens und Kuka gemeinsam entwickelt haben. Damit ist es den Unternehmen gelungen, bei den Maschinenbedienern Berührungsängste abzubauen, wie Martin Leutbecher, Mechatroniker und Instandhalter, bestätigt. Stellvertretend für alle Kollegen, die in wechselnden Schichten an der Dreh-Bohrzelle arbeiten, ergänzt er: „Run Myrobot ist genial. Dadurch können wir den Kuka-Roboter mit Sinumerik Operate an unserem normalen Panel oder mit dem Handheld Terminal HT8 steuern und müssen nicht mit einer Robotersteuerung umgehen, die anders aufgebaut und für uns ungewohnt ist.“
Das Motorenwerk Bad Neustadt nutzt auf allen Werkzeugmaschinen Siemens-Steuerungen, und dabei überwiegt Sinumerik Operate. Die moderne Benutzeroberfläche erfüllt alle Bedürfnisse beim Programmieren und Einrichten. Dabei erinnert der Aufbau an ein Smartphone oder Tablet, was insbesondere neuen Mitarbeitern den Umgang mit der CNC erleichtert.
Im Fall der Dreh-Bohr-Zelle kann der komplette Fertigungsablauf von Roboter und Bearbeitungsmaschine ohne Verfügbarkeitsverluste offline programmiert werden. Für wiederkehrende Tätigkeiten, wie dem Einrichten, Teachen und Freifahren des Roboters, kommt das HT8 als zentrale Bedieneinheit zum Einsatz. Mittels der Run Myrobot-Schnittstelle lassen sich alle Aufgaben komfortabel durchführen. Denn letztlich führt der KR Agilus alle Bewegungen in den Werkzeugmaschinen-typischen Richtungen X, Y und Z aus.
Sicherheit inklusive
Ein weiteres Highlight erwähnt Timo Rössler, Fertigungstechnologe Zerspanung: „Unsere Bediener können jederzeit gefahrlos die Fertigungszelle betreten – auch während sie den Roboter steuern.“ Basis hierfür ist das in der Sinumerik-CNC integrierte Feature Safety Integrated. Diese in modernen Werkzeugmaschinen übliche Funktion stellt sicher, dass sich der Roboter nur in kontrollierter Geschwindigkeit bewegen kann.
Einmal eingestellt, produziert die Dreh-Bohr-Zelle über zwei Schichten hinweg durchschnittlich rund 400 bis 500 gleiche Bauteile am Stück. Dann wird gewechselt. „So halten wir die Bestände in einem optimalen Umfang“, erklärt Rössler. Das installierte Zuführband nimmt etwa 70 Rohlinge auf. Das reicht, um die Anlage für zwei bis drei Stunden selbstständig laufen zu lassen. In dieser Zeit kümmert sich der Bediener um zwei weitere Fertigungslinien, übernimmt stichprobenartige Qualitätskontrollen und füllt das Förderband mit Rohlingen auf. Ansonsten läuft die Bearbeitungszelle vollautomatisch: Ein am Eingang der Zelle angebrachtes Visionsystem erfasst den Rohling und gibt das Lagesignal an den Roboter weiter. Dieser greift auf Basis der Lage-Informationen das Bauteil so, dass er es stets richtig an die Index GE42 übergeben kann. Wenn die Maschine öffnet, nimmt er zuerst mit der Rückseite des Wechselgreifers das fertig gedrehte Bauteil ab. Während nun der Rohling bearbeitet wird, reicht der Roboter das gedrehte Werkstück zur Bohrstation weiter, die in einem Arbeitsgang mehrere Bohrungen oder Gewinde erzeugt. Schließlich legt er das fertig bearbeitete Bauteil ab, nimmt vom Band den nächsten Rohling und der Ablauf geht in Dauerschleife bis zum geplanten Produktwechsel weiter.
Roboter, Werkzeugmaschine und Bediener sind ein gutes Team, weil sie über Run Myrobot verknüpft sind. Die Schnittstelle ermöglicht es, beide Technologien über die Sinumerik-CNC zu bedienen. In Zukunft soll der Roboter weitere Aufgaben übernehmen, die über das reine Handling hinausgehen. So wird es unter anderem möglich sein, ihn direkt für die Bearbeitung einzusetzen. Aufgrund seiner Beweglichkeit kann er frei im Raum Aufgaben wie Schleifen, Entgraten, Nieten, Bohren und Fräsen übernehmen.
Siemens AG www.siemens.com EMO Halle 3 Stand E06/F03

800 000 Motoren pro Jahr
Das Elektromotorenwerk Siemens, Bad Neustadt, ist eines der Siemens-Stammwerke zur Herstellung von Elektromotoren. Vor 78 Jahren gegründet, wurden dort im Jahr 2014 mehr als 800 000 Motoren produziert. Derzeit sind an diesem Standort rund 2400 Mitarbeiter beschäftigt, die in drei Geschäftsgebieten angesiedelt sind: „Process Industries and Drives/ Large Drives“, „Digital Factory/Motion Controls“ und „Digital Factory/e-Car Powertrain“.

Der Autor
Michael Strahlberger ist Vertriebsberater bei der Siemens AG, Division Digital Factory, Geschäftsbereich Motion Control Systems in Erlangen.
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