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Digitalisierung der Werkzeugmaschinenbranche schreitet voran

Digitalisierung der Werkzeugmaschinenbranche schreitet voran
Auf dem Weg vom Bit zum Span

Digitalisierung in der Zerspanung: Das bedeutet, Werkzeuge, Spannmittel und Werkstücke lernen dazu und kommunizieren mit anderen am Prozess beteiligten Komponenten. Wie funktioniert das konkret im Fertigungsalltag? Der Weg zur selbstoptimierenden Werkzeugmaschine ist noch weit – doch die Branche kommt voran.

Noch ist in punkto Digitalisierung viel Luft nach oben. Das jedenfalls erfuhr die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in einer jüngst durchgeführten Befragung unter Mittelständlern. Zitat: „Der Anteil der Mittelständler, der in den zurückliegenden drei Jahren erfolgreich Digitalisierungsprojekte abgeschlossen hat, ist mit 26 Prozent deutlich kleiner als bisher vermutet.“

Ein genauerer Blick zeigt zwar, dass das F&E-intensive verarbeitende Gewerbe, zu dem der Werkzeugmaschinenbau gehört, mit 31 Prozent etwas besser dasteht. Noch sind das aber hauptsächlich Investitionen in die IT-Strukturen sowie die Schnittstellen und Kontakte zu Kunden und Zulieferern. Mit der Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen befassen sich bislang nur 19 Prozent der Projekte.

Immerhin betrugen die Digitalisierungsausgaben 2016 knapp 14 Milliarden Euro. Zur Einordnung: Die Innovationsausgaben des Mittelstands lagen bei 3,2 Milliarden Euro, die Investitionen in Maschinengebäude, Einrichtungen und Ähnliches bei 169 Milliarden Euro. Hemmnisse seien vor allem fehlende IT-Kompetenz, Datensicherheit und Datenschutz, Unternehmens- und Arbeitsorganisation sowie eine mangelnde Qualität der Internetverbindungen. Die KfW empfiehlt dennoch dringend, „die Digitalisierung im deutschen Mittelstand weiter voranzutreiben“.

Die Hersteller von Maschinen und Komponenten sind sich der Wünsche und Sorgen der Anwender durchaus bewusst. Beispiel Chiron, Anbieter von Turnkey-Lösungen für die Metallverarbeitung: „Allgemeine Skepsis besteht noch häufig gegenüber der Datensicherheit bei Anbindung von Maschinen ans Internet, da viele Unternehmen die Gefährdung des eigenen Knowhows befürchten. Diese Vorbehalte nehmen wir ernst und gehen davon aus, dass wir hier mit unseren sicheren Lösungen überzeugen können“, verspricht Pascal Schröder, Experte für digitale Lösungen unter dem Oberbegriff „Smartline“ der Chiron-Gruppe.

Der deutsche Maschinenbau ist in der Vergangenheit nicht auf den Hype Industrie 4.0 oder Digitalisierung aufgesprungen, konstatiert auch Markus Frank, Abteilungsleiter für „Net 4 Industry“ beim Werkzeugmaschinenhersteller Grob. In den letzten 18 Monaten sei jedoch „eine deutliche Steigerung von Aktivitäten und Bemühungen in diesem Bereich“ zu beobachten. Fest steht: „Industrie 4.0 bildet die Grundlage, um ressourcenschonend, flexibel und produktiv die Maschinen und Anlagen zu betreiben.“ Grob entwickelt seit über vier Jahren Applikationen und Lösungen für die vernetzte Produktion und setzt sie auch im eigenen Unternehmen ein.

Industrie 4.0 auf dem Shopfloor angekommen

„Der Weg zu einer selbstoptimierenden Werkzeugmaschine hat gut begonnen, die Entwicklung hierbei ist aber noch lange nicht abgeschlossen“, urteilt Jürgen Förster, Geschäftsleitungsmitglied beim Spanntechnikhersteller AMF Andreas Maier. Letztlich gehe es immer um die Kommunikation unterschiedlicher Medien, Komponenten und Systeme. „Dies sollte für unsere Branche Alltag sein, und jedes Unternehmen sollte sich im Klaren sein, welchen Beitrag es dazu leisten kann.“

So wird beispielsweise Chiron zwei neue Produkte aus der Smartline-Familie auf der AMB präsentieren. Conditionline ist eine Software, die vollautomatisch alle für einen zuverlässigen Betrieb relevanten Maschinenparameter analysiert. „Dadurch lässt sich die Verfügbarkeit der Maschine erhöhen, Wartung und Reparaturen können gezielt geplant und so Produktivitätsverluste vermieden werden“, erläutert Schröder. Außerdem stellt man das Bedienkonzept Touchline vor, das Maschinenanwender unter anderem mit kontextsensitiven Informationen unterstützen soll.

Klaus Winkler, Vorsitzender der Geschäftsführung und CEO der Heller-Gruppe, sieht in Industrie 4.0 den Ansatz, den Zustand von Werkzeugmaschinen jederzeit transparent zu machen und gewonnene Informationen mit bereits vorhandenen Daten zu einer zielgerichteten Diagnose auszuwerten. „Unter ‚Heller 4 Industry‘ bündeln wir alle Aktivitäten, die im Zusammenhang mit Industrie 4.0 und der Digitalisierung der Prozesskette stehen“, so Winkler. Neben einer höheren Maschinenproduktivität konzentriert sich Heller auf die Unterstützung durchgängiger Engineering-Ketten. Kernaspekte sind ergänzende Maschinenfunktionalitäten, Dienstleistungen „on demand“ und erweiterte Servicemöglichkeiten. Neuentwicklungen werden auf der AMB zu sehen sein, unter anderem in Kooperation mit Siemens das Heller Services Interface.

Ohne Vernetzung keine smarte Fabrik

Vernetzung muss sich rechnen. Das ist für Hansjörg Sannwald, Leiter Markt- und Produktmanagement CNC-Systeme bei Bosch Rexroth, oberstes Gebot: „Lösungen werden sich nur dann durchsetzen, wenn sie wirkliche Vorteile bieten.“ Der wirtschaftlichste Weg führe zumeist über den „Brownfield-Ansatz“, einen Begriff aus der Softwareentwicklung: „Werkzeugmaschinenhersteller nutzen bereits installierte Maschinen und Anlagen weiter und vernetzen diese nachträglich.“ So lassen sich mit dem IoT-Gateway von Bosch Rexroth auch bereits installierte Maschinen und Anlagen kostengünstig vernetzen, und zwar innerhalb weniger Stunden von Betriebselektrikern ohne besondere SPS-Kenntnisse.

Wie kommen die Daten aus der Maschine? Spanntechnikhersteller AMF setzt auf neuentwickelte Funksensorik. Sie ermöglicht via Bluetooth platzsparend eine drahtlose Zustandsübertragung von Spannsystemen und Handling-Geräten. „Die verschiedenen Zustände können abgefragt und mittels einer eigenen Software visualisiert werden“, erläutert Förster.

Auf die unmittelbare Nähe seiner Greifer und Spannmittel zum Werkstück verweist Schunk. „Wir können Daten direkt am Werkstück abgreifen und diese an übergeordnete Systeme weitergeben“, erklärt Henrik Schunk, geschäftsführender Gesellschafter und CEO. „Smart Gripping“ und „Smart Clamping“ liefern eine vollständige Echtzeit-Datenbasis der Produktion und damit die nötige Transparenz, um Prozesse weiter zu optimieren. Auf der AMB zeigen die Lauffener, wie ein solches Szenario realisiert werden kann – beispielsweise mit dem smarten Parallelgreifer EGL, den Schunk als Technologieträger fürs Smart Gripping weiterentwickelt hat. Er erkennt ohne zusätzliche externe Sensorik fehlerhafte Bauteile und entscheidet, ob diese aus dem Prozess auszuschleusen sind.

Auch Werkzeuge liefern Daten

Besonders intensiv mit der Digitalisierung beschäftigen sich viele Hersteller von Präzisionswerkzeugen. Giari Fiorucci, Vice President Services bei Mapal Dr. Kress, bestätigt zunächst die von der KfW festgestellten Hindernisse: die IT-Infrastrukturen, aber auch die Qualität der vorhandenen Daten. „Zahlreiche mittelständische Unternehmen haben Projekte in Richtung Industrie 4.0 laufen; allerdings fungieren die meisten lediglich als Insellösung und bieten keine Vision für einen weiteren umfassenden Ausbau, wie es für eine durchgängige Digitalisierung erforderlich ist.“

Gar einen gewissen Überdruss in Sachen Industrie 4.0 im Mittelstand registriert Florian Böpple, Manager Digital Manufacturing bei Walter. Metallbearbeitende Unternehmen seien grundsätzlich motiviert, oft fehle aber der konkrete Nutzen der angebotenen Lösung. Sein Fazit: „Metallzerspaner brauchen praxisnahe Lösungen, die ihnen dabei helfen, Prozesse zu verbessern und Kosten einzusparen.“

Vielleicht durch künstliche Intelligenz? Dr. Jan Brinkhaus, Leiter Business Segment „Digital Solutions“ bei Ceratizit, verspricht nichts weniger als „Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz für die Werkzeugmaschine“. Das Assistenzsystem „Toolscope“ erkennt beispielsweise automatisch Werkzeugbrüche, regelt adaptiv den Vorschub oder koppelt Werkzeugdaten auf Cloud-Server aus. „Die Software ‚Toolscope Cockpit‘ erlaubt wiederum, diese Daten auf übersichtliche Weise anzuzeigen und vielfältig auszuwerten.“

Digitalisierungslösungen müssen sich möglichst unkompliziert in ein Netzwerk integrieren lassen. Dabei sind in der Regel die Schnittstellen zwischen den Digitalisierungselementen die sehr große Herausforderung. Karl-Heinz Schoppe, Innovation & Marketing bei Mimatic ergänzt: „Hier setzt unser Produkt Eltimon an, das als offene Plattform für Partner und Kunden die wichtigsten Digitalisierungselemente bietet, so dass die Schnittstellenthematik weitestgehend entfällt.“ Eltimon wird daher ein entscheidender Bestandteil der geplanten Elabo Smart Factory auf der AMB Sonderschau Digital Way (siehe Kasten) sein.


„Digital Way“ zeigt, wie es funktionieren kann

Hilfestellung auf dem Weg zur Digitalisierung will die Stuttgarter Werkzeugmaschinenmesse AMB leisten: Im Rahmen der neuen Sonderschau „Digital Way“ zeigen IT-Anbieter konkret, wie sie Unternehmen der zerspanenden Fertigung auf dem Weg zu Industrie 4.0 unterstützen. Mit einer Kombination aus hochkarätigem zweitägigen Kongress (18. bis 19. September 2018) und begleitender Ausstellung, erhält „die AMB eine neue Plattform, auf der Anwender sich umfassend darüber informieren können, wie Industrie 4.0 und die Digitalisierung in der Produktion konkret umsetzbar sind“, sagt Gunnar Mey, Abteilungsleiter Industriemessen der Messe Stuttgart. Weitere Infos unter www.messe-stuttgart.de/amb/digital-way

Die AMB Sonderschau Digital Way zielt mit einer Kombination aus hochkarätigem Kongress und begleitender Ausstellung auf die Digitalisierung in der Produktion. Bild: Messe Stuttgart
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