Beim Ausblick auf das Jahr 2023 stützt sich Stefan Zecha auch auf die Prognosen des VDMA Präsidenten Karl Haeusgen aus dem Dezember 2022: „Die hohe Inflation und der Ukraine-Krieg mit all seinen Folgen werden uns noch lange belasten“. Auch der teure Tarifabschluss aus dem November 2022, die anhaltenden Materialengpässe und die Schwierigkeiten in der Lieferkette würden die Wachstumserwartungen dämpfen. Zudem belasten die zunehmenden protektionistischen Maßnahmen einzelner Staaten das zu erwartende Ergebnis.
Dennoch blickt Stefan Zecha durchaus zuversichtlich in das Jahr 2023: „Das Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft sehen wir zum Beispiel als eine große Chance.“ Denn mit dem zunehmenden Einsatz von erneuerbaren Energien steigt auch der Bedarf an mechanischen Bauteilen und somit auch der Bedarf an Zerspanungswerkzeugen. Ebenso würde die anstehende Auslieferungswelle an Fräs- und Drehmaschinen ein willkommener Indikator für eine steigende Nachfrage an Werkzeugen sein.
Amerikageschäft lief stark
Im zurückliegenden Geschäftsjahr war vor allem der amerikanische Markt ein deutlicher Wachstumsfaktor für die gesamte Branche. „Von Nord- über Mittel- bis nach Südamerika zeigten sich dort alle wichtigen Märkte sehr nachfragefreudig“, bestätigt Gerhard Knienieder, Vorsitzender der Fachabteilung Gewindewerkzeuge. Besonders hervorzuheben sind dabei die gestiegenen Lieferungen in den größten Einzelmarkt für die Präzisionswerkzeuge-Industrie, die USA: Die Lieferungen in die Vereinigten Staaten stiegen in den ersten zehn Monaten 2022 um 19 Prozent. Kanada legte sogar um 21 Prozent zu. Mexiko fragte 15 Prozent mehr Werkzeuge nach und Brasilien 13 Prozent.
Das erfreuliche Wachstum auf dem US-Markt stützt sich dabei gleich auf mehrere positive Entwicklungen. So sind die Produktionszahlen der dortigen Automobil- sowie Luftfahrtunternehmen im Jahr 2022 deutlich gestiegen. Zudem haben die gestiegenen Energiekosten dafür gesorgt, dass die Fracking-Aktivitäten in den USA wieder zugenommen haben. Auch ist der Bereich der Verteidigungsindustrie deutlich gewachsen. Hinzu kommt der Sondereffekt in der US-Bauindustrie, ausgelöst durch die Subventionen von rund zwei Billionen US-Dollar. Für Gerhard Knienieder weist die Summe an positiven Faktoren auf einen langfristigen Wachstumstrend in den USA hin.
Geschäft mit China schwächelt
Schwach blieb dagegen laut Knienieder das Geschäft mit China. Es lag um fünf Prozent unter dem Vergleichszeitraum von 2021. Die Nachfrage aus dem Reich der Mitte hatte schon Ende 2021 deutlich an Schwung verloren und diese negative Entwicklung setzte sich über das Jahr 2022 fast bis zum Jahresende fort. „China ist für unsere Branche der zweitwichtigste Auslandsmarkt, der mit dazu beiträgt, die Beschäftigung in unseren Unternehmen in Deutschland zu sichern. Daran wird sich in nächster Zeit auch nichts ändern, auch wenn die geopolitischen Entwicklungen alle beschäftigen“, ergänzte Knienieder.
Deutlich besser liefen dagegen andere ostasiatische Märkte. Die Lieferungen nach Korea, Taiwan und Japan konnten deutlich zulegen und sorgten für eine insgesamt ausgeglichene Bilanz im Ostasiengeschäft. Auch Indien entwickelte sich wieder positiv und trug mit einem Wachstum um 15 Prozent zum Exporterfolg bei.
Deutschland bleibt weiterhin hinter Vorkrisenniveau
Verhalten war auch die Nachfrage auf dem Europäischen Kontinent. Hier gingen die Lieferungen an die deutschen Nachbarländer insgesamt um 2,5 Prozent zurück. Diese schwächere Entwicklung zeigte sich praktisch in allen wichtigen europäischen Märkten gleichförmig. Österreich, Italien, Spanien, Frankreich, Polen, Ungarn und Tschechien lagen alle einstellig im Minus. Der Absatz in Deutschland konnte leicht gesteigert werden. Hier steht insgesamt ein einstelliges Plus zu Buche. Allerdings bleibt der Heimatmarkt weiterhin unter dem Vorkrisenniveau.