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Mittelständler auf dem Rückzug

KfW-Studie: Unternehmer altern, Gründungsinteresse sinkt, Nachfolgesuche wird schwieriger
Mittelständler auf dem Rückzug

Geht dem deutschen Mittelstand die Luft aus? Die Ergebnisse einer KfW-Studie geben Anlass zur Sorge. Danach ist die Zahl der mittelständischen Unternehmer in Deutschland, die ihren Rückzug planen, gestiegen. 6 % suchen bis Ende 2024 eine Nachfolgelösung – bis 2027 sollen es fast dreimal so viele sein. Die Gründe sind nicht zuletzt demografischer Natur: 30 % der Unternehmer sind älter als 60 Jahre. Zugleich sinkt die Zahl Gründungsinteressierter seit Jahren. Immerhin: Trotz des Nachfolgeengpasses sind drei Viertel der Übergaben bis Ende 2024 geregelt. Dr. Frank-Michael Kieß

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Die Rückzugsplanungen mittelständischer Unternehmer in Deutschland nehmen Fahrt auf, wie das Nachfolge-Monitoring Mittelstand von KfW Research zeigt. Allein in der kurzen Frist bis zum Ende des laufenden Jahres 2024 planen danach rund 224 000 Inhaber im Mittelstand ihren Abschied und streben dabei an, das Unternehmen in die Hände eines Nachfolgers zu legen. Das entspricht 6 % Prozent der insgesamt 3,81 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen.

125 000 Unternehmensnachfolgen pro Jahr

Erfreulich ist immerhin, dass so viele nachfolgesuchende Unternehmen wie noch nie weit vorangeschritten sind im Nachfolgeprozess: 41 % von ihnen haben die Nachfolgeregelung bereits unter Dach und Fach. Weitere 31 % befinden sich schon in Verhandlungen. Dennoch: „Die Nachfolgelücke im Mittelstand wächst“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Wir sprechen jetzt schon von rund 125 000 Unternehmen, die nach dem Wunsch der aktuellen Inhabergeneration übergeben werden sollen – und das jedes Jahr.“ Der demografische Wandel lasse die Zahl älterer Inhaber, die sich mit Nachfolgegedanken tragen, zunehmen. „Bereits jetzt ist jeder Dritte von ihnen mindestens 60 Jahre alt – das sind weit mehr als eine Million.“

Gleichzeitig fehlten aber mögliche Nachfolger, was die Hürden und Anforderungen für die Senior-Generation erhöhe. Daher sei es erfreulich, dass der Planungsstand der derzeitigen Inhaber zuletzt so gut war wie nie zuvor. Doch selbst bei aktivem Engagement gibt es zahlreiche Hürden, an denen Nachfolgeprozesse stecken bleiben oder scheitern können. Die Unternehmen nennen hier am häufigsten das Finden des geeigneten Nachfolgers (74 %), Einigung auf den Kaufpreis (30 %), Bürokratieaufwand (30 %), rechtliche Komplexität (28 %) und Finanzierungsfragen (16 %).

Die Zahlen machen deutlich, dass mehr und mehr Unternehmer sich aktiv mit dem Thema Nachfolge auseinandersetzen. So ist der Anteil derer, die grundsätzlich eine Nachfolgeregelung anstreben, in den vergangenen sechs Jahren von 35 auf 41 % gestiegen. Für einen strukturellen Aspekt ist das eine vergleichsweise starke Veränderung in relativ kurzer Zeit.

Familiennachfolge weiterhin favorisiert

Familieninterne Unternehmensnachfolgen sind nach wie vor die beliebteste Nachfolgevariante: 57 % der Altinhaber wünschen sich, das Unternehmen in die Hände eines Familienangehörigen zu legen. Ein Verkauf des Unternehmens an Externe wird mit 43 % weniger präferiert, ebenso wie die Nachfolge durch Beschäftigte des Unternehmens (28 %) oder einen Miteigentümer (21 %).

Wie man als Familienunternehmen an neues Kapital kommt und dennoch das operative Heft in der Hand behalten kann, zeigt das Beispiel eines traditionsreichen Werkzeugmaschinenherstellers aus Pforzheim. Anfang des Jahres hat die Syngroh Capital GmbH, die Beteiligungsgesellschaft der Unternehmerfamilie Klaus Grohe, eine Mehrheitsbeteiligung von der Unternehmerfamilie Jehle an der Carl Benzinger GmbH erworben. Damit hofft Benzinger, einen langfristig orientierten, unternehmerischen Partner gewonnen zu haben, der fundierte Finanzexpertise und unternehmerische Erfahrung mitbringt.

„Werte wachsen dort, wo Herkunft auf Zukunft trifft“, sagt Richard Grohe, Geschäftsführer von Syngroh Capital. „Mit Familie Jehle und dem Unternehmen Benzinger verbinden uns zahlreiche Gemeinsamkeiten, allen voran langfristiges Denken, die Begeisterung für Qualität und Innovation in der Produktentwicklung und -fertigung und unsere geografischen Wurzeln.“ Rainer Jehle, Geschäftsführer von Benzinger, ergänzt:„Unserer Familie war es immer wichtig, Benzinger generationenübergreifend aufzustellen. Mit Syngroh Capital haben wir einen Investor gefunden, der Benzinger bei seinem weiteren Wachstum unterstützen wird. Zugleich schaffen wir durch den Einstieg langfristig orientierter Partner eine Perspektive für die Unternehmensnachfolge.“

Robert Clausen, Geschäftsführer der Beteiligungsberatungsgesellschaft der Syngroh Capital, pflichtet bei: „Die Transaktion belegt, dass Syngroh Capital ein Profil im Beteiligungsmarkt entwickelt hat, das insbesondere Familien- und inhabergeführte Unternehmen in hochattraktiven Nischenmärkten anspricht. Viele an einer Partnerschaft interessierte Unternehmer kommen auf uns zu, weil sie mehr suchen als nur einen Kapitalgeber. Diesen positiven Zuspruch empfinden wir als große Auszeichnung und als Beleg dafür, mit unserem Ansatz richtigzuliegen.“

Neuer Gründergeist gefragt

Trotz positiver Einzelbeispiele legt die absehbare demografische Entwicklung nahe, dass die Schwierigkeiten zunehmen werden, geeignete Nachfolgekandidaten zu finden: Nicht nur sind die nachfolgenden Generationen aufgrund anhaltend niedriger Geburtenziffern zahlenmäßig kleiner – auch das Interesse an Neugründungen ist seit vielen Jahren rückläufig. Die Präferenz für eine berufliche Selbstständigkeit bleibt laut KfW Research in Deutschland auf einem Tiefpunkt. Nur 23 % der 18- bis 67-Jährigen hätten sich 2022 für die berufliche Selbstständigkeit entschieden. Die Gründe dafür, warum einerseits die berufliche Selbstständigkeit an Attraktivität verloren hat, andererseits aber Gründungsbereitschaft fehlt, ähneln sich. Die häufigsten sind Sicherheitsbedürfnisse, Bürokratie und Kapitalmangel.

Die für die Gründung notwendigen Ökosysteme entstehen typischerweise entweder in langen Jahren der intensiven Aufbau- und Netzwerkarbeit an Orten, die auch mit einer ausreichend kritischen Masse an Erfindungen, Erfindern und einer Portion Pioniergeist ausgestattet sind. Oder aber man schiebt mit staatlichen Fördermitteln etwas an. Das hat die Bundesregierung aktuell erkannt und versucht, mit dem Leuchturmprojekt Startup Factories die Gründerszene in Deutschland anzukurbeln (siehe Kasten). Ob das allein allerdings reichen wird, um die Grundlage für ein „Wirtschaftswunder 2.0“ zu schaffen, bleibt abzuwarten.

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