mav: Sie sind nun seit knapp einem Jahr Präsidentin von Sandvik Coromant. Was haben Sie seitdem im Unternehmen angestoßen?
Blomqvist: Es ist eine große Herausforderung die Leitung eines global aufgestellten Unternehmens während einer Pandemie zu übernehmen. Denn natürlich wäre ich viel lieber schnellstmöglich zu allen Sandvik-Coromant-Standorten gereist, um dort von Angesicht zu Angesicht mit den Menschen zu sprechen. Ich denke aber wir haben mithilfe der digitalen Medien das Beste aus der Situation gemacht.
Momentan konzentriere ich mich darauf, die Zukunftsstrategie für Sandvik Coromant zu konkretisieren. Dabei liegt ein Schwerpunkt darauf, als Marktführer im Bereich der Präzisionswerkzeuge auch zukünftig weiter zu wachsen. Hierfür haben wir einen klaren Plan erarbeitet und werden diesen jetzt konsequent umsetzen.
mav: Können Sie uns sagen, wo und wie Sandvik Coromant wachsen möchte?
Blomqvist: Wir fokussieren uns dabei zunächst auf ein rein organisches Wachstum. Das heißt, wir wollen weiter Marktanteile gewinnen und zeigen, dass wir als Komplettanbieter für die meisten Anwendungen die produktivste Lösung parat haben. Zusätzlich wollen wir aber auch durch Akquisitionen wachsen. Hierfür haben wir uns schon ganz klar definierte Bereiche herausgesucht, in denen wir unser Angebot durch Zukäufe ausbauen möchten.
Das Wichtigste ist aber, dass wir verstehen, welche Lösungen unsere Kunden von uns erwarten. Neben dem Wunsch nach der optimalen Bearbeitungsstrategie mit dem besten Werkzeug ist hier neuerdings immer mehr der Anspruch nach einer nachhaltigen Fertigung hinzugekommen. Dieser Trend spielt uns voll und ganz in die Hände. Denn wir arbeiten schon seit vielen Jahren an nachhaltigen Zerspanungslösungen und sind hier mittlerweile sehr gut aufgestellt.
Als weiteren Punkt möchte ich die Bereiche Wissen und Lernen verstärkt ausbauen. Ich selbst komme aus der Forschung & Entwicklung und bin fest davon überzeugt, dass wir nur mit dem richtigen Fachwissen die passenden Antworten auf die zukünftigen Anforderungen unserer sich immer schneller ändernden Welt liefern können. Für meine eigene Weiterbildung habe ich beispielsweise mindestens 90 Minuten pro Woche eingeplant.
Zusammenfassend kann ich sagen, es geht um Wachstum, um Nachhaltigkeit und um lebenslanges Lernen. Das sind die drei Eckpfeiler meines ersten Jahres als Präsidentin.
mav: In welchen Bereichen möchten Sie durch Zukäufe mehr Kompetenzen ins Unternehmen holen?
Blomqvist: Prinzipiell wollen wir sehr früh in die Planungsphase beim Kunden einsteigen. Hierfür wollen wir in Zukunft, neben den schon jetzt verfügbaren, noch weitere digitale Lösungen anbieten können, so dass wir den Kunden von Anfang an bei der Auswahl der richtigen Bearbeitungsstrategie optimal unterstützen können. Nötig ist dafür vor allem die richtige Software, denn nur so kann schlussendlich auch die produktivste Lösung gefunden werden.
mav: Haben Sie für den deutschen Markt eine besondere Strategie?
Blomqvist: Deutschland ist einer unserer wichtigsten Märkte. Von daher produzieren wir unsere Werkzeuge auch ganz bewusst an zwei Standorten hier in Deutschland. Somit können wir die Kundenanforderungen direkt aufnehmen und darauf eingehen. Hier in Renningen haben wir zum Beispiel neben unserer Produktion eines der modernsten Sandvik Coromant Center weltweit eröffnet. An diesem Standort führen wir auch Schulungen und Kundentests durch.
mav: Im Sandvik-Konzern gibt es mit Walter, Seco und Dormer Pramet noch weitere gewichtige Werkzeughersteller. Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen?
Blomqvist: Obwohl alle Unternehmen zum Geschäftsbereich Sandvik Machining Solutions gehören, agieren die Firmen vollkommen eigenständig. Über die Jahre hinweg hat jeder Hersteller so seine Position innerhalb der Branche gefunden und sich eigene Stärken erarbeitet. Aus Sicht des Kunden stehen alle Hersteller in einem klaren Wettbewerber um die beste Lösung.
Ein Teil einer derart starken Gruppe zu sein, hat aber natürlich auch Vorteile. Zum Bespiel können wir in der Forschung und Entwicklung viel voneinander lernen.
mav: Werden in den Fertigungsstandorten von Sandvik Coromant auch Werkzeuge für die anderen Hersteller aus der Sandvik-Familie gefertigt?
Blomqvist: Ja, wir nutzen zum Teil das gruppenweite Fertigungsknowhow, um bestimmte Werkzeugfamilien in der bestmöglichen Weise an einem Standort zu fertigen.
mav: Die Automobilindustrie ist die deutsche Leitindustrie. Wie wird ihrer Meinung nach die Antriebstechnologie der Zukunft aussehen?
Blomqvist: Das ist eine sehr gute Frage. In der aktuellen Situation ist es auch für mich schwierig vorherzusagen, welche Antriebsart sich letztendlich durchsetzen wird. Aber sehr wahrscheinlich wird es eine Mischung aus den verschiedenen grünen Antriebstechnologien werden. Für uns ist es auf der Reise dorthin sehr wichtig, alle Entwicklungen sehr genau zu beobachten. Hierzu stehen wir mit unseren Kunden in engem Kontakt. Aktuell beschäftigen wir uns intensiv mit der Umstellung auf elektrifizierte Antriebe und die Bearbeitung von Leichtbau-Materialien.
mav: Durch den Wechsel zu nachhaltigeren Antriebsarten werden sich bei den OEM die Stückzahlen wahrscheinlich drastisch verringern, zusätzlich werden in immer kürzeren Abständen neue Technologien auf den Markt kommen. Wie reagiert Sandvik Coromant darauf?
Blomqvist: Ich denke, in Zukunft wird es umso wichtiger sein, den direkten Austausch mit den Kunden zu pflegen. Hierfür möchten wir, wie gesagt, ganz früh in die Planung beim Kunden einsteigen. So können wir für jedes Bauteil ganz gezielt die richtige Bearbeitungsstrategie entwickeln und auch auf Änderungen bei den Stückzahlen reagieren. Gerade jetzt, da die Stückzahlen im Bereich der E-Mobilität noch nicht allzu hoch sind, können wir zum Beispiel Lösungen anbieten, mit denen die neuen Komponenten auch auf den bestehenden Maschinen hergestellt werden können.
mav: Welche konkreten Ziele haben Sie beim Thema Nachhaltigkeit mit Sandvik Coromant?
Blomqvist: Wir möchten bis 2030 unseren CO2-Fußabdruck halbieren und eine nahezu vollständige Kreislaufwirtschaft umsetzen. Zudem wollen wir respektvoll mit unseren Mitarbeitern umgehen und in einer für alle Beteiligten fairen Art und Weise Geschäfte machen. Schließlich wollen wir natürlich auch unsere Kunden dabei unterstützen, nachhaltig zu produzieren, und das geht am besten mit effizienten Bearbeitungslösungen und den hierfür optimalen Werkzeugen. Denn mit produktiven Prozessen kann man auch den Energiebedarf erheblich senken.
mav: Hat das Thema Nachhaltigkeit weltweit gesehen einen ähnlich hohen Stellenwert wie hier in Europa?
Blomqvist: Wenn man die drei großen Wirtschaftsräume betrachtet, nimmt Europa aktuell noch eine Vorreiterrolle ein. Aber sowohl in den USA als auch in China wird das Thema mit großer Energie vorangetrieben. Folglich wird dieser Vorsprung schon bald dahinschmelzen.
mav: Die AMB in Stuttgart wird 2022 voraussichtlich das Messehighlight der Branche. Wird Sandvik Coromant dieses Jahr dort vertreten sein?
Blomqvist: Wir sind mit unseren Mitarbeitern und Produkten überall auf der Welt präsent. Aber auf den Messen will Sandvik Coromant nicht mehr mit dem größten Stand vertreten sein. Was nicht heißt, dass wir dort gar nicht mehr zu finden sind. Unser Ziel ist es, mit unseren Kunden auch hier eine große Bandbreite unserer Werkzeuge vorzustellen.
Sandvik Tooling Deutschland GmbH
www.sandvik.coromant.com