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Dr. Jochen Kress: „Elektromobilität wird unser wichtigster Markt“

Interview mit dem geschäftsführenden Gesellschafter der Mapal-Gruppe
Dr. Jochen Kress: „Elektromobilität wird unser wichtigster Markt“

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Mit der Ausrichtung auf die vier Fokusmärkte Automotive, Werkzeug- und Formenbau, Aerospace und allgemeiner Maschinenbau hat die Mapal Gruppe in den vergangenen Jahren einen großen Transformationsprozess durchlaufen. Wie Mapal in Zukunft weiter wachsen will und wo weitere Entwicklungschancen liegen, darüber sprach die mav mit Dr. Jochen Kress, geschäftsführender Gesellschafter der Mapal Gruppe. Das Interview führte: Frederick Rindle

mav: Das Geschäftsjahr 2022 verlief für die Mapal-Gruppe insgesamt sehr erfolgreich: Der Umsatz stieg um 6,5 Prozent auf 558 Millionen Euro. Wie ist das Jahr 2023 für Mapal wirtschaftlich gestartet?

Kress: Wir sind gut in das laufende Jahr gestartet und liegen mit unseren Zahlen derzeit im Plan. Grundsätzlich läuft es in allen Unternehmensbereichen erfreulich gut. Eine Ausnahme bildet allerdings der chinesische Markt. Durch den dortigen Lockdown zu Beginn des Jahres ist die chinesische Wirtschaft eingebrochen und die Erholung dauert momentan länger als von vielen angenommen.

mav: Die Signale aus der deutschen Industrie werden zunehmend pessimistischer, was die wirtschaftlichen Entwicklungschancen angeht. Wie sehen Ihre Prognosen für die Mapal-Gruppe für das zweite Halbjahr 2023 aus?

Kress: Aktuell gehen wir von einer guten zweiten Jahreshälfte aus. Das würde bedeuten, dass wir im Gesamtjahr sogar etwas stärker wachsen würden als im Vorjahr. Konkret planen wir mit einem Wachstum von sechs bis sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit würde sich der Gruppenumsatz auf 580 bis 590 Millionen Euro verbessern. Obwohl bei uns die Anfragetätigkeit derzeit gut ist, spüren aber auch wir, dass die Unsicherheit weltweit zunimmt.

Innovative Werkzeuge von Mapal auf der EMO 2023

mav: In welchen Branchen läuft es aus Ihrer Sicht momentan nicht so rund?

Kress: Da muss ich mich auch auf die allgemein bekannten Zahlen verlassen. Deshalb sehe ich im Moment in Deutschland auch die Bauindustrie am stärksten von der Zinserhöhung betroffen. Ebenso ist der private Konsum zurückgegangen, was die Automobilindustrie schon zu spüren bekommen hat.

mav: Wo sehen Sie noch Wachstums- und Entwicklungschancen für Mapal?

Kress: Grundsätzlich bietet der globale Markt für Mapal noch ein sehr großes Wachstumspotenzial. Generell findet Wachstum aber vor allem dort statt, wo die Bevölkerung und das durchschnittliche Haushaltseinkommen wachsen. Das sehen wir derzeit in den USA, in Südostasien, in Mexiko und auch in Indien.

mav: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Wachstumshemmnisse für die Wirtschaft in Deutschland?

Kress: Zum einen greifen bei uns die klassischen Wachstumstreiber, sprich das Wachstum der Bevölkerung und des frei verfügbaren Einkommens, momentan nicht. Zum anderen sind es die zunehmenden bürokratischen Anforderungen, die das Wirtschaftswachstum in Deutschland bremsen. Dabei sollte man nicht nur die bereits bestehenden Unternehmerpflichten wie die Entsenderichtlinie, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder das Hinweisgeberschutzgesetz im Blick haben. Denn aktuell kommt mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Finanzberichterstattung gleichstellt, eine weitaus umfangreichere Richtlinie hinzu. Jede einzelne Anforderung hat ihre Berechtigung, aber in der Summe bindet deren Umsetzung einfach zu viel Arbeitszeit, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden könnte. Eine Folge davon ist, dass es Deutschland derzeit insgesamt an Schwung fehlt.

mav: Was müsste passieren, damit das wieder besser wird?

Kress: In Deutschland stehen derzeit viele wichtige Entscheidungen gleichzeitig an. Wenn wir weiterhin versuchen, alles bis ins kleinste Detail durch Gesetze und Normen zu regeln, verschwenden wir einfach zu viel Arbeitszeit und Energie. Wir sollten deshalb zu einem Ansatz zurückkehren, der das angestrebte Ziel in den Vordergrund stellt. Zu enge Vorgaben kosten nicht nur Arbeitszeit, sie verhindern auch viele gute Ideen. Ein „Weiter so“ kann es an dieser Stelle aus meiner Sicht nicht geben. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens über die Ziele und Vertrauen in die Akteure, damit wir die vielen Herausforderungen, die vor uns liegen, gemeinsam meistern können.

mav: Haben Sie das Gefühl, dass die Standorttreue gerade von Familienunternehmen, zu denen auch Mapal gehört, in der Politik geschätzt wird?

Kress: Mit unserem Hauptsitz in Aalen haben wir das Privileg, in einer Region tätig zu sein, die eine lange und tief verwurzelte Industriekultur hat. Die Zusammenarbeit zwischen Politik, Verbänden, Wissenschaft und der Wirtschaft ist hier traditionell sehr gut.

mav: Auf der anderen Seite des Globus hat Mapal India kürzlich seinen Hauptsitz in Coimbatore deutlich erweitert. Welche Entwicklungen erwarten Sie in Indien bzw. auf dem asiatischen Markt?

Kress: Grundsätzlich sehen wir Indien als Wachstumsmarkt. Denn wir finden dort mehrere Faktoren, die für ein Wachstum auf dem Subkontinent sprechen. Ein wichtiger Standortfaktor ist für uns zum Beispiel die junge, gut ausgebildete und englischsprachige Bevölkerung. Zudem versucht sich die indische Regierung in den aktuellen Krisen als neutrales Land zu positionieren, was zu einem weiteren Aufschwung führen kann.

mav: Mit der Fokussierung auf die Branchen Automotive/Elektromobilität, Werkzeug- und Formenbau, Aerospace und allgemeiner Maschinenbau hat Mapal eine Transformation in der internen und externen Ausrichtung vollzogen. Welche Auswirkungen hat dieser Wandel?

Kress: Wie Sie richtig sagten, war das für uns auch ein Signal, uns intern neu aufzustellen. Denn um in einem Markt erfolgreich zu sein, muss man mehr können als nur die richtigen Produkte im Portfolio zu haben. Man muss den Markt verstehen, seine Sprache sprechen und auch seine internen Prozesse darauf ausrichten. Wir haben uns jetzt auf diese vier Branchen fokussiert und sehen das auch als langfristiges Engagement. Denn nur so können wir das notwendige Vertrauen unserer Kunden gewinnen und ihnen die Lösungen anbieten, die sie für ihre konkreten Bedürfnisse benötigen.

Von der Gewichtung her bleibt für uns die Automobilindustrie mit einer klaren Ausrichtung auf Elektromobilität der wichtigste Markt. Erfreulich ist, dass wir im Bereich der E-Mobilität vor allem in Europa sehr gut vorangekommen sind. In der Luftfahrtindustrie profitieren wir derzeit wie alle vom anhaltenden Aufschwung. Nach dem tiefen Tal während der Corona-Krise erleben wir hier einen Aufwärtstrend, der die Zukunftsaussichten für diese Branche noch positiver ausfallen lässt, als wir das vor Corona gedacht hätten. Hinzu kommt, dass wir nun neben Werkzeugen für die Montage auch Lösungen für die Fertigung von Bauteilen für die Luftfahrtindustrie anbieten. Im Bereich des allgemeinen Maschinenbaus konzentrieren wir uns auf die Fluidtechnik und hier insbesondere auf die Hydraulik. Der Werkzeug- und Formenbau funktioniert für uns in Teilen schon gut, aber noch nicht in der Breite. Hier haben wir jetzt aber unsere Hausaufgaben gemacht und können nun für die große Masse der Anwendungen auch schnell verfügbare Lösungen anbieten. Generell erwarten wir in allen unseren vier Fokusmärkten ein überproportionales Wachstum im Vergleich zur Gesamtwirtschaft.

mav: Für die Bearbeitung welcher Materialien bietet Mapal Werkzeuglösungen für die Luftfahrt an?

Kress: In der Flugzeugmontage werden mit unseren Werkzeugen hauptsächlich Nietlochbohrungen in die unterschiedlichsten Materialkombinationen eingebracht. Dabei handelt es sich beispielsweise um Bauteile, die aus verschiedenen Lagen von Aluminium, CFK und/oder Titan kombiniert mit weiteren Deck- und Zwischenlagen bestehen. In der Bohrbearbeitung dieser Schichtwerkstoffe sind wir traditionell sehr stark. Im Bereich der Teilefertigung beschäftigen wir uns schon seit längerem mit der Herstellung von Bauteilen für Pumpen oder auch für das Fahrwerk. Neu hinzugekommen sind für uns Strukturbauteile aus Aluminium, Titan oder auch CFK.

Speziell für die CFK-Bearbeitung haben wir in Zusammenarbeit mit unserer Tochtergesellschaft sp3 aus dem Silicon Valley in den USA eine neue CVD-Diamant-Beschichtung entwickelt. Das Besondere daran ist, dass es uns damit erstmals gelungen ist, unsere OptiMill-Composite-Speed-Plus-Fräser so zu beschichten, dass die CVD-Diamantschicht gleichmäßig über die gesamte Schneidkantenlänge aufgebracht wird. Durch diese Homogenität erreichen wir eine sehr hohe Prozessstabilität, was ja gerade in der Luftfahrtindustrie sehr von Bedeutung ist. Hinzu kommt, dass auch die Kernwerte des Fräsers wie Hochleistungssubstrat, Nutenprofil und Schneidkeil für die CFK-Bearbeitung optimiert sind. Insgesamt bietet der OptiMill-Composite-Speed-Plus-Fräser somit ein rundum gelungenes Paket für die CFK-Bearbeitung.

mav: Bauteile für die Elektromobilität sind in den letzten Jahren immer präziser und anspruchsvoller in der Bearbeitung geworden. Setzt sich diese Entwicklung fort?

Kress: Mein Gefühl ist, dass wir uns einer Grenze nähern. Wir haben in der Elektromobilität in den letzten Jahren eine relativ typische Entwicklungskurve gesehen: Die Bauteile werden zwar im Laufe der Zeit immer komplexer, aber die Toleranzen bleiben eher gleich. Dahinter stecken vielleicht zwei Entwicklungen, die sich gegenseitig aufheben. Einerseits kennt man die Bauteile inzwischen besser und kann Toleranzen, die bei der ersten Auslegung vielleicht zu eng gewählt wurden, wieder aufweiten. Andererseits werden, wenn die Bauteile in Großserie produziert werden sollen, die Toleranzen wieder enger gesetzt. In Summe heben sich diese beiden Effekte derzeit gerade auf.

mav: Für anspruchsvolle Bauteile der Elektromobilität hat Mapal Lösungen für unterschiedliche Bearbeitungsanforderungen vorgestellt. So gibt es Basic-, Performance- und Expert-Werkzeuge. Wie wird das Angebot vom Markt angenommen?

Kress: Unsere Kunden erwarten zu Recht, dass wir ihnen eine maßgeschneiderte Lösung für ihre Bearbeitung anbieten. Das zeichnet Mapal ja auch aus, dass wir dem Kunden keine Standardlösung präsentieren, sondern eine auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Lösung. Mit den drei Klassen Basic, Performance und Expert haben wir jetzt die Möglichkeit, nach innen und außen zu signalisieren, welche Anforderungen an das Werkzeug gestellt werden. Denn es muss natürlich unterschieden werden, ob das Werkzeug im Prototypenbau, in der Kleinserienfertigung oder in der Großserienfertigung mit bis zu 500 000 Stück pro Jahr eingesetzt werden soll. Dieses Konzept hilft uns, für jeden Bedarfsfall die richtige Werkzeuglösung anzubieten, was auch von unseren Kunden geschätzt wird.

mav: Sie haben immer wieder deutlich gemacht, dass das Thema Nachhaltigkeit für Sie persönlich eine große Rolle spielt. Was hat sich bei Mapal in Sachen Nachhaltigkeit in letzter Zeit getan?

Kress: Zunächst muss ich immer noch sagen, ja, auch wir tun noch zu wenig in Sachen Nachhaltigkeit, obwohl wir gerade im Umweltschutz an allen Standorten weltweit schon zahlreiche Verbesserungen umgesetzt haben. So produziert zum Beispiel der neue Produktionsstandort in Indien ein Drittel seiner Energie selbst. Manche anderen Standorte sind rechnerisch bereits komplett energieautark. Am Stammsitz in Aalen werden wir ebenfalls in den Umweltschutz investieren. So werden hier in den nächsten zwölf Monaten Solaranlagen und Wärmepumpen mit einem Gesamtvolumen von rund vier Millionen Euro installiert. Darüber hinaus setzen wir in Aalen Erdgas nur noch zur Wärmeerzeugung und nicht mehr als Prozessgas ein. Um das realisieren zu können, haben wir unter anderem in der Härterei in eine moderne Laserhärteanlage investiert.

So kommen bei Mapal kontinuierlich mehr und mehr Projekte und Themen hinzu, mit denen wir unsere Nachhaltigkeitsbilanz weiter verbessern. Für mich ist das auch ein Zeichen dafür, dass das Bewusstsein für eine nachhaltigere Unternehmensführung bei allen Mapal-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern angekommen ist und jeder weiß, dass er etwas tun kann und muss. So stellen wir beispielsweise unseren Fuhrpark kontinuierlich auf Elektrofahrzeuge um und unsere Werkzeugverpackungen werden auf ein Recyclat umgestellt. Unser Ziel ist es, irgendwann wirklich CO2-neutral zu sein.

Aber natürlich wollen wir auch unsere Kunden dabei unterstützen, mit unseren Werkzeugen effizienter und damit nachhaltiger produzieren zu können. Wichtig hierbei ist, dass die eigentliche Zerspanungsleistung bei der Betrachtung des Gesamtenergieverbrauchs bei den meisten Prozessen eine untergeordnete Rolle spielt – außer vielleicht beim Schruppfräsen. Das bedeutet, dass eine schnellere Bearbeitung zu einem geringeren CO2-Fußabdruck pro Bauteil führt. Entsprechend werden wir unsere Kunden unterstützen, ihre Prozesse nachhaltiger zu gestalten.

mav: Mit Marvin Schuster und Philipp Raab haben zwei Mechatroniker von Mapal 2022 die Weltmeisterschaft im Bereich „Robotic Systems Integration“ gewonnen. Was macht die Ausbildung bei Mapal so erfolgreich?

Kress: Eine gute Ausbildung zu ermöglichen, ist bei Mapal seit jeher eine Herzensangelegenheit. Für die Ausbildung investieren wir gerne in Auszubildende, Ausbilder und in die technische und räumliche Ausstattung – und das nicht nur hier am Stammsitz, sondern auch an den Standorten im Ausland. Schließlich basiert der Erfolg von Mapal ganz wesentlich auf dem Wissen und Können unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Deshalb haben wir uns natürlich sehr gefreut, dass unsere Mitarbeiter Marvin Schuster und Philipp Raab die Weltmeisterschaft der Robotik gewonnen haben. Diese wirklich beeindruckende Leistung haben sich die beiden mit viel Arbeit und persönlichem Engagement hart erarbeitet. Wir als Unternehmen haben sie dabei gerne unterstützt, aber in erster Linie gebührt dieser Erfolg den beiden selbst.

Mapal Dr. Kress KG
www.mapal.com
EMO Halle 4 Stand A18


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