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Nutzfahrzeughersteller setzen auf E-Mobiltät

Mobilitätskonzepte für Nutzfahrzeuge
Elektromobiltät für Lkw

Seit Jahren fordern viele Experten, die Diskussion um die Elektro-Mobilität technologieoffen zu führen um so für jedes Einsatzszenario die optimale Kombination aus Energiespeicher und Motorenkonzept zu finden. Besonders im Bereich der Nutzfahrzeuge scheint die batteriebetriebene E-Mobilität an ihre Grenzen zu stoßen. Wenn man aber die aktuellen Entwicklungen bei den Lkw-Herstellern verfolgt, bekommt man einen anderen Eindruck.

Autor: Frederick Rindle

Wenig überraschend dominierte der Dieselmotor laut dem europäischen Verband der Automobilhersteller (ACEA) mit einem Marktanteil von 95,8 % (96,5 % im Jahr 2020) auch im Jahr 2021 den Verkauf neuer mittlerer und schwerer Nutzfahrzeuge in der Europäischen Union. Fahrzeuge mit alternativen Kraftstoffen hatten einen Marktanteil von 3,6 % (3,0 %). Elektrisch aufladbare Fahrzeuge machten nur 0,5 % der neuen Lkw-Verkäufe in der Region aus (0,4 %). Insgesamt stiegen die Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen im Jahr 2021 um 26,6 % von 982 Einheiten im Jahr 2020 auf 1243 Elektro-Lkw im Jahr 2021. Mit 987 verkauften Fahrzeugen wurde die große Mehrheit davon in Deutschland verkauft.

Die Neuzulassungen von Hybrid-Elektro-Lkw (HEV) gingen in der EU deutlich zurück, und zwar um 55,9 % auf 67 Einheiten. Der Marktanteil von Hybrid-Lkw an den gesamten Lkw-Verkäufen in der EU schrumpfte damit von 0,1 % im Jahr 2020 auf 0,03 % im Jahr 2021.

Alternative Kraftstoffe, zu denen Erdgas, Flüssiggas, Biokraftstoffe und Ethanol gehören, machten 2021 mit einem Gesamtmarktanteil von 3,6 % (gegenüber 3,0 % im Jahr 2020) die überwiegende Mehrheit der in der EU verkauften Lkw mit alternativen Antrieben aus. Die Nachfrage stieg in der gesamten Region um 40,7 % und belief sich im vergangenen Jahr auf insgesamt 9688 verkaufte Einheiten.

Batterieelektrische Modelle

Die großen Lkw-Hersteller setzen für die Zukunft dennoch auf batterieelektrische Modelle. So treibt Daimler Truck, einer der weltweit größten Nutzfahrzeug-Hersteller, seit der Einführung des eActros für den schweren Verteilerverkehr im Jahr 2021 nach eigener Aussage die Einführung weiterer batterieelektrischer Modelle kräftig voran. Der batterieelektrische Fernverkehrs-Lkw eActros Long-Haul etwa soll das Messe-Highlight von Mercedes-Benz Trucks auf der diesjährigen IAA Transportation sein. Im Jahr 2020 hat der Hersteller den 40-Tonner angekündigt, auf der IAA soll nun der „Konzept-Prototyp“ vorgestellt werden.

Die Sattelzugmaschine ist Teil der eActros Long-Haul-Testflotte. Erste Prototypen durchlaufen demnach bereits intensive Tests und noch in diesem Jahr wird der E-Lkw auch auf öffentlichen Straßen erprobt. Im kommenden Jahr sollen seriennahe Prototypen für Tests an Kunden gehen. Die Serienreife ist für das Jahr 2024 geplant.

Der eActros Long-Haul soll mit einer Batterieaufladung über eine Reichweite von etwa 500 Kilometern verfügen. Hierfür sollen Batterien mit Lithium-Eisenphosphat-Zelltechnologie (LFP) zum Einsatz kommen. An einer Ladesäule mit etwa einem Megawatt Leistung lassen sich die Batterien in deutlich unter 30 Minuten von 20 auf 80 Prozent aufladen. In Verbindung mit dem Megawatt-Laden soll die hohe Reichweite mit einer Batterie-Aufladung Gesamtreichweiten auf dem Niveau konventioneller Lkw und damit den Einsatz im Zweischichtbetrieb ermöglichen.

Zusätzlich zum eActros Long-Haul wird Mercedes-Benz Trucks weitere batterieelektrische Lkw-Neuheiten auf der IAA präsentieren. Seit Oktober 2021 läuft der eActros für den schweren Verteilerverkehr im Werk Wörth in Serie vom Band. Im Juli folgt der eEconic für den Kommunaleinsatz. Mercedes-Benz Trucks verfolgt das Ziel, den Anteil lokal-CO2-neutraler Neufahrzeuge in Europa bis 2030 auf über 50 Prozent zu erhöhen. Karin Rådström, CEO Mercedes-Benz Trucks: „Die Elektrifizierung des schweren Fernverkehrs ist der nächste Meilenstein auf dem Weg zum CO2-neutralen Transport. Der eActros Long-Haul soll für unsere Kunden als batterieelektrisches Fahrzeug wirtschaftlich sein.“

Bis 2050 CO2-neutraler Transport auf den Straßen

Bis zum Jahr 2039 möchte Daimler Truck in Europa, Japan und Nordamerika nur noch Neufahrzeuge anbieten, die im Fahrbetrieb („tank-to-wheel“) CO2-neutral sind. Bereits seit 2018 beziehungsweise 2021 rollen die beiden batterieelektrischen Modelle Mercedes-Benz eCitaro und Mercedes-Benz eActros in Serienproduktion vom Band. Der Mercedes-Benz eEconic, der FUSO eCanter und der Freightliner eCascadia folgen noch in diesem Jahr und weitere lokal-CO2-neutrale Fahrzeuge sind bereits in Planung.

Ab der zweiten Hälfte der Dekade will das Unternehmen sein Fahrzeugangebot hierfür allerdings zusätzlich auch um Serienfahrzeuge mit wasserstoffbasiertem Brennstoffzellenantrieb ergänzen. Ein CO2-neutraler Transport mit Doppelstrategie (Batterien und Wasserstoff-Brennstoffzellen) ist bis 2050 für die Straßen das ultimative Ziel. Neben den erwähnten Fahrzeugen befindet sich von daher auch der wasserstoffbasierte Mercedes-Benz Gen H2 Truck als Prototyp im intensiven Testbetrieb.

Batterie-elektrisch, Brennstoffzelle oder Wasserstoffmotor?

Schnell wachsendes Interesse

Auch Volvo Trucks hat die E-Mobilität fest im Blick. Der Lkw-Hersteller hat im Jahr 2021 weltweit Bestellungen einschließlich der Kaufabsichtserklärungen für mehr als 1100 E-Lkw entgegengenommen und sieht sich in Europa als Marktführer für schwere vollelektrische Lkw. „Wir sind entschlossen, die Revolution der Elektro-Lkw voranzutreiben“, sagt Roger Alm, Präsident von Volvo Trucks. „Auch wenn die Stückzahlen noch gering sind, sehen wir sowohl in Europa und Nordamerika als auch in anderen Teilen der Welt ein schnell wachsendes Interesse. Ich bin davon überzeugt, dass es zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil wird, elektrische, emissionsfreie Transporte anzubieten.“

Volvo Trucks hat 2019 mit der Serienproduktion von E-Lkw begonnen. Wenn die Produktion der schweren vollelektrischen Modelle Volvo FH, Volvo FM und Volvo FMX im Herbst dieses Jahres anläuft, wird Volvo über eine umfassende elektrische Lkw-Produktpalette verfügen. Die Elektro-Lkw werden zunächst im Werk Tuve in Göteborg produziert. Auch Volvo Trucks hat es sich zum Ziel gesetzt, im Jahr 2030 die Hälfte seines Absatzes mit Elektrofahrzeugen zu bestreiten.

Elektrische Nebenaggregate

Für die erfolgreiche Elektrifizierung der Nutzfahrzeugflotte werden neben den eigentlichen Antrieben auch elektrische Nebenaggregate benötigt. Hierfür bietet die All-In-One-Lösung eWorX von ZF den Fahrzeug- sowie Aufbauherstellern die Möglichkeit, in elektrischen Nutzfahrzeugen unterschiedlichste Arbeitsgeräte wie Mischer oder Kran lokal emissionsfrei zu betreiben. ZF hat dafür in Kooperation mit Mercedes-Benz Trucks und den Aufbauherstellern Meiller und Palfinger auch schon zwei Demonstrationsfahrzeuge realisiert.

Das in den Demonstrationsfahrzeugen verbaute System verfügt über eine elektrische Maschine mit einer Nennleistung von 50 kW, einen Wechselrichter und ein Steuergerät mit applikationsspezifischer Software, ein Kühlsystem sowie eine Hydraulikpumpe. Das eWorX-System fungiert als Schnittstelle zwischen Fahrzeug und Arbeitsequipment, kommuniziert über eine Anbindung an den CAN-Bus des Fahrzeugs, arbeitet unabhängig vom Fahrantrieb und ist somit für elektrische Achsantriebe und Zentralantriebe einsetzbar. Die Traktionsbatterie des elektrischen Fahrzeuges versorgt das ZF-System mit elektrischer Energie. Damit treibt der Elektromotor von eWorX wiederum die Hydraulikpumpe für das Arbeitsgerät an.

Ladeinfrastruktur muss erweitert werden

Ein Kritikpunkt bei allen technologischen Fortschritten bleibt aber immer noch fehlende Lade-Infrastruktur. Auch dem wollen die Hersteller in Kooperation mit anderen Partnern begegnen. Für das Laden auf dem Betriebshof arbeitet Mercedes-Benz Trucks zum Beispiel mit Siemens Smart Infrastructure, Engie und der EVBox Group zusammen.

Was das öffentliche Laden für den Fernverkehr betrifft, haben die Traton Group, die Volvo Group und Daimler Truck eine verbindliche Vereinbarung zur Gründung eines Joint Ventures unterzeichnet. Diese sieht den Aufbau und Betrieb eines öffentlichen Hochleistungs-Ladenetzes für batterieelektrische schwere Fernverkehrs-Lkw und Reisebusse in Europa vor. Das Ladenetz der drei Parteien soll Flottenbetreibern in Europa markenunabhängig zur Verfügung stehen.

Die Errichtung und der Betrieb einer ausgewählten Hochleistungs-Ladeinfrastruktur für den batterieelektrischen Lkw-Fernverkehr sind Ziel des Projekts „Hochleistungsladen im Lkw-Fernverkehr“ (HoLa), das mit Beteiligung von Daimler Truck und unter der Schirmherrschaft des VDA läuft. Dabei sollen an vier Standorten in Deutschland je zwei Hochleistungsladepunkte mit dem Megawatt Charging System (MCS) aufgebaut und im realen Praxiseinsatz getestet werden. Am Projekt sind verschiedene weitere Konsortialpartner aus Industrie und Forschung beteiligt.

E-Lkw stehen in den Startlöchern

Die batteriebetriebene E-Mobilität ist trotz der Nachteile, was Gewicht und Kosten anbelangt, für die großen Nutzfahrzeughersteller aktuell die Nummer Eins. E-Fuels und Wasserstoffbasierte Antriebe scheinen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Neben weiteren Punkten stellt sich aber auch bei der Elektrifizierung der Nutzfahrzeuge immer noch die Frage, wie sich eine flächendeckende Ladeinfrastruktur mit Leistungen im Megawatt-Bereich realisieren lässt und wie die großen Batterien recycelt werden sollen.


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