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EMO: Dr. Wilfried Schäfer, Dr. Markus Heering, VDW, im Interview

Dr. Wilfried Schäfer, Dr. Markus Heering, Geschäftsführer Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW)
„Die Erwartungen an die EMO sind hoch“

Die Weltleitmesse der Metallbearbeitung steht in den Startlöchern. Welche Top-Themen die Besucher auf der EMO Hannover 2023 erwarten und wie sich die technologische und wirtschaftliche Entwicklung im Werkzeugmaschinenbereich aktuell darstellt, darüber haben wir mit dem scheidenden VDW-Geschäftsführer Dr. Wilfried Schäfer und seinem Nachfolger Dr. Markus Heering gesprochen.
Das Interview führte: Dr. Frank-Michael Kieß

mav: Nach vier Jahren Pause findet nun wieder die EMO in Hannover statt. Mit welchen Erwartungen gehen Sie auf die Messe?

Schäfer: Die Erwartungen sind hoch, weil es weltweit Investitionsbedarf gibt. Der wird nicht nur durch die Nachhaltigkeitsthematik, z. B. die Wärmepumpe, getrieben. Wir sehen auch, dass im Aerospace-Bereich gerade große Verträge mit hohen Stückzahlen unterschrieben wurden, zum Beispiel bei Airbus. Der Umbau der Automobilindustrie stößt ebenfalls Investitionen an. Wir sind durch ein Tal gegangen, in dem es keine neuen Modelle gab. Die kommen jetzt, und dafür braucht man auch Produktionsressourcen. Von daher sehen wir eine gute Perspektive für die EMO.

Ich hörte, dass die Automobilhersteller aktuell auch wieder in neue Verbrenner-Linien investieren …

Schäfer: Das ist so, weil der Bedarf weltweit da ist. Im mittleren Westen der USA beispielsweise kann ich nicht einfach mein Elektrofahrzeug tanken, da komme ich nicht weit. Und die meistverkauften Fahrzeuge in den USA sind ja interessanterweise immer noch großvolumige Pick-up-Trucks.

Heering: Und selbst bei uns sehen wir, dass nach wie vor alle Automobilhersteller das Verbrennergeschäft betreiben. Und dort müssen sie einfach neu investieren, damit die Fertigungsstraßen weiterlaufen. Was für die Elektromobile hinzukommt, sind im Grunde zusätzliche Linien. Es ist nicht so, dass eine Eins-zu-Eins-Substitution stattfindet. Und das wird sicher noch einige Zeit so bleiben.

Wie bewerten Sie die aktuelle Marktsituation im Werkzeugmaschinenbau?

Schäfer: Wir beobachten einen rückläufigen Auftragseingang im Vergleich zum Vorjahr. Aber wir haben andererseits einen hohen Auftragsbestand mit ins Jahr genommen und dadurch ein Wachstum in der Produktion. Wir müssen jetzt abwarten, bis die beiden Zyklen wieder konvergieren.

Drücken die vielen Krisen, die wir aktuell haben, auf die Investitionen?

Heering: Es kommen mehrere Faktoren zusammen. Zunächst einmal sehen wir einen Konsolidierungseffekt, weil wir im vergangenen Jahr einen extrem hohen Auftragsbestand hatten. Das liegt auch daran, das lange Zeit Lieferengpässe bei diversen Zulieferteilen bestanden. Und viele Kunden warten jetzt erst einmal auf die Maschine, die sie vielleicht vor zwölf Monaten bestellt haben, bevor sie neu investieren. Für die Hersteller ist das ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite braucht man wieder mehr Aufträge, auf der anderen Seite ist man vielleicht ganz froh, dass man erst einmal alles abarbeiten kann. Wir sehen aber auch aufgrund der globalen Situation eine gewisse Zurückhaltung, zu investieren. In Europa spielt das Thema Inflation eine große Rolle und erzeugt eine große Unsicherheit.

In den USA scheint es aber besser zu laufen …

Heering: Die USA versuchen seit geraumer Zeit, mit dem Inflation Reduction Act wieder Produktion ins Land zu ziehen. Deshalb ist dort eine größere Investitionstätigkeit zu beobachten. Grundsätzlich sehen wir Investitionen in Technologien wie die Elektromobilität – in China und in den USA, aber durchaus auch in Europa. Und natürlich bietet all das Potenzial, was in Richtung alternative Energien geht.

Ein Faktor, der zunehmend zum Investitionshemmnis werden könnte, ist der Mangel an Fachkräften. Wie gehen Sie als Verband dagegen an?

Schäfer: Wir können keine Fachkräfte herbeizaubern, das ist klar. Wir haben nur die Chance, junge Menschen an die Technologie, an die Arbeitswelt und an die Karrieremöglichkeiten in der Produktionstechnik heranzuführen. Das tun wir seit langem, und wir werden wieder versuchen, viele junge Menschen auf die Messe zu bringen. Das Zweite ist die Ansprache der Ausbilder und Personaler in den Firmen sowie der Berufsschullehrer, ihre Ausbildung modern zu gestalten. Denn auch das bezieht der junge Mensch bei seiner Entscheidung für einen Beruf mit ein. Dazu braucht es neue Lern-Tools, auch neue Lerninhalte. Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit müssen sich ja auch in der Ausbildung wiederfinden. Das werden wir auf der EMO zeigen, mit unserer E-Learning-Plattform. Wir haben etliche Partner wie Festo Didactic und andere, die Content liefern. So werden wir die Möglichkeiten zeigen, wie sich berufliche, aber auch innerbetriebliche Ausbildung attraktiv gestalten lassen.

Was erwarten Sie in puncto Aussteller- und Besucherzahl für die EMO? Man hatte ja bei Messen zuletzt diesen typischen 30-Prozent-Schwund nach Corona …

Schäfer: Das ist jetzt der Effekt des Wieder-Hochfahrens. Wir liegen bei über 1800 Ausstellern. Wie es auf Besucherseite aussehen wird, das ist immer die große Unbekannte. Deshalb macht es wenig Sinn, da eine Prognose abzugeben.

Fürchten Sie, dass nach Corona nachhaltig weniger internationale Besucher, vor allem von anderen Kontinenten, kommen werden?

Schäfer: Dafür gibt es zumindest keine Anzeichen. Die EMO hatte immer einen großen internationalen Besucheranteil. Wir erwarten das auch jetzt wieder.

Welches Thema wird die Messe beherrschen? Viele reden ja gerade über die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Fertigung …

Schäfer: KI ist sicherlich ein Aspekt der datengetriebenen Themen. Klar wird man da zum Teil auch KI einsetzen können, um neue Funktionalitäten zu erzeugen, Informationen abzuleiten, usw. Ich würde sie aber nicht als einzelnen Trend sehen. Ein Trend ist das Thema Digitalisierung – das muss nicht zwingend KI bedeuten.

Ein neues Buzzword also?

Schäfer: Gerne werden neue Schlagworte in den Vordergrund gerückt, auch wenn das alte noch gar nicht abgearbeitet wurde. Wenn ich zurückdenke an den Begriff Industrie 4.0: Der wurde 2011 geboren, aber die ersten belastbaren Ergebnisse gab es erst Jahre später. Deshalb bin ich immer vorsichtig mit solchen Worthülsen und Trends. Es wird überall an KI gearbeitet. Der Einsatz ist jedoch nicht trivial, denn oftmals erzeugt KI ja nicht einen analytischen, logisch nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen Eingang und Ausgang. Das ist ein Problem. Es bedarf immer einer sehr genauen Betrachtung.

Der aktuelle Hype dreht sich ja auch vor allem um generative Technologien à la ChatGPT. Aber geht es in der Fertigung nicht eher darum, dass die Maschine Prozessdaten kennt und daraus Rückschlüsse auf den nächsten anstehenden Prozess zieht?

Schäfer: Ja, da geht es mehr um die Digitalisierung an sich. Und da stellt sich dann die Frage, erhalte ich saubere Daten, die stabil sind, und verfüge ich über genug Daten, um den Prozess zu lernen und die KI zu füttern? Denn wenn stochastische Ergebnisse auftreten, die ich vorhersagen will, muss ich die ja vorher schon einmal gesehen haben. Sonst kann ich sie gar nicht erkennen.

Also werden wir auf der EMO nicht KI an jeder Ecke sehen?

Heering: Sicher nur vereinzelt. Es ist eher noch ein Zukunftsthema.

Im Unterschied zur Nachhaltigkeit?

Heering: Dieses Thema werden wir an jeder Ecke sehen, Lösungen für Energiemonitoring und Energiemanagement werden sowohl bei den Maschinen- als auch bei den Steuerungs- und Softwareherstellern im Fokus stehen. Spannend ist, dass auch Zulieferer oder Hersteller anderer Produktklassen Nachhaltigkeit so interpretieren, dass sie in ihrem Produkt recycelte Materialien einsetzen und effiziente Lösungen für Pressluftintegration, Kühlschmierstoff-Management etc. entwickeln. Es wird ein breites Thema sein, davon gehe ich aus.

Viel diskutiert wird die von der EU verordnete Berichtspflicht, aus der sich über kurz oder lang wohl kaum ein Unternehmen herausziehen kann …

Heering: Das verbreitet sich in mehreren Schritten Man fängt mit den großen Unternehmen an, aber dann geht es herunter auf die kleineren. Aber das wäre ohnehin die Entwicklung, weil der Große, der vom Kleinen Teile bezieht, von ihm die Information braucht über das, was er bekommen hat. So muss auch der Produktionsbetrieb Auskunft geben über das, was er produziert.

Ist Nachhaltigkeit nicht eigentlich schon aus rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll?

Heering: Ja, natürlich. Aber wenn wir ehrlich sind, dann war Energie viele Jahre lang sehr billig, Material war billig. Und das führte natürlich dazu, dass das Thema nicht ganz im Fokus war. Ich finde es deshalb überhaupt nicht verkehrt, dass man als Unternehmen Prozesse hinterfragen und sich Gedanken machen muss. Das ist alles richtig. Die Frage ist allerdings, welchen Aufwand ich treiben muss, in welcher Dimension, bis zu welcher Unternehmensgröße hinunter. Und ob es den gewünschten Effekt hat. Das ist das Mindeste, was ich mir erwarten würde von der Politik: Wenn sie derartige Regularien implementiert, dann sollte sie auch nach drei, vier Jahren einmal prüfen, ob das jetzt etwas gebracht hat.

Auch viele Unternehmen in der Zerspanungsbranche geben schon Nachhaltigkeitsberichte heraus. Gibt es da Unterstützung vom Verband, wie man so etwas am besten macht?

Heering: Also, wir haben kein Template dafür erstellt, wenn Sie das meinen.

Schäfer: In allen Bereichen der Verbände VDW und VDMA wird das Thema diskutiert. Aber wir können den Firmen keine Blaupause liefern, wie sie ihre Darstellung gestalten müssen. Wir versuchen, das Netzwerk dafür zur Verfügung zu stellen. Es gibt Erfahrungsaustausch, es gibt Workshops dazu.

Wird es auf dem EMO wieder eine Demonstration der standardisierten Maschinen-Schnittstelle umati geben? So wie auf den vergangenen Veranstaltungen – und kürzlich auch auf der Automatica?

Schäfer: Selbstverständlich. Wir haben das ja entwickelt. Mittlerweile ist es eine gemeinsame Initiative, damit wir nicht nur Werkzeugmaschinen einbinden können, sondern alle Technologien, die jetzt schon ihre OPC-UA-Standards fertig gestellt haben. Die werden alle in einem Dashboard integriert, das die Daten verstehen, identifizieren und anzeigen kann. Die Hersteller von Produkten, die auf der EMO ausgestellt werden und die fertige OPC-UA-Spezifikationen haben, sind alle eingeladen zur Live-Demonstration.

Umati schafft Anschluss für Bestandsmaschinen

Wie ist die internationale Resonanz auf umati?

Schäfer: Es verbreitet sich, auch international. Zum Beispiel haben wir auf der Jimtof in Tokio im vergangenen Jahr auch ein Live-Event veranstaltet, mit 25 Maschinen, vorwiegend japanischer Herkunft. Ganz stark vertreten mit mehreren Anbindungen war Fanuc, als Steuerungshersteller wie auch als Maschinenhersteller. Wichtig wird sein, dass die Kunden das auch einfordern und nicht nur proprietär bleiben wollen mit irgendeiner Hausnorm, die dann eben nicht offen und nicht standardisiert ist. Aber ich denke, das wird schon funktionieren.

EMO Hannover 2023
https://emo-hannover.de

VDW Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V.
https://vdw.de
EMO Halle 8 Stand B53


Die Future of Connectivity Area auf der EMO Hannover 2023 fokussiert auf Digitalisierung in der Produktion. Bild: Pixel_B/stock.adobe.com

Future of Connectivity Area auf der EMO 2023

Die EMO ist der internationale Branchentreffpunkt für die Metallbearbeitung weltweit. Nahezu alle Werkzeugmaschinen- und Werkzeughersteller präsentierten sich vom 18. bis 23.09.2023 in Hannover, gemeinsam mit Anbietern von Komponenten und der entsprechenden Peripherie, Messebesuchern aus aller Welt. Als Weltleitmesse der Branche prägt die EMO Hannover die weitreichenden Veränderungen in Arbeitsweise, Technologie, nachhaltiger Produktion und Organisation der Produktions- und Geschäftsprozesse maßgeblich mit.

Ein Themenschwerpunkt ist die Digitalisierung: Vernetzte Produktionsprozesse werden zu einem entscheidenden Faktor für wirtschaftliche Fertigung und Wettbewerbsfähigkeit.

Die Future of Connectivity Area in Halle 9 widmet sich den technologischen Aspekten dieses Wandels. Dort präsentieren zahlreiche Technologiepartner neue Applikationen für die digitalisierte Produktion: Automatisierungsprozesse, smarte Produktionslösungen mit Einbindung von Machine Learning, Predictive-Maintenance, Industrial Internet of Things (IIoT) und vieles mehr. Organisiert wird die Ausstellung vom Messeveranstalter VDW in Kooperation mit mav (https://mav.industrie.de/future-of-connectivity-area-auf-der-emo-hannover).



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