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Fertigung geht nicht mehr ohne Automation

Maschinenhersteller bieten passgenaue Lösungen für individuelle Anforderungen
Fertigung geht nicht mehr ohne Automation

Kostendruck und Fachkräftemangel geben es vor: Werkzeugmaschinen ohne Automatisierung könnten bald ein Auslaufmodell sein. Die Hersteller reagieren und bieten smarte Automationslösungen aus einer Hand an. Diese gehen längst über simple Be- und Entladejobs an der Maschine hinaus. Softwareunterstützung und mobile Lösungen gewinnen an Bedeutung.
Autor: Dr. Frank-Michael Kieß

Wie immer im Frühjahr haben die großen deutschen Werkzeugmaschinenhersteller auch in diesem Jahr auf ihren Hausausstellungen ihre Innovationskraft zur Schau gestellt. Es ist beeindruckend zu sehen, wie sie ihre an sich schon reifen Kernprodukte stetig weiterentwickeln – etwa Hermle mit seiner zweiten Maschinengeneration, die Fortschritte bei Konnektivität, Energieeffizienz und Auswerte- und Diagnosemöglichkeiten bietet und jetzt schrittweise für alle Modelle ausgerollt wird.

Neueste Technologie sorgt für optimale Zukunftsfähigkeit

Augenfällig ist aber auch, wie die Automatisierungslösungen im Umfeld der Werkzeugmaschine immer weiter an Bedeutung gewinnen. Wenn etwa Hermle für 2023 in einem herausfordernden Marktumfeld ein Umsatzwachstum von 12 % vermeldet, dann geschieht das nicht ohne den Hinweis, dass das Geschäft mit Automationslösungen, die mit hauseigenen Digitalisierungskomponenten einhergehen, einmal mehr besonders erfolgreich gewesen sei.

Über 50 % der Hermle-Produkte werden heute mit Automationslösungen ausgestattet. Damit stehen die Gosheimer nicht alleine da. „Neben Werkzeugmaschinen ist es immer wichtiger, dass man auch Automatisierungstechnik anbietet“, bestätigt Dr. Claus Eppler, Cheftechnologe bei der Chiron Group. Eine Werkzeugmaschine ohne Automatisierung sei heute im europäischen, aber auch im amerikanischen oder asiatischen Umfeld schwer zu verkaufen. „Nahezu 100 % unserer Maschinen gehen entweder mit einer Automatisierungslösung aus dem Hause Chiron, oder aber zumindest mit einer Automatisierungsschnittstelle ins Feld.“

Die Tuttlinger haben früh auf das Geschäft mit schlüsselfertigen Anlagen – sogenannten Turnkey-Lösungen – gesetzt. Heute machen kundenspezifische Lösungen etwa 50 % des Gesamtvolumens im Neumaschinengeschäft aus. Und auch dort sind 80 % in irgendeiner Form mit einer Automatisierung verknüpft.

Automationslösungen aus einer Hand

Haben die Maschinenhersteller hier in der Vergangenheit mit Systempartnern zusammengearbeitet, so bieten sie zunehmend eigene Automatisierungslösungen an, die von Roboterzellen über Speichersysteme bis hin zu mobilen Beladekonzepten reichen und auch die notwendige Software zur Steuerung mitbringen. Alles aus einer Hand – das senkt den Integrationsaufwand für den Kunden, schafft aber vor allem auch zusätzliche Wertschöpfung für den Maschinenbauer.

Bei Hermle hat man dieses Potenzial früh erkannt. Vor gut 25 Jahren wurde mit der Hermle-Leibinger Systemtechnik eine Tochterfirma für die kundenindividuelle Automatisierung gegründet. 2018 übernahm die Hermle AG die kompletten Anteile der HLS, die ein Jahr später zur HLS Hermle Systemtechnik GmbH umfirmierte und heute rund 120 Mitarbeiter beschäftigt.

„Seit 2008 machen wir unsere Automatisierungslösungen in eigener Regie“, berichtet auch Thomas Marquardt, Leiter Automatisierung bei Chiron. „Wir sind mit 3 Mitarbeitern gestartet, heute sind es um die 40, die sich um das Thema Automation kümmern.“ Dabei spielen nicht nur mechanische und elektrische Komponenten eine Rolle, sondern auch die Software. Dieses Zusammenspiel war auf dem Open House am Beispiel einer hochproduktiven Anlage zu sehen, bei der bereits die Maschine als Doppelspindler ausgeführt ist. Werkstücke lassen sich hauptzeitparallel zur Bearbeitung zuführen. Zum rüstfreien Wechsel auf ein anderes Produkt wird einfach die Spannvorrichtung ausgetauscht. Das Ganze wird gesteuert über ein Leitsystem, in das der Kunde seine Aufträge einbuchen kann. „Mit auftragsgesteuerter Bearbeitung den besten Nutzen für den Kunden herauszuholen, ist ein großes Thema für uns“, so Marquardt. „Wir können so ein hochproduktives System rüstfrei zur Verfügung stellen. Und das Ganze lässt sich auch auf Einzelteilfertigung ausbauen.“

Chiron bietet aktuell drei Automatisierungsvarianten an: Die Variocell Uno ist eine integrierte Roboterzelle, die direkt der Maschine verbunden wird. Wem das standardisierte Konzept nicht ausreicht, für den gibt es sogenannte Systemlösungen. Ein Baukasten stellt dann unterschiedliche Funktionen bereit, die bedarfsorientiert zu einer auf ihn passenden Automationslösung kombiniert werden.

Auch einfache Lösungen sind gefragt

Neu ist die Variocell-Move-Reihe, laut Hersteller eine hochflexible, einfach zu bedienende Automation für Jobshopper, die ohne große Programmierkompetenz eingesetzt werden kann. „Diese Automatisierungszelle kann nicht nur an Chiron-Maschinen stehen, sie besitzt eine relativ allgemeingültige Schnittstelle“, sagt Eppler. „Sie ist sehr mobil, wir können die Variocell Move von Maschine zu Maschine schieben. Der Roboter teacht sich nahezu eigenständig ein. Wir brauchen keinen Schutzzaun. Entweder läuft sie entsprechend langsam oder über Scanner abgesichert. Und bei der Werkstückablage sind wir auch sehr flexibel und offen.“ Neben All-in-one-Zellen, die mehr oder weniger alles können, seien solche einfachen Automationszellen ein weiterer Trend. Auch aufgrund des Facharbeitermangels würden sie sich in Zukunft durchsetzen.

Integrierte Automationslösungen sind auch für Index ein wichtiges Feld. Auf ihrer Hausausstellung demonstrierten die Esslinger, wie eine vollautomatisierte Fertigungslösung aussehen kann. Dafür ergänzen die Zerspanungsexperten ihr Dreh-Fräszentrum G320 mit einer Roboterzelle iXcenter, die unter anderem eine Mess-/Prüfstation mit dem Renishaw Equator enthält. Zusammen mit entsprechender Messsoftware und der Index-Closed-Loop-Schnittstelle ermöglicht diese Ausstattung eine langfristig automatisierte Prozessführung.

Vollautomatisiert komplettbearbeiten

Ein Rundum-Sorglos-Paket in Sachen Automatisierung verspricht Grob: Die Mindelheimer setzen auf das Zusammenspiel von Bearbeitungszentren, Roboterzellen und Palettenspeichersystemen, die flexibel kombinierbar sind. Teile- und Werkstückhandling als Gesamtkonzept, lautet die Devise. Auf seiner Hausmesse zeigte Grob die Bandbreite an Palettenspeichern, in Kombination mit seinen Universalbearbeitungszentren. Von den größeren Ausführungen wie einem PSS-R900, PSS-R1800 und PSS-L2700 bis hin zu einem PSS-T300 und PSS-R300, die eher zu den kleineren Baugrößen gehören. Ergänzt wird das Ganze durch die Leitsoftware Grob4Automation, die für Palettenspeichersysteme und Roboterzellen eingesetzt werden kann. Sie bietet laut Hersteller eine innovative Bedienoberfläche mit Drag-and-drop-Funktionen, die eine benutzerfreundliche Auftragsplanung und -steuerung ermöglicht.

AGV: mehr als nur Werkstückhandling

Mit Grob Mobile Robot bietet der Hersteller zudem auch ein AGV an. Das fahrerlose Transportsystem, das auf der EMO 2023 Premiere feierte, vereinfacht das Paletten- und Werkzeughandling und ermöglicht so eine effiziente und intelligente Materialbewegung.

Fahrerlose Transportsysteme sind ein weiterer Baustein, um die Werkzeugmaschine autonomer vom menschlichen Eingriff zu machen. Dabei können die AGVs durchaus mehr tun, als nur die Rohteile in der Maschine zur Verfügung zu stellen und Fertigteile abzuholen. Im Bestreben, auch bei komplexen Bearbeitungen mannlose Schichten zu fahren, wachsen ja nicht nur Paletten-, sondern auch Werkzeugspeicher immer mehr. Da kann man sich durchaus die Frage stellen: Macht es Sinn, an einer Maschine Werkzeugspeicher für 250 bis 500 Werkzeuge bereitzustellen, die viel Kapital binden, oder aber über ein fahrerloses Transportsystem bedarfsgerecht Werkzeuge nachzufüttern.

Klar ist: Automatisierung steht zuallererst für Produktivitätssteigerung. Wie hole ich die maximale Spindelleistung aus meiner Maschine heraus? Aber es wird auch immer mehr deutlich: Was mache ich, wenn ich keinen mehr finde, der sie bedient? Neben steigendem Kostendruck und geopolitischen Unsicherheiten ist der Fachkräftemangel eine der großen Belastungen für den deutschen Maschinenbau. Nach Zahlen des Beratungshauses PWC stufen aktuell 70 % der Unternehmen diesen Punkt als ein ernstes Wachstumshindernis ein.

Für Gregor Großhauser, Vertriebsleiter bei Handlingtech, ist Automatisierung ein Schlüssel, um diesem Problem zu begegnen. Dabei gelte es, die Faktoren Qualität, Zeit und Kosten in Einklang zu bringen. Mit den Baureihen ecoZ, SRZ und palletZ haben die Steinenbronner Experten Roboterzellen unterschiedlicher Größe im Portfolio, die umfangreiche Individualisierungsmöglichkeiten bieten.

Es muss nicht immer ein Cobot sein

Im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel kommt oft die kollaborative Robotik ins Spiel: Cobots können Mitarbeiter bei der Arbeit unterstützen. Doch genau diese Anforderung macht sie auch wieder kompliziert und teuer. Im Fertigungsumfeld geht es jedoch primär darum, den menschlichen Bediener zu ersetzen, den man nicht mehr bekommt – oder sich nicht mehr leisten kann.

Dass es auch einfacher geht, zeigte Handlingtech auf seiner Hausausstellung Ende Februar: Für den Einstiegssektor präsentierte das Unternehmen sein Kompaktsystem Concept.leanZ – einen flexiblen Helfer für die Fertigung. Mit 1200 x 800 mm Stellfläche nimmt er gerade einmal den Raum einer Europalette ein. Ausgerüstet mit Rollen und Hubfunktion, lässt er sich überall in der Fertigung einsetzen. Zwei Sicherheits-Laserscanner bieten eine 360-Grad-Absicherung. So braucht es weder einen Zaun noch eine aufwendigere Cobot-Lösung.

Das System ist mit einem Roboter des Münchner Start-ups Robco ausgerüstet. Dank seines modularen Aufbaus lässt er sich hinsichtlich Reichweite, Traglast und Achszahl einfach umrüsten. Der Roboter kann intuitiv über ein Tablet programmiert und bedient werden. Die Lösung unterstützt diverse Aufnahmen für Prozessmodule und ist offen für Erweiterungen, etwa mit einem Kamerasystem.

Auch der Fertigungssoftware-Hersteller EVO hat es sich auf die Fahnen geschrieben, den Einsatz mobiler Robotik in der Zerspanung voranzubringen. Dazu kooperiert das Unternehmen mit dem Automatisierungsexperten IAR Group und seinem Schwesterunternehmen Bachmann Engineering. Die Partner wollen Komplettlösungen für den Einsatz von Mobilrobotern in der spanenden Fertigung entwickeln. „Viele zerspanende Betriebe haben die Zuführ- und Handhabungsprozesse für Werkstücke an Maschinen schon automatisiert“, sagt EVO-Geschäftsführer Jürgen Widmann. „Jetzt ist die Zeit gekommen, um den Transport zu automatisieren. Damit steigern Unternehmen ihren Output in mannlosen Schichten, ohne große Speicher an den Maschinen vorhalten zu müssen.“

EVO und IAR kooperieren bei Mobilrobotik

CNC-Integration vereinfacht Roboter-Handling

Ob Roboterzelle, AGV oder einfaches Handlingsystem: Dass die Automatisierung im Werkzeugmaschinenbereich boomt, liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Lösungen immer flexibler im Einsatz werden und dass der Integrationsaufwand sinkt. Dazu tragen auch die Automatisierungsspezialisten bei: Hersteller wie Kuka, Mitsubishi oder Fanuc bieten mittlerweile Lösungen an, die immer weniger Kenntnisse in der spezifischen Roboterprogrammierung erfordern. Und auch steuerungsseitig wird das unterstützt. Kein Teach Pendant mehr in die Hand nehmen zu müssen, sondern den Roboter von der gewohnten CNC-Umgebung aus steuern zu können , ist für Maschinenbediener ohne Frage ein Plus.

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