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Wasserstoff: Interview mit Gerd-Dieter Krieger, VDMA und Michael Büchler, Kuka

Interview mit Gerd-Dieter Krieger, VDMA und Michael Büchler, Kuka
Mit Wasserstoff zur emissionsfreien Mobilität?

Elektromobilität ist weltweit ein wichtiger Baustein der Energiewende und Elektrofahrzeuge sind ein Schlüssel zu einer klimafreundlichen Mobilität. Laut der nationalen Wasserstoffstrategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie spielt Wasserstoff bei der Weiterentwicklung und Vollendung der Energiewende eine zentrale Rolle. Doch ist die Wasserstoff-Technologie auch die passende Lösung für die Automobilindustrie? Wir wollten mehr dazu erfahren und haben Gerd-Dieter Krieger, Geschäftsführer der AG Brennstoffzellen im VDMA und gefragter Experte im Bereich Wasserstoff-Technologie, sowie Michael Büchler, Spezialist im Bereich Industrialisierung von Wasserstoff-Technologie bei Kuka, zu diesem spannenden Thema befragt.

mav: Die Brennstoffzellen-Technologie – was verbirgt sich hinter dieser innovativen Antriebsform?

Michael Büchler: Die Technologie an sich gibt es schon seit 180 Jahren und sie hat sich im Prinzip nicht gravierend verändert. Der eine oder andere kann sich noch an die Elektrolyse aus dem Chemieunterricht erinnern. Die Elektrolyse ist ein chemischer Prozess, bei dem Strom eine Redoxreaktion erzwingt.
In der Brennstoffzelle hingegen findet die umgekehrte Elektrolyse statt. Es reagiert zugeführter Brennstoff wie z. B. Wasserstoff mit einem Oxidationsmittel (Sauerstoff aus Luft). Dabei entstehen Wärme, Wasser und elektrischer Strom. Dieser Strom wiederum treibt den Motor an.

Gerd-Dieter Krieger: Korrekt! Wir sprechen hier von einer Antriebsform, die Vorteile von batterieelektrischen Antrieben (Emissionsfreiheit, Geräuscharmut) mit den Pluspunkten von verbrennungsmotorischen Antrieben (hohe Energiedichte des Kraftstoffes, schnelle Betankung) verbindet.
Wenn über Elektromobilität gesprochen wird, ist damit auch die Brennstoffzelle gemeint, da hier, wie auch bei batterieelektrischen Fahrzeugen, der Antrieb über Elektromotoren erfolgt. In Fahrzeugen mit Brennstoffzellen ist zudem immer auch eine Batterie enthalten, deren Dimensionierung vom jeweiligen Anwendungsfall abhängig ist. Batterieelektrische und brennstoffzellenbasierte Antriebe sind deshalb kein Gegensatz, sondern sich ergänzende Antriebskonzepte.

mav: Könnten Sie uns einen Einblick in den derzeitigen Stand der Elektromobilität in der Automobilbranche geben? Welchen Stellenwert hat die Brennstoffzellen-Technologie hier?

Michael Büchler: Klimaziele, Subventionen und vor allem die steigende Beliebtheit von emissionsarmen Fahrzeugen beim Verbraucher motivieren viele Hersteller, diese Technologie weiter voranzutreiben. So haben sich bereits batteriebetriebene Fahrzeuge für die Erreichung der Klimaziele etabliert. Sie bilden einen ersten Meilenstein auf dem Weg zur Energiewende. Die Brennstoffzellen-Technologie wird langfristig an Bedeutung gewinnen, da sie zur Einhaltung der Flottengrenzwerte ein weiterer wichtiger Meilenstein für die OEMs sein wird.

Gerd-Dieter Krieger: Da stimme ich Ihnen zu. Die Herausforderung, innerhalb einer Generation Klimagasneutralität zu erreichen, ist gewaltig. Während im Bereich der Stromerzeugung durch die Nutzung von Sonne, Wind und Wasser große Fortschritte gemacht wurden, hinkt die Entwicklung im Mobilitätsbereich jedoch deutlich hinterher. Die Experten sind sich einig, dass in Abhängigkeit der verschiedenen Anwendungsfelder (Pkw, Nutzfahrzeuge, Eisenbahn, Schiff, Flugzeug, Arbeitsmaschinen etc.) alle Antriebstechnologien gebraucht werden. Batterieelektrische Fahrzeuge haben sich, teilweise durch die Corona-Krise beschleunigt, etabliert. Die in den letzten Jahren erreichten Fortschritte in der Brennstoffzellen-Technologie sind am Markt jedoch noch nicht sichtbar, werden aber bis Mitte des Jahrzehnts folgen.

mav: Wie ist der aktuelle Stand? Wie weit ist die Brennstoffzellen-Technologie bereits in der Automobilproduktion etabliert? Gibt es schon Erfolge?

Michael Büchler: Die ersten Serienfahrzeuge gibt es seit dem Jahr 2016 zu kaufen. In den letzten Jahrzehnten wurde die Technologie sehr stark entwickelt und vorangetrieben. Nun liegt der Fokus in der Industrialisierung der Brennstoffzelle, um die Produktionskosten zu reduzieren und die Qualität zu erhöhen.

Gerd-Dieter Krieger: Der Schwerpunkt der Investitionen lag im Bereich der technischen Weiterentwicklung der Brennstoffzelle. Hier wurden wichtige Entwicklungsziele hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Lebensdauer erreicht. Die derzeitigen Herausforderungen liegen im Bereich der Kostenreduzierung, die vor allem die Industrialisierung der Produktionsprozesse voraussetzt. Hierzu wurden in den letzten Jahren erste teilweise automatisierte Fertigungen für Brennstoffzellen-Stacks in Deutschland errichtet. Namhafte OEMs stehen vor der Investition in Fertigungseinrichtungen. Die Zeit drängt, da auch asiatische und nordamerikanische Hersteller die Zeichen der Zeit erkannt haben und bereits kräftig investieren. Die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge ist zwar noch gering, wird sich aber in den nächsten Jahren, vor allem aber ab 2025 schnell erhöhen.

Michael Büchler: Die Brennstoffzellen-Technologie ist für den Einstieg in den Personen- und Güterverkehr prädestiniert, da Entfernungen, Betankung und Wartungsabläufe genau kalkuliert und als Serviceleistung angeboten werden können. Somit kann auch die Infrastruktur zum Betanken in der eigenen Logistik abgebildet werden.

Gerd-Dieter Krieger: Im Rahmen des Forums Elektromobilität hat der VDMA im letzten Jahr die Perspektiven der Brennstoffzellen-Technologie in einem aufwendigen Prozess von FEV Consulting untersuchen lassen.
Ergebnis: Die Brennstoffzelle wird ab dem Jahr 2030 mit einem signifikanten Anteil in Pkw, Nutzfahrzeugen und mobilen Maschinen vertreten sein. Allein elf Milliarden Euro Umsatz für Brennstoffzellenkomponenten im Pkw sind im Jahr 2040 in Europa möglich.

mav: Wo sehen Sie spezifische Vorteile? Welche Faktoren könnten der Brennstoffzelle im Rennen um die Antriebsform der Zukunft zum Erfolg verhelfen?

Gerd-Dieter Krieger: Reichweite – Reichweite – Reichweite! Die entscheidenden Faktoren hierfür: emissionsfrei, treibhausgasneutral und leise. Das wachsende Bewusstsein, dass die Erreichung der Pariser Klimaschutzbeschlüsse entschiedenes Handeln erfordern, wird zu einer Verstärkung der heute noch unzureichenden Maßnahmen führen. Der allein in Deutschland in den nächsten Jahren mit neun Milliarden Euro geförderte Ausbau des Themas Wasserstoff wird auch die Entwicklung der Brennstoffzelle beschleunigen.

Michael Büchler: Der Kraftstoff ist nahezu unbegrenzt vorhanden und verursacht minimale Emissionen. Ein weiterer Vorteil ist der geringere Einsatz von Verschleißteilen gegenüber herkömmlichen Antrieben. Die Brennstoffzellen-Technologie als Antriebs-Alternative und Energiespeicher ist ein wichtiger und auch unverzichtbarer Mosaikstein in der Transformation der Energiewirtschaft. Die Erfahrungen aus der Pandemie haben nochmal deutlich gezeigt, wie wichtig Unabhängigkeit ist – egal ob bei Rohstoffen oder Energie.

mav: Welche technologischen Herausforderungen sind zu bewältigen?

Gerd-Dieter Krieger: Der Aufbau einer neuen industriellen Wertschöpfungskette für Brennstoffzellen-Systeme setzt eine zeitlich aufeinander abgestimmte Entwicklung der gesamten Wertschöpfungskette voraus. Zulieferer, Stackhersteller und OEMs sowie die für den schnellen Aufbau der Fertigung erforderlichen Produktionstechnikunternehmen müssen hier eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten, um dies sicherzustellen. Wir begleiten diese Aufgabenstellung in der VDMA Arbeitsgemeinschaft Brennstoffzellen und wollen das Thema vorantreiben.
Nur gemeinsam werden die Herausforderungen beim Übergang der von der „Manufaktur“ zur Großserien-Fertigung lösbar sein.

Michael Büchler: Betrachtet man die komplette Wertschöpfungskette einer Brennstoffzelle, gehört der „Stacking-Prozess“ sowie der End-of-Line-Test wohl zu den kritischen Prozessen. Um hier eine sinnvolle Skalierbarkeit in der Stack-Fertigung zu erreichen, müssen die Faktoren Taktzeit, Qualität und Kosten optimal erfüllt werden. Standardisierung und eine automatisierungsfreundliche Gestaltung der Brennstoffzellen sind dabei essenziell.

mav: Wie könnte die Brennstoffzellen-Technologie helfen, die emissionsfreie Mobilität zu realisieren und welche Vision verfolgt Kuka mit dieser innovativen Technologie?

Michael Büchler: Um die Stückzahlkosten zu reduzieren und die Qualität zu erhöhen, müssen die Hersteller von Brennstoffzellen-Stacks weg von der Handmanufaktur und hin zu einer intelligenten Automatisierungslösung. Und genau da will Kuka mit seiner Expertise den Kunden helfen und sie unterstützen. Dazu bieten wir ein breites Spektrum an Produkten und Dienstleistungen an: von der Kernkomponente – dem Roboter – über Fertigungszellen, Engineering, Versuchsanlagen und schlüsselfertige Produktionsanlagen bis hin zu intelligenten Softwarelösungen.


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