Im Flugzeugbau müssen in Bauteile aus Faserverbundwerkstoffen und Materialverbunden in der Montage Tausende von Bohrungen für Nietverbindungen eingebracht werden. In der Regel kommen dafür Vollhartmetallbohrer mit Diamantbeschichtung zum Einsatz. Für extrem hohe Anforderungen an Standzeit, Prozesssicherheit und Qualität der Bohrung, also dann wenn die Grenzen noch weiter hinausgeschoben werden sollen, braucht man eine andere Lösung.
Hierfür hat Mapal einen neuen PKD-Bohrer zur Bearbeitung von Composite-Materialien, wie CFK (Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff) und Schichtverbunde aus Aluminium und CFK, entwickelt. Der Bohrer zeichnet sich vor allem durch seine durchgängige PKD-Schneide aus. Bisher kamen im Zentrum meist Spitzen aus Vollhartmetall zum Einsatz, nur die Seiten waren PKD-bestückt. Allerdings sorgte die Unterbrechung der Schneide für Instabilität an den Übergängen, der Lötspalt neigte zu Ausbrüchen. Diese Instabilität hat Mapal mit dem neuen Werkzeug eliminiert.
In den geschlitzten Grundkörper aus Vollhartmetall wird die beidseitig polierte PKD-Schneide eingebracht. Dadurch ist das gesamte System besonders stabil. Dank des Spitzenwinkels von 115° zentriert sich der Bohrer sehr gut selbst. Der Differentialspitzenwinkel von 80° sorgt für einen sauberen Bohrungsaustritt ohne Delamination.
Prozesssicherheit und Standzeit überzeugen
Bei einer Kundenanwendung überzeugt der Bohrer nicht nur durch hohe Prozesssicherheit. Auch die Standzeit begeistert den Kunden. In einem Helikopterbauteil werden in diesem Fall Bohrungen für Bolzen eingebracht. Das Bauteil besteht aus 50 mm starkem CFK. Das bisher eingesetzte Werkzeug hatte nach 50 Bohrungen sein Standzeitende erreicht. Bei höheren Schnittwerten und einer deutlich besseren Qualität der Bohrungen realisiert der Kunde mit dem PKD-Bohrer von Mapal mit einem Durchmesser von 19 mm über 80 Bohrungen – eine Steigerung um 60 Prozent gegenüber den lediglich an den Seiten mit PKD-bestückten Werkzeugen.
Höchste Standzeiten in CFK dank Diamantbeschichtung
Wenn Aluminium- oder CFK (kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff) zerspant werden sollen, ist der Diamant als Schneidstoff das Mittel der Wahl. Neben dem PKD werden hierfür auch CVD-Diamantbeschichtungen eingesetzt. Bei PKD-Ronden kommen Binder zum Einsatz, die die Diamantkristalle zusammenhalten. Bei der CVD-Diamantbeschichtung (Chemische Gasphasenabscheidung) ist dieser Binder nicht nötig. „Wir haben bei CVD 100 Prozent Diamant auf Hartmetall“, bringt es Dr. Wolfgang Baumann, der bei Mapal die Beschichtungs- und Schneidstofftechnologie verantwortet, auf den Punkt. Ein weiterer Unterschied der beiden Diamantvarianten ist die Schärfe der Schneide. Immer wenn eine extrem scharfe Schneide gefragt ist, überzeugt PKD. In vielen anderen Fällen ist die CVD-Diamantbeschichtung eine echte Alternative (siehe Kasten).
Bohrungen ab Durchmesser 25,00 mm in FVK
Delamination ist eine der größten Fehlerquellen beim Bohren von Faserverbundwerkstoffen. Schädigungsfreie Durchgangslöcher sind daher ab Durchmesser Ø 25,00 mm fast nur noch durch Helixfräsen herstellbar. Dies allerdings ist zeitaufwendig, führt zu hohem Werkzeugverschleiß und zu starker, möglicherweise gesundheitsschädlicher Staubentwicklung. Ein Kronenbohrer von Gühring zeigt sich in diesem Anwendungsfeld als das bessere Werkzeugkonzept.
Der große Vorteil in der Anwendung des neu entwickelten Kronenbohrers ist der sichere Ausstoß des Stopfens. Dieser bleibt bei Bohrungen großer Durchmesser übrig. Bei der Anwendung eines Kronenbohrers zerspant der Anwender nur die Wandstärke des Bohrwerkzeugs. Mit dem Kronenbohrer ist man somit gegenüber dem Helixfräsen schneller, hat einen geringeren Werkzeugverschleiß und eine viel geringere Staubbelastung.
Möglich gemacht wird dies durch eine prozesssichere Kühlung und eine ausgeklügelte Schneidengeometrie. Trockenbearbeitung mit Druckluft als Kühlmedium ist hier das Mittel der ersten Wahl. Kühlschmiermittel (KSS) ist prinzipiell möglich, aber problematisch, da zu viel Druck vonnöten ist, um den Stopfen nach Beendigung des Bohrvorgangs auszuwerfen. Druck jenseits der 30 bar würden hier wiederum zur Delamination führen, was es bei der Bearbeitung von Faserverbundstoffen zu vermeiden gilt.
Das Gühring-Werkzeugkonzept arbeitet mit einer zentralen Träger- und einer direkten Schneidenkühlung. Durch die Kühlleitung im Zentrum des Werkzeugträgers und drei Verteilerbohrungen vom zentralen Kühlmittelstopfen zu den Aufnahmebohrungen profitiert der Anwender von einem direkten Kühlmittelaustritt an der Schneide.
Um prozesssicher zerspanen zu können hat Gühring jede Menge Entwicklungsarbeit in die perfekte Position der Schneiden und deren Geometrie gelegt. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wie die Schneidenausrichtung gestaltet werden kann: stumpf, nach außen gerichtet oder nach innen gerichtet. Diese Lösungsansätze brachten jeweils unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich.
Verschiedene Schneidengeometrien
Ein Werkzeugkonzept mit rechteckigen Schneiden erwies sich aufgrund der Einleitung der Vorschubkraft in die Decklage schnell als ungeeignet.
Die Weiterentwicklung sah vor, die Schneiden einzeln anzuschrägen. Der Vorteil dabei ist, dass die Vorschubkraft Fa nur auf den Stopfen und nicht auf das Werkstück gelenkt wird. Die Vorschubkraft ist jedoch so enorm, dass der Stopfen bei den letzten Lagen abhebt und eine Delamination verursacht. Gleichzeitig werden die Schneiden durch das Schneiden-Design nach außen abgelenkt, so dass bei einer zu nachgiebigen Gestaltung der Schneidträger zu einer Durchmesseraufweitung über den Bohrungsverlauf kommen kann: Das Ergebnis ist eine Delamination durch drückenden Stopfen.
Bei der dritten Variante zeigen die Schneiden nach außen. Hier hat der Anwender null Vorschubkraft Fa auf dem Stopfen. Dafür wird die gesamte Vorschubkraft in das Werkstück eingeleitet und die Schneiden werden nach innen gedrückt, wodurch es zu einer Abschälung bzw. Delamination kommt: Das Ergebnis ist eine Delamination durch schälende Spitze.
Asymmetrie für eine Aufteilung der Vorschubkraft Fa
Als logische Konsequenz fiel die Wahl auf ein asymmetrisches Schneiden-Design. Das heißt, dieses ist nicht symmetrisch mit 90 Grad-Spitze, wie man es von konventionellen Bohrern kennt. Wichtig war, die Aufteilung der Vorschubkraft zwischen dem Werkstück und dem Stopfen einzustellen, denn die einzelnen Materialien im Verbund zeigen unterschiedliche Delaminationsneigungen, was die Zerspanung zusätzlich erschwert.
Hier wird die Problematik zur Chance: Obwohl die Materialien alle Faserverbunde sind, können sie unterschiedliche Neigungen zum Delaminationsverhalten haben. Mit dem Konzept des Kronenbohrers kann Gühring auf die jeweiligen Bedürfnisse des Materials reagieren. Das heißt: Wenn erforderlich, kann das Schneiden-Design jederzeit angepasst werden, je nachdem wie der Werkstoff sich verhält. Bereits erprobt wurden zahlreiche Materialtypen mit duroplastischen Matrixsystemen, wie GFK, CFK sowie CFK mit Cu-Mesh als Decklage. Letzteres wird häufig für Außenhautbauteile in der Luftfahrt eingesetzt. Die Art der textilen Verstärkung beinhaltete UD, Gewebe (Leinwand, Köper & Atlas), Gelege als endlosfaserverstärkte Varianten sowie lang- und kurzfaserverstärkte Faserverbundwerkstoffe. Die Schneidträger des Kronenbohrers werden einzeln gefertigt, was eine größere Designfreiheit als bei fest verlöteten Werkzeugen mit sich bringt. Hier profitiert Gühring von seiner Fertigungstiefe. Der Trägerrohling kam bereits bei anderen Werkzeugkonzepten erfolgreich zur Anwendung – „proof of concept“ sozusagen. Gühring-intern wurden Versuche, Messungen und Prüfmittel von anderen Feldern miteinbezogen, um von diesen Synergien in einem neuen Werkzeugsystem zu profitieren.
In der Entwicklung hat sich eine Schneidengeometrie durch ihre guten bis sehr guten Ergebnisse in den verschiedenen Faserverbundwerkstoffen als Allrounder durchgesetzt. In Spezialfällen zeigten Sonderformen der Schneidengeometrie in einzelnen Anwendungsfällen leichte Vorteile. Hier verfügt Gühring über das nötige Know-how, um bei Bedarf auf individuelle Kundenanforderungen einzugehen. Möglich sind verschiedene Schneidstoffe von blankem Vollhartmetall, über beschichtetes Vollhartmetall bis hin zu PKD-Schneiden.
Der Bohrungsdurchmesser ist konstruiert auf 40,5 mm, aber nach unten bis auf Durchmesser 25 mm skalierbar. Nach oben wurde bisher keine technische Grenze identifiziert. 80 bis 100 mm sind kein Problem.
Beschichtungs-Knowhow
Alle Ausführungen zeigen sehr gute Bohrungsaustritte. Eine Beschichtung ist in vielerlei Hinsicht unerlässlich. Erstens um die Oberflächenhärte zu erhöhen, da der Staub von Faserverbundstoffen oftmals abrasiv wirkt. Zweitens weil Kohlenstaub elektrisch leitfähig ist und in Verbindung mit einem leitfähigem Medium die Korrosion beschleunigen würde.
Der Kronenbohrer besteht aus einem Grundkörper, der Aufnahmebohrungen für die Schneidträger beinhaltet. Diese Bohrungen verlangen eine Durchmessertoleranz und eine Positionstoleranz. Die Schneiden wiederum haben ebenfalls eine Fertigungstoleranz. Die Wechselgenauigkeit beträgt 65 µm. Zudem besteht die Möglichkeit, die Werkzeuge nach jedem Schneidenwechsel rundzuschleifen, was die Wechselgenauigkeit weiter nach unten drückt. Die Wiederholgenauigkeit in einem Setup beträgt +/- 10 µm.
Eingesetzt wird der Kronenbohrer in Maschinenbau und Luftfahrt. Weitere Anwendungen sind im Bereich Bootsbau und Windkraft (Rotornaben, Rotorblätter, Verschraubungen) denkbar.
Mapal Fabrik für Präzisionswerkzeuge Dr. Kress KG
www.mapal.com
Gühring KG
www.guehring.com
Strategische Partnerschaft zur CVD-Diamantbeschichtung
Im Bereich der PKD-Werkzeuge verfügt Mapal über eine der größten Fertigungen weltweit und aufgrund der jahrzehntenlangen Erfahrung sind die Experten in der Lage, gemeinsam mit den Kunden eine optimale Zerspanungsstragie zu finden. Die gleiche Expertise baut sich Mapal nun mit dem neuen strategischen Partner SP3 im Bereich der Diamantbeschichtungen auf. „Vor allem bei der Zerspanung von CFK, Kunststoffen und Keramik weisen diamantbeschichtete Werkzeuge beziehungsweise Wendeschneidplatten die besten Einsatzwerte und Standzeiten auf“, erläutert Dr. Wolfgang Baumann. Auch für die Bearbeitung von Graphitelektroden, beispielsweise für den Werkzeug- und Formenbau, eignen sich diamantbeschichtete Hartmetalle.
Für die tatsächliche Beschichtung kommt bei SP3 das sogenannte „Hot-Filament-CVD“-Verfahren zum Einsatz. Dr. Baumann erklärt den Prozess: „Mithilfe von Wolframdrähten werden Wasserstoff und Methan auf bis zu 2550°C erhitzt. Dadurch entstehen sehr reaktive Methanradikale. Diese lagern ihre C-Atome nach und nach an Diamantkeimen auf der Hartmetalloberfläche ab, wodurch der Diamant wächst. Je nach Druck, Gasfluss und Temperatur variiert die Größe der Kristalle. Sie reicht von nanokristallin bis mikrokristallin. Die Oberfläche der Beschichtung ist abhängig von der erzeugten Kristallgröße. Sie reicht von extrem glatt bis rau.“
Um das Beschichtungsverfahren bestmöglich umzusetzen, hat SP3 eigene CVD-Diamant-Reaktoren entwickelt. Für eine gleichmäßige Energieverteilung hat das Unternehmen eine spezielle Anordnung der Heizdrähte konzipiert und sich diese patentieren lassen. Vor allem die maximale Schichtdicke von 50 µm ist es, die das von SP3 entwickelte Verfahren so besonders macht.