Startseite » Fertigung »

Nach dem Werkzeugwechsel ist Wuchten Pflicht

Gewuchtete Werkzeuge erhöhen Produktivität
Nach dem Werkzeugwechsel ist Wuchten Pflicht

Feingewuchtete Werkzeuge bringen zahlreiche Vorteile mit sich. Neben hoher Sicherheit sowie langen Werkzeug- und Spindelstandzeiten ist die Möglichkeit zur Produktivitätssteigerung das stärkste Argument. Denn nur wenn die Einheit aus Aufnahme und Werkzeug eine hohe Rundlaufgenauigkeit aufweist, können optimale Bearbeitungsparameter gewählt werden. Daher gilt, lieber einmal zuviel gewuchtet als zu wenig.

Unwucht entsteht bei der Rotation durch ungleiche Gewichtsverteilung. Sie erzeugt Fliehkräfte, die mit der Drehzahl quadratisch ansteigen. Das heißt, bei gleicher Unwucht erzeugt eine Spindel bei 10 000 min-1 eine 25-mal so hohe Fliehkraft gegenüber einer Drehzahl von 2000 min-1. Dadurch macht sich in der Hochgeschwindigkeitsbearbeitung sowie bei schweren oder weit auskragenden Werkzeugen eine Unwucht in Werkzeugaufnahme und Werkzeug besonders negativ bemerkbar.

Die Folgen der Unwucht sind vielfältig: Die Fliehkraft belastet die Spindellagerung, deren Lebensdauer nach Erfahrungswerten um etwa 50 Prozent sinkt. Die Hersteller von Werkzeugmaschinen und Spindeln haben auf diese Erkenntnis mittlerweile reagiert und schreiben vor, ausgewuchtete Werkzeuge zu verwenden. Andernfalls gibt es keine oder nur eingeschränkte Gewährleistung für die Spindel.
Da sich die Wirkrichtung der Fliehkraft mit der Drehung der Spindel ständig ändert, erzeugt sie Schwingungen. Diese Vibrationen übertragen sich auf die gesamte Maschine und speziell aufs Werkzeug, wodurch sich die Werkzeugstandzeit beträchtlich verschlechtern kann. Erfahrungsgemäß wird die Werkzeugstandzeit bei ungewuchteten Gesamtwerkzeugen (Werkzeugaufnahme mit eingespanntem Werkzeug und Anzugsbolzen) um 10 Prozent im Schnitt verkürzt. Erhöhte Werkzeugkosten sind die Folge. Bei angenommenen 10 Euro Werkzeugkosten pro Stunde sind das immerhin 8 Euro pro Schicht oder 1600 Euro im Jahr pro Werkzeugmaschine (bei einschichtigem Betrieb).
Prozesssicherheit und höhere Produktivität
Nun sind diese Vibrationen nicht nur für Spindel und Werkzeug schädlich. Sie beeinträchtigen die gesamte Prozesssicherheit und übertragen sich aufs Bearbeitungsergebnis. Sie erzeugen Rattermarken, die durch zusätzliche Feinbearbeitung beseitigt werden müssen. Um die Prozesssicherheit und das geforderte Bearbeitungsergebnis zu erreichen, müssen die Schwingungen reduziert werden. Ein Mittel dazu: Reduktion von Drehzahl, Vorschub und Schnitttiefe. Das führt zu ruhigerem Lauf – aber auch zu geringerem Zeitspanvolumen, also schlechterer Produktivität.
Die Firma Haimer, Igenhausen, Spezialist für hochpräzise Werkzeugaufnahmen und Wuchttechnologie, verdeutlicht das Problem mit einigen einfachen Zahlen: Ein Bearbeitungszentrum kostet pro Stunde ca. 100 Euro (einschichtiger Betrieb, 1600 Std. Laufzeit pro Jahr). Bei einer Steigerung der Zerspanleistung von nur 10 % spart man 10 Euro pro Stunde. Das sind 16 000 Euro pro Jahr – also richtig viel Geld. Die 10 % Steigerung der Zerspanleistung kommen nicht von ungefähr.
Erfahrungen aus der Haimer eigenen Produktion und Aussagen von Kunden, die ihre Werkzeuge bereits auswuchten, sprechen eher von noch höheren Werten.
Willkommener Nebeneffekt: Die Spindeln leben länger. Wichtiger als die Kosteneinsparung ist hier die Zuverlässigkeit der Maschinen. Der Spindeltausch wird planbar. Es gibt keine ungeplanten Maschinenstillstände mehr.
Unter dem Strich kommen über 20 000 Euro zusammen, die man sich mit einem gewuchteten System pro Jahr und Maschine sparen kann. Dabei sind aber Einsparungen durch verbesserte Oberflächengüte, höhere Maßgenauigkeit und weniger Maschinenstillstände noch gar nicht mitgerechnet.
Messversuch schafft Klarheit
Dass feingewuchtete Werkzeugaufnahmen, wie sie renommierte Hersteller anbieten, ein Schritt in die richtige Richtung sind, ist unbestritten. Doch wie wirken sich die eingespannten Werkzeuge auf die Gesamtunwucht des Systems aus? Die Wuchtspezialisten von Haimer haben sich diese Frage gestellt und mit einem einfachen Versuchsaufbau nach Antworten gesucht. Auf einer Haimer Wuchtmaschine Tool Dynamic wurden Messungen mit je einem Weldon-, Spannzangen- und Schrumpffutter sowie einer Messerkopfaufnahme durchgeführt – alles feingewuchtete Haimer-Produkte mit einem Schaftdurchmesser von 20 mm in kurzer Ausführung. Die Messvorgaben waren: Wuchtgüte G = 2,5 bei Betriebsdrehzahl 25 000 min-1 / Messverfahren 1 Ebene (statisch).
Zunächst hat Haimer bei den vier verschiedenen Werkzeughaltertypen die Unwucht an sich – also ohne Werkzeug – gemessen. „Bei den Aufnahmen war die Unwucht stets im Toleranzbereich, so wie sie sein sollte“, berichtet Qualitätsleiter Franz Ziegltrum. „Die anschließenden Messungen mit Werkzeugen in diesen feingewuchteten Aufnahmen brachten dann deutliche Unwuchten zu Tage – vor allem bei Werkzeugen mit Spannfläche, die heute noch sehr weit verbreitet sind.“
Bei zylindrischen Werkzeugschäften und symmetrischer Werkzeuggeometrie in Haimer Schrumpffuttern und Spannzangen ist keine nennenswerte Unwucht aufgetreten. Die gemessenen Werte lagen bei 0,8 bzw. 1,3 gmm. Franz Ziegltrum erklärt: „Werkzeuge mit zylindrischem Schaft und symmetrischen Schneiden tragen nur eine geringe Unwucht in sich. Die Schrumpffutter haben keine beweglichen Teile und spannen das Werkzeug zentrisch. Auch hier entsteht fast keine zusätzliche Unwucht. Bei den Spannzangenaufnahmen ist die Spannmutter problematisch, da sie unsymmetrisch aufgebaut ist. Deshalb werden die Muttern bei Haimer gesondert gewuchtet – ohne Aufpreis für den Kunden.“
Nach Werkzeugwechsel muss gewuchtet werden
Dagegen konnten Werkzeuge mit Spannfläche in keinem Fall die Vorgabe erreichen. Selbst in der Weldon-Aufnahme wurde eine tatsächliche Unwucht von 5,5 gmm gemessen, was einer Wuchtgüte von G8 entspricht und rein rechnerisch lediglich die Maximaldrehzahl von 7600 min-1 zulässt. Im Spannzangenfutter wurde bei diesem VHM-Werkzeug mit Spannfläche sogar eine Wuchtgüte von G 29 und im Schrumpffutter von G 38 festgestellt. Das entspricht Maximaldrehzahlen von 2700 min-1 bzw. 1600 min-1. Für Franz Ziegltrum und seine Kollegen eine wichtige Erkenntnis: „Selbst feingewuchtete Schrumpf- und Spannzangenfutter werden durch unsymmetrische Werkzeuge oder durch Werkzeuge mit Weldon-Spannfläche ganz erheblich unwuchtig. Wer prozesssicher und wirtschaftlich arbeiten will, muss unbedingt nach jedem Werkzeugwechsel neu auswuchten.“
Ein ähnliches Ergebnis brachte die Messung bei der Messerkopfaufnahme: Mit eingesetztem Wendeplattenwerkzeug wurde eine Unwucht von 20,3 gmm festgestellt, was einer Wuchtgüte von G 23 entspricht. Der Grund: Wendeplatten sind montierbare Teile, die nicht unbedingt immer an der gleichen Stelle sitzen. Da der Messerkopf an sich durch die Art der Montage (Zapfen mit Bohrung und Spielpassung) eine große Toleranz aufweist, ist die Position des Werkzeugs nicht hundertprozentig definiert. Auch hier ist ein gemeinsames Wuchten von Aufnahme und Werkzeug unerlässlich.
Franz Ziegltrum fasst zusammen: „Der Test zeigt beeindruckend, dass selbst bei qualitativ führenden Werkzeugen ein Auswuchten mit eingespanntem Werkzeug wichtig ist. Zudem verdeutlicht die Messung, dass der Anwender nur qualitativ hochwertige Werkzeugaufnahmen verwenden sollte. Dann kann er sich bei richtiger Werkzeugauswahl – symmetrisch und ohne Spannfläche – in Bezug auf die Unwucht auf gewisse Spanntechniken verlassen. Durch unsere Schrumpf- und Spannzangenfutter zum Beispiel wird die Notwendigkeit des Wuchtens nach dem Werkzeugwechsel zwar nicht eliminiert, jedoch auf ein notwendiges Minimum reduziert.“
Wuchten kann so einfach sein
Beim Thema Auswuchten gibt es oft noch Berührungsängste. Mit der richtigen Wuchtmaschine und einer praxisgerechten Software geht das Wuchten aber einfach und schnell. Der Bediener setzt die Werkzeugaufnahme in die Maschine und wählt im Menü die passenden Vorgaben aus. Von da an sagt ihm die Maschine, was zu tun ist. So ist es jedenfalls bei den Wuchtmaschinen „Tool Dynamic“ von Haimer. „Unser Konzept sieht vor, dass jeder Mitarbeiter im Fertigungsbereich, der sich mit Werkzeugaufnahmen auskennt, die Maschine ohne großen Schulungsaufwand bedienen kann“, betont Franz Ziegltrum. „Das Fachwissen steckt in der Maschine, die – wenn sie mit den notwendigen Daten gefüttert wurde – alle Berechnungen durchführt.“ Diese Daten werden für jedes Werkzeug einmal erfasst und abgespeichert. Das spart Zeit und verhindert Fehler. Zusätzliche Sicherheit bietet die Benutzerverwaltung. Beispielsweise kann das Recht, Werkzeugdaten anzulegen oder zu verändern, auf bestimmte Personen beschränkt werden. Die übrigen Benutzer dürfen nur die gespeicherten Werkzeuge aufrufen und nach den hinterlegten Vorgaben auswuchten.
Wuchten dauert nur Minuten
Der gesamte Wuchtvorgang ist schnell erledigt. Das Messen dauert maximal eine Minute, und wenn man mit Wuchtringen arbeitet, ist der gesamte Vorgang in zwei Minuten abgeschlossen. Muss man zum Masseausgleich mit dem Werkzeug auf eine Bohrmaschine, dauert das entsprechend länger.
Eine sehr elegante und wirtschaftliche Lösung bietet die neue Tool Dynamic Autodrill von Haimer, die mit einer integrierten Bohreinheit ausgestattet ist. Mit dieser Maschine kann der Bediener in einem Arbeitsgang die Unwucht der Werkzeuge messen und durch Abbohren von Material beseitigen. Er spart sich den Weg zur Bohrmaschine und erreicht dank der hochgenauen Spannung sowie der präzisen Materialentfernung eine exzellente Werkzeuggenauigkeit. Diese innovative Weiterentwicklung der bewährten Haimer Wuchtsysteme führt zu einer erheblichen Effizienzsteigerung beim Werkzeugwuchten.
Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelle Ausgabe
Titelbild mav Innovation in der spanenden Fertigung 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Trends

Aktuelle Entwicklungen in der spanenden Fertigung

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Alle Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de