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e.GO Mobile AG: Agiler und vernetzter Automobilbau

Vorstellung einer schlanken und digitalen Produktion der e.GO Mobile AG
Agiler und vernetzter Automobilbau

Eine innovative Produktion ist eine essenzielle Basis, um den Bedürfnissen bezahlbarer Elektromobilität und individueller Kundenwünsche gerecht zu werden und in einem Hochlohnland wie Deutschland weiterhin die gesamte Wertschöpfungskette abdecken zu können. Dieser Herausforderung stellt sich die Aachener e.GO Mobile AG und beschreitet mit der agilen Produktentwicklung und vernetzten Produktion im „Engineering Valley Aachen“ neue Wege.

Die Automobilbranche befindet sich in Bewegung. Das Umdenken in Richtung elektrifizierter Antriebe ist erfolgt, denn diese bringen nicht nur den oft genannten Vorteil lokaler Emissionsfreiheit mit sich, sondern auch den Fahrspaß aufgrund des exzellenten Ansprechverhaltens, des Drehmoments, eines niedrigen Schwerpunkts und einer weniger störenden Geräuschkulisse. Die konventionellen Antriebstechnologien mit fossilen Brennstoffen verlieren hinsichtlich ihrer ökologischen Nachteile zunehmend an Attraktivität und werden von elektrifizierten Konzepten substituiert. Wurden bisher oftmals elektrische Antriebsstränge in bestehende Fahrzeugkonzepte integriert, finden nun grundlegend neu gedachte Konzepte den Weg auf die Straßen. Diese erfordern alternative Prozessketten und bedeuten damit auch eine Anpassung jahrzehntelanger Produktionskonzepte.

Aachen wird zum Zentrum
für bezahlbare elektrische Mobilität

In Aachen wird Elektromobilität großgeschrieben. Nachdem Aachen Anfang des 20. Jahrhunderts bereits ein automobiler Standort war, wird es nun zum Zentrum elektrischer Mobilität. Im Umfeld der RWTH Aachen University entwickelt und produziert die e.GO Mobile AG Elektrofahrzeuge. Das Ziel der e.GO Mobile AG ist dabei die bezahlbare Elektromobilität.

Auf dem RWTH-Aachen-Campus entstehen Konzepte und Prototypen gemeinsam mit umliegenden Kooperationspartnern aus dem universitären Umfeld mit den neuesten wissenschaftlichen Kenntnissen und Methoden. Auch dürfen Unternehmen aus der Wirtschaft zu den Partnern dazu gezählt werden, wie z. B. die Robert Bosch GmbH. Die mit dem Netzwerk entwickelten Industrie-4.0-Technologien in der Produktionstechnik ermöglichen hochiterative Entwicklungsprozesse, sodass eine besonders kostengünstige Prototypen- und Kleinserienproduktion erzielt werden kann. Dieses Wissen wird auch für die Serienproduktion des e.GO Life, ein elektrisches Stadtauto, genutzt.

Mit den Industrie-4.0-Technologien kann in der Entwicklung der Entwicklungsstand einer jeden Komponente, unter Nutzung einer gemeinsamen und internetbasierten Plattform (Internet of Production), in Echtzeit nachvollzogen werden. Die simultan arbeitenden Entwicklungsteams sind damit in der Lage, Änderungen jederzeit nachvollziehen zu können. Zuvor entstehende Prototypen helfen dabei, Erfahrung zu erlangen und mit dem neuen Wissen die anschließende Entwicklung zu beschleunigen.

Seit März 2019 wird der e.GO Life im Werk 1 am Standort Rothe Erde in Aachen als erstes mittels Industrie 4.0 entwickeltes Elektrofahrzeug produziert. Komponenten wie die elektrische Antriebseinheit werden dabei beispielsweise von der Robert Bosch GmbH geliefert, die zukünftig auch den After-Sales-Service (u. a. Werkstatttechnik und Reparatur) in das eigene Werkstattnetzwerk übernimmt.

Agile Produktentwicklung ermöglicht
kostengünstiges und schnelles Vorgehen

Bei der e.GO Mobile AG wird agile Produktentwicklung gelebt, denn diese ist der Befähiger für eine kostengünstige und schnelle Entwicklung. Konventionell sind die an ein Produkt gestellten Aufgaben in der anfänglichen Entwicklungsphase oft wechselhaft und nicht eindeutig. Mit klassischen phasenbasierten Methoden, wie beispielsweise dem Stage-Gate-Modell, kann der Entwicklungsprozess gebremst werden und können Änderungen, aufgrund dynamisch-wechselnder oder unvorhersagbarer Kundenwünsche währenddessen, nicht mehr eingebracht werden. Dies hat hohe Kosten zur Folge, da notwendige Änderungen erst deutlich später berücksichtigt werden können.

Mithilfe agiler Produktentwicklungsmethoden, wie z. B. hochiterativer Entwicklungsprozesse, können die Entwicklungszeiten verkürzt, die Kundenbedürfnisse besser erfüllt sowie Kosten eingespart werden. Die Softwareindustrie dient hierbei als Vorreiter, denn in dieser Branche sind agile Entwicklungsmethoden bereits weitestgehend etabliert und erfolgreich im Einsatz. Mithilfe sogenannten User Stories werden dafür anfangs die Kundenanforderungen an das Fahrzeug fokussiert.

Während der agilen Entwicklung können, anders als beim konventionellen Lastenheft, die Anforderungen adaptiv angepasst werden. Darüber hinaus ermöglicht die Beantwortung priorisierter Fragestellungen, ausgehend von den dringlichsten Wünschen der Kunden, eine neue Perspektive von der Gesamtheit des Fahrzeugs und unterstützt die frühzeitige Identifizierung von Kostenfaktoren. Des Weiteren führt die agile physische Produktentwicklung durch verschiedene Teamzusammensetzungen zu wachsender Interdisziplinarität, womit es ebenfalls angemessen umzugehen gilt.

Agile Entwicklung verlangt neue Dateninfrastruktur in der Produktionstechnik

Damit plangetriebene Unternehmen einen Wandel hinsichtlich Agilität erfahren können, müssen alte Gewohnheiten abgelegt werden und die Bereitschaft für neue Lösungen vorhanden sein. Dabei können flache Hierarchiestrukturen, sprintartige Abstimmungen und eine agile Unternehmenskultur hilfreich sein. Nach der agilen Entwicklung folgt die flexible Produktion von Prototypen. Diese muss mit den oft wechselnden Anforderungen umgehen können, sodass die Übergabe zur Produktion fehlerfrei und ohne Zeitverlust stattfinden kann. Nicht nur Kundenanforderungen können eine Anpassung des Produkts verlangen, sondern auch konstruktive Änderungen im Entwicklungsprozess.

Dabei helfen agile Entwicklungsmethoden, Produktänderungen nach erfolgten Freigabeprozessen zur Fertigung umzusetzen. Zur Produktion gehört auch eine möglichst automatisierte Informationslogistik, denn diese ist die Grundvoraussetzung für fehlerfreie agile Iterationszyklen. Die Basis dafür bildet die allzeitige Eindeutigkeit der Daten während des Informationsflusses, eingebunden in einer effizienten und übersichtlichen Workflowsteuerung für Entwicklung und Produktion. Während für eine gezielte Informationsverteilung transparente Daten und flexible Arbeitsreihenfolgen notwendig sind, kann die Grundlage für eine gelungene Datenerhebung mittels konsolidierter Datenstrukturen und vollständiger Datenzuverlässigkeit geschaffen werden.

Die agile Entwicklung verlangt eine neue Dateninfrastruktur in der Produktionstechnik: das Internet of Production. Damit können die aus verschiedener Applikationssoftware erlangten Daten untereinander verknüpft, ausgetauscht und veranschaulicht werden. Daraus resultiert die Möglichkeit, Informationen aus Bereichen der Produktionstechnik miteinander in Kontext zu bringen, um in Echtzeit auf externe oder interne Änderungswünsche reagieren zu können und die Produktion adaptiv anzupassen.

Um dies zu begünstigen, müssen die Entwicklung und Produktion Daten zur Verfügung stellen, sowie produktionstechnisches Fachwissen freigeben. Sofern alle Daten digital zur Verfügung stehen, können die agglomerierten Daten zu einem Digitalen Schatten komprimiert werden, der eine ganzheitliche Mustererkennung mithilfe einer intelligenten Datenanalyse gestattet. Anschließend sind die Entwicklung und Produktion in der Lage, prädiktiv ihre Prozesse anzupassen. Dies ist ein Wettbewerbsvorteil und führt zu einer völlig neuen Art von Agilität durch aggregierte Echtzeit-Informationen in der Produktion von Automobilen.

Im Bereich des After Sales wird sogar ein Schritt weitergegangen. Mit der Übergabe der Fahrzeuge an den Kunden wird auf Basis einer Blockchain-Technologie eine digitale Fahrzeugakte angelegt. Diese garantiert eine ganzheitliche Transparenz über die Fahrzeuglebensdauer. Der Bosch Car Service pflegt alle Daten zur Instandhaltung, Produktverbesserung sowie den Kilometerstand über das Werkstatt-Cockpit in die Blockchain ein.

Mit einem Zugangscode zur angelegten Fahrzeugakte ist der Kunde in der Lage, jederzeit Einsicht in die Historie seines Fahrzeugs zu bekommen und kann aufgrund der Eineindeutigkeit sicher sein, dass keine Daten während der Lebenszeit verloren gegangen sind oder ohne Nachvollziehbarkeit manipuliert wurden. Damit trägt die Blockchain-Technologie auch zum Werterhalt des Fahrzeugs bei, denn die Historie des Fahrzeugs ist eindeutig darstellbar.

Im Kontext agiler Prinzipien bestehen gleichzeitig auch vielfältige Herausforderungen, beispielsweise im Hinblick auf starre Prozesse und Rahmenbedingungen, wie sie in Produktionsumgebungen vorherrschen. Getrieben von diesem Spannungsfeld können jedoch Potenziale identifiziert werden, die ein Umdenken dieser Strukturen ermöglichen. Ein Ansatz ist es, mithilfe flexibler Produktionsstrukturen die Investitionskosten in der Montage zu senken und das Produktionsnetzwerk skalierbar zu gestalten. Die im e.GO Life verwendete Spaceframe-Struktur der Karosserie mit einer Kunststoff-Außenhaut ist die Konsequenz dieses Ansatzes.

Damit sind ein kostenintensives Presswerk und eine katalytische Tauchlackierung nicht notwendig. Aufbauend auf dem Spektrum der Möglichkeiten einer Elektroauto-Produktion und dem agilen Gedanken setzt beispielsweise das Forschungsprojekt LoCoMo (Low-Cost Montagestrukturen), welches vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird, mit mehreren Partnern eine flexible Low-Cost-Montage in vier Säulen um.

Die erste Säule beschäftigt sich mit selbstfahrenden Chassis in der Produktion, sodass diese automatisiert von Station zu Station fahren und dabei auch eine nach Bedarf angepasste Inselfertigung in der Montage ermöglichen. In einem zweiten Schritt werden Prozesse gestaltet, die eine automatisierte Ableitung von Montagevorrichtungen aus Konstruktionszeichnungen befähigen. Die additive Fertigung unterstützt dann folglich den adaptiven Vorrichtungsbau und führt zu einer Beschleunigung des Montageprozesses. Die dritte Säule fokussiert den Toleranzausgleich durch den Einsatz additiver Fertigung. Durch die Möglichkeit einer stückzahlunabhängigen Fertigung können in der Montage hochiterative Justierungen vorgenommen werden, die die Kosten senken. In einer vierten Säule erforscht das Konsortium die flexiblen Low-Cost-Montagestrukturen ganzheitlich und berücksichtigt dabei die Echtzeit-Steuerungslogik.

Leichtere Reaktion auf Kundenwünsche
und Konstruktionsänderungen

Selbstfahrende Chassis in der Produktion und Montage sind die Basis für die Inselfertigung als Produktions- und Montagestruktur und können eine Flexibilisierung hinsichtlich der Komplexität sowie Variantenvielfalt ermöglichen. Regulär werden in Fahrzeugendmontagen signifikant unterschiedliche Derivate eines Fahrzeugtyps auf einer einzelnen Produktionslinie gefertigt. Die Nutzung dynamischer Fertigungsprinzipien und technologischer Innovationen auf Basis selbstfahrender Chassis begünstigt eine leichtere Reaktion auf Kundenwünsche und Konstruktionsänderungen. Dies ermöglicht es parallel, Investitionen hinsichtlich der Produktionsinfrastruktur, wie z.B. Montagebänder, zu reduzieren.

Mit automatisierten Chassis und dem Forschungsfokus der Low-Cost-Montagestrukturen folgen neue Möglichkeiten der Fahrzeugfertigung, insbesondere im Bereich der bedarfsorientierten Optimierung in der Endmontage. Diese aus der Forschung resultierenden Ansätze befähigen dazu, die bereits realisierten agilen und kostenoptimierten Strukturen auch für den e.GO Life in Zukunft fortzuführen und in die Serienfertigung zu integrieren.

Die Elektrifizierung und Digitalisierung der Automobile verändern nicht nur die Art und Weise der Mobilität und leisten einen Beitrag zur Emissionssenkung, sondern evolvieren auch Produktionskonzepte. Bei der e.GO Mobile AG sind daher die Produktionskonzepte grundlegend auf diese Entwicklungen ausgelegt und definieren eine neue Herangehensweise für die Kleinserienfertigung. Mit einem starken Fokus auf den Kunden, den hochiterativen und agilen Entwicklungsmethoden sowie einer ganzheitlichen Digitalisierung unter Verwendung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse ist die Fertigung eines bezahlbaren Elektrofahrzeugs in Aachen möglich.

e.GO Mobile AG
www.e-go-mobile.com


Autor

Dr.-Ing. Nils Klingbeil

Teamleader
Pre-Development,
e.GO Mobile AG


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