Meist sind es viele Hundert Schrauben, die bei der Montage eines Schaltschranks angezogen werden müssen – das kostet Kraft und Zeit. Neben der hohen körperlichen Belastung und der monotonen Arbeit spielt außerdem die Sicherheit des Mitarbeiters eine große Rolle, da dieser in einem elektrischen Umfeld arbeitet. Aus diesen Gründen hat die Wiha Werkzeuge GmbH mit Sitz in Schonach die elektrische Schraubhilfe Speed-E und die nach VDE-GS-gekennzeichneten Slimbits entwickelt, die den Anwender bei der Ausführung schützen und unterstützen sollen.
Der E-Schraubendreher zieht die Schrauben automatisch bis zu einem gewissen Punkt an, anschließend kann der Anwender sie manuell fixieren. In Bezug auf Größe, Format und Gewicht ist er mit einem üblichen Schraubendreher vergleichbar. Durch seine ergonomische Konzeption soll der Speed-E außerdem kräfte- und gesundheitsschonend sein. Er hat einen Akkuantrieb und ist die aktuell einzige Schraubhilfe, die bis 1000 V AC schützt. „Jeder E-Schraubendreher den wir verkaufen, muss geprüft sein“, erklärt Daniel Schanne, Leiter technische Projekte Metall bei Wiha, weshalb das Unternehmen bei dem Produkt eine 100-Prozent-Kontrolle durchführt.
Wiha: Familienbetrieb mit hoher Fertigungstiefe
Vor 80 Jahren als kleiner Betrieb von Willi Hahn gegründet, ist Wiha Werkzeuge inzwischen ein weltweit agierendes Familienunternehmen mit Produktionsstandorten in Vietnam, Polen, Deutschland und der Schweiz. In zweiter Generation baute sein Sohn Wilfried Hahn, der auch heute noch Teil der Geschäftsleitung ist, ein weltweites Firmennetzwerk auf, das aktuell der Enkel des Gründers, Wilhelm Hahn, leitet.
Das Werk in Mönchweiler ist der Standort für die VDE-Werkzeuge des Unternehmens. Die Schraubendreher und Bits, die hier gefertigt werden, sind in der Regel mit Kunststoff umspritzt, damit sie den Anwender vor Stromschlägen schützen. Die dadurch entstehenden, sehr hohen Anforderungen an Sicherheit und Qualität rechtfertigen laut Andreas Stengele, Abteilungsleitung Langdreher/Bits bei der Wiha, nach wie vor eine Fertigung am Hochlohnstandort Deutschland. Das Werk, beziehungsweise das komplette Unternehmen, besticht durch eine hohe Fertigungstiefe. Selbst der Härteprozess und die Oberflächenbehandlung finden vor Ort statt. Lediglich die Galvanik wird extern vorgenommen.
Spanntechnikspezialist beim Handwerkzeughersteller
In der Produktion am Standort Mönchweiler setzt Wiha auf insgesamt 13 Langdrehmaschinen verschiedener Hersteller. Bei einigen Langdrehern hat die Firma Schlenker, welche ihren Sitz im nahegelegnem Villingen-Schwenningen hat, Sonderumbauten vorgenommen und zum Beispiel die Aufnahme der Gegenspindel abgeändert.
Bei der Spanntechnik auf den Langdrehmaschinen kooperiert Wiha schon seit über fünf Jahren mit dem Spanntechnikspezialisten. Der gute Service, das Know-how bei Sonderlösungen und die Nähe zum Handwerkzeughersteller, waren ausschlaggebend dafür, dass die Zusammenarbeit immer weiter ausgebaut wurde und sich Schlenker gegen andere Mitbewerber durchsetzen konnte.
Besonders bei akuten Problemen zeigt sich laut Andreas Stengele für Wiha der Wert dieser Kooperation: „Wir können Schlenker jederzeit anrufen und brauchen 15 Minuten, um bei ihnen vor Ort zu sein. Falls eine Maschine stehen sollte, können wir so schnell Ersatzteile besorgen.“ Für Arthur Kreiter, Industriemechaniker bei Wiha, ist die Lieferzeit ein großer Vorteil: Bei Sonderlösungen benötigt der Spannexperte etwa drei Wochen von der Zeichnung bis zum Fertigteil. Dabei verfügt Schlenker ebenfalls über eine sehr hohe Fertigungstiefe – lediglich beschichtet wird extern.
Der Handwerkzeughersteller hat insgesamt 45 verschiedene VDE-Bits im Angebot. Für neue Produkte braucht das Unternehmen häufig spezifische Lösungen. Andreas Stengele: „Teilweise hat Schlenker Ideen, die wir anwenden und nutzen können. Oder wir kommen mit einem Problem, das sie dann lösen können.“ So stand man in Mönchweiler beim Langdrehen vor der Herausforderung, dass die Abgeifspannzange nicht gespült werden konnte, da teilweise nach hinten ausgeführt wird. Dadurch kommen Späne in die Zange, welche beim Abgreifen Abdrücke auf dem Werkstück hinterlassen können. Frisst sich der Span in die Zange, muss man diese ausbauen und von Hand nachfeilen – wodurch sie an Qualität und Standzeit verliert. „Hierfür hat Schlenker eine S-Schlitz-Spannzange im Programm, wodurch die Späne nicht in die Zange kommen“, erklärt Andreas Stengele.
Der schmale Grat der richtigen Führung
Bits für Schraubendreher sind ein Kernprodukt in Mönchweiler: 1,1 Millionen Stück dieser Bauteile produzierte Wiha 2018 aus niedriglegiertem Federwerkzeugstahl, meist in Losgrößen um die 5000 Stück. Das Rohmaterial wird in Sechskant-Stangen mit jeweils drei Meter Länge bereitgestellt.
Bei der Bearbeitung werden sehr hohe Rundlauf- und Rundheitsanforderungen an die Teile gestellt. Sind diese nicht gegeben, verteilt sich die isolierende Kunststoffschicht beim Umspritzen ungleichmäßig und die Durchschlaggefahr bei der Arbeit mit der Schraubhilfe erhöht sich. Besonders im Bereich der Führungsbuchsen auf Langdrehmaschinen sei es schwierig, sowohl beim Rundlauf als auch bei der Rundheit den Anforderungen gerecht zu werden. Das liegt laut Andreas Stengele am Durchmesser des verwendeten Materials: „Wir arbeiten im Durchmesserbereich drei bis vier Millimeter, haben aber viel größere Maschinen im Einsatz. Denn die kleineren Maschinen bieten weder die notwendigen Werkzeugplätze, noch die nötige Leistung.“ Die Sechskant-Stangen werden mit der Hauptspannzange gespannt und durch eine Führungsbuchse geführt. Ist sie zu eng, verbiegt sich das Material beim Zuführen. Wenn sie jedoch zu locker sitzt, leiden Rundlauf und Rundheit darunter. „Deshalb ist es immer ein schmaler Grat, wie ich die Führungsbuchse einstelle“, so der Fachmann.
Herkömmliche, verstellbare Führungsbuchsen können über ein Gewinde eingestellt werden. Flexible Führungsbuchsen hingegen, wie sie auch Schlenker anbietet, passen sich dem Material an. Eugen Belz, technischer Leiter bei Schlenker: „Das ist ein pneumatisches System, welches maschinenseitig gesteuert wird. Man hat einen konstanten Druck auf der Führungsbuchse, zum Beispiel 2,5 bar. Wenn das Material größer oder kleiner wird, passt sich die Führungsbuchse den veränderten Gegebenheiten an.“
Übergreifen für eine rückseitige Bearbeitung
Um den Fertigungsprozess der Bits weiter zu optimieren und Zykluszeiten einzusparen, hat Schlenker die Langdrehmaschinen mit dem Masa Tool ausgestattet. Die Übergreif-Spannzange vom gleichnamigen Hersteller und Schlenker-Partner ermöglicht es, unabhängig vom verfügbaren Weg der Maschine, Drehteile mit einem Durchmesserunterschied von bis zu vier Millimeter zu übergreifen. Dadurch lässt sich die Gegenspindel als vollwertige Spindel betrachten. Das sorgt, je nach Geometrie des zu bearbeitenden Werkstückes und den Möglichkeiten der Maschine, für teilweise enorme Einsparungen bei der Zykluszeit.
Das Masa Tool besteht aus einem Grundkörper und einer, in diesem Fall, übergreifenden Spannzange in T-Ausführung. Der Einsatz dieser Spannzange ist sinnvoll, wenn der zu spannende Durchmesser kleiner ist, als der zu überwindende Durchmesser. Damit ist ein Rundlauf von 5 μm möglich.
Das System wird in der Gegenspindel verwendet und lässt sich präzise an der Maschine einstellen. Hierfür bietet Schlenker den Micrograd-Einstellring an, wodurch sich der Verschluss der Microconic-Spannzange in Schritten von 0,02 mm einstellen lässt. Diese Einstellung wird dann vom Grundkörper gehalten. Andreas Stengele: „Normale Spannzangen werden nach Gefühl eingestellt. Mit dem System von Schlenker kann ich genau definieren, wie weit man es für die ideale Spannung anzieht.“ Das geschlossene System besteht aus Federstahl und ist sehr flexibel. „Wir bieten das System seit über zwei Jahren an und haben noch keinen Bruch erlebt“, betont Eugen Belz.
Zyklus- und Umrüstzeiten minimieren
Ohne die Übergreif-Lösung wäre die Bearbeitung alternativ nur zweistufig realisierbar, was mehr Kapazitäten und Mitarbeiter bindet – denn mannlos wird bei Wiha nicht gefertigt. „Es geht immer darum, sich den zweiten oder dritten Arbeitsgang zu sparen“, erklärt Daniel Schanne. Ziel sei es, die Durchlaufzeiten zu verringern, um mit dem Produkt schneller beim Kunden zu sein. So konnte in der Kleinteilserie mehr als ein Viertel der Zykluszeit eingespart werden.
Der Familienbetrieb hat seine Fertigung außerdem dahingehend organisiert, dass auf einer Langdrehmaschine idealerweise nur ein Stangendurchmesser bearbeitet wird und sich deshalb nur das zu fräsende Profil ändert. Da die hintere Seite dieselbe bleibt und vorne überspannt wird, müssen die Maschinen nicht zeitaufwendig umgerüstet werden. „Um die verschiedensten Schraubprofile zu fräsen, muss also nur der Fräser gewechselt werden“, zeigt sich Daniel Schanne zufrieden.
Schlenker Spannwerkzeuge Inge & Josef Meissner GmbH & Co. KG
In der Lache 20
D-78056 VS-Schwenningen
www.schlenker-spannwerkzeuge.de
Wiha Werkzeuge GmbH
Obertalstraße 3-7
D-78136 Schonach
www.wiha.com
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