Die Zeichen der Zeit sind eindeutig: „Künstliche Intelligenz kommt – und zwar mit Wucht“, sagt auch Dr. Thomas Schneider, Geschäftsführer Entwicklung des Geschäftsbereiches Werkzeugmaschinen bei Trumpf. „In der deutschen Industrie müssen wir deshalb jetzt die Weichen für künstliche Intelligenz stellen, sonst landen wir auf dem Abstellgleis.“
Der VDMA begrüßt, dass die Bundesregierung eine KI-Strategie auf den Weg gebracht hat. Doch „weder das Budget von 3 Milliarden Euro noch 100 neue Professoren garantieren allerdings den erfolgreichen Einsatz von künstlicher Intelligenz“, sagt Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA. „Wir brauchen keine Forschung im Elfenbeinturm, sondern am Ende intelligente Lösungen, wie wir KI möglichst schnell in den Unternehmen nutzen können.“ Schneider stimmt zu: „Universitäre Grundlagenforschung ist für die Zukunft zwar wichtig, aber ein Großteil der Forschungsfragen zu KI ist praxisnah und sollte über entsprechend industrienah aufgestellte Förderprogramme schnell angegangen werden.“
Schneider sieht gerade im Industrie- und Maschinenbau-Knowhow einen wichtigen Vorteil gegenüber IT-Riesen wie Google. „Zumal der Fehlerfall, wenn die KI eine falsche Entscheidung trifft, gerade im Maschinenbau desaströs sein kann. Hier sind Erfahrung und Fachwissen notwendig, um KI-Empfehlungen richtig interpretieren zu können.“
KI nimmt Schlüsselrolle ein
Bei Trumpf nimmt KI daher mittlerweile eine Schlüsselrolle ein. „Künstliche Intelligenz betrifft die Tätigkeiten mehrerer Hundert Mitarbeiter in unterschiedlicher Form“, berichtet Schneider. Einige arbeiten mit namhaften großen KI-Anbietern zusammen, andere nutzen Open-Source-Software für eigene Ansätze. Zum Einsatz kommt KI beispielsweise in der Qualitätskontrolle oder in KI-Lösungen, die Servicemitarbeitern Reparaturvorschläge machen. Zudem setzt Trumpf KI direkt in seinen Maschinen ein, bestes Beispiel ist der Laservollautomat TruLaser Center 7030.
31,8 Milliarden Euro zusätzlich
Die volkswirtschaftlichen Experten Dr. Matthias Bürger und Dr. Leo Wangler vom Institut für Innovation und Technik (iit) in Berlin sehen in der KI eine sehr starke Wirkkraft: „Innerhalb der nächsten fünf Jahre ist mit dem Einsatz der KI im produzierenden Gewerbe in Deutschland eine zusätzliche Bruttowertschöpfung in Höhe von circa 31,8 Milliarden Euro verbunden, was einem guten Drittel des gesamten Wachstums entspricht.“
In einer Studie haben die Experten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) die „Potenziale der Künstlichen Intelligenz im produzierenden Gewerbe in Deutschland“ untersucht und dazu Anwender, Anbieter und Forscher befragt. Die Studie zeigt: In der Produktion wird KI derzeit noch eher zurückhaltend eingesetzt. Dort nutzen heute erst acht Prozent der KMUs und 26 Prozent der Großunternehmen KI-Technologien – als konkrete Anwendungsbereiche stehen eher Forschung und Entwicklung, Service/Kundendienst, Marketing/Vertrieb und Planung im Vordergrund.
Allerdings liegen gerade in der Produktion die meisten Ansatzpunkte für KI-Anwendungen. „Im Produktionsprozess entfalten sich Potenziale im Bereich der Anlagen- und Maschinenwartung sowie in der Fertigung durch Robotik“, erklärt Studienleiterin Dr. Inessa Seifert, die zudem Prozessoptimierungen durch Fertigungs- und Kapazitätsplanung sowie die Qualitätsprüfung anführt. „Innerhalb der nächsten fünf Jahre, da sind sich die Anwender einig, werden sich fünf KI-Anwendungen als besonders relevant erweisen: Predictive Analytics, intelligente Assistenzsysteme, Automatisierung, Robotik und smarte Sensorik.“
Laut Martin Hägele, Leiter der Abteilung Roboter- und Assistenzsysteme am Fraunhofer IPA, profitiert insbesondere die Industrierobotik gleich dreifach von der KI:
- Die Bildverarbeitung ist eine Schlüsseltechnologie, um Objekte zu identifizieren und zu lokalisieren oder um Umgebungen zu erfassen.
- KI und maschinelles Lernen werden zur intuitiven Instruktion von Robotern genutzt.
- KI verbessert die Leistungsfähigkeit des Roboters, etwa Genauigkeit oder Geschwindigkeit.
Zum Selbstläufer wird der KI-Einsatz aber nicht. „Zu den wichtigsten Systemvoraussetzungen zählen sowohl Anwender als auch Anbieter die Robustheit der Algorithmen, Datenqualität, Sensorik sowie Datenhoheit und -zugang“, berichtet Studienleiterin Seifert. „Die Unternehmen treibt vor allem die IT-Sicherheit zum Schutz sensibler Unternehmensdaten vor Cyberangriffen um, ebenso die funktionale Sicherheit für den zuverlässigen und sicheren Betrieb von industriellen Systemen.“
Fachkräfte fehlen
Als kritisch beklagen 60 Prozent der Anwenderfirmen das Fehlen von KI-Fachkräften. Ein knappes Drittel der befragten Anwender ist sogar generell der Ansicht, dass ihnen Voraussetzungen wie eine digital vernetzte Produktion fehlen, um KI effizient nutzen zu können. Laut den befragten Anbietern hinkt sogar die Hälfte der Produktionsunternehmen bei der Grundvoraussetzung Industrie 4.0 hinterher. Aus den stark abweichenden Einschätzungen leitet die Studienleiterin Seifert Aufklärungsbedarf ab: „Die Unternehmen des produzierenden Gewerbes unterschätzen zum Teil die notwendigen Voraussetzungen für den Einsatz von KI.“
Wer beim Einstieg in die KI-Welt Hilfe benötigt, dem rät Hägele, Initiativen des Technologietransfers aufzugreifen. Beispielsweise soll das mit Landesmitteln finanzierte Zentrum für Cyber Cognitive Intelligence (ZCCI) am Fraunhofer IPA Firmen unterstützen, Anwendungsfälle für den Einsatz von KI zu identifizieren und Methoden sowie KI-Technologien im Praxisalltag erfolgreich zu nutzen. „So wird ein Verständnis dafür geschaffen, Daten intelligent zu nutzen sowie sicher und rechtskonform zu verwerten und sie als Wirtschaftsgut zu behandeln.“
Denn in fünf Jahren, so zeigt die Studie, dürfte KI in der Produktion weiter verbreitet sein: Arbeiten heute erst 15 Prozent der Unternehmen in der Produktion mit KI, so wollen in fünf Jahren 62 Prozent KI-Technologien in der Produktion einsetzen. Damit schiebt sich das Produktionsumfeld (neben Bereichen wie Forschung und Entwicklung, Service/Kundendienst und Marketing/Vertrieb) in die Spitzengruppe.