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Wie entsteht Neues in der Welt?

Innovationsforschung: Von Daniel Düsentrieb zur teamorientierten Innovationskultur
Wie entsteht Neues in der Welt?

Ideen sind das Kapital der Zukunft. Das gilt ganz besonders seit Beginn der Industrialisierung. Der zunehmende Wohlstand der arbeitsteiligen Gesellschaft basiert auf der Erfindung immer neuer Produkte und Dienstleistungen. Dies betrifft speziell Deutschland. In einem an Rohstoffen und anderen Ressourcen armen Land waren und sind bis heute gute Ideen sprichwörtlich Gold wert. Doch wie entstehen gute Ideen, aus denen schließlich Innovationen werden? Autor: Konrad Mücke

Weit verbreitet ist die Ansicht, einzelne „Lichtgestalten“ hätten zur passenden Zeit den alles überstrahlenden „Geistesblitz“. Genährt wird diese Meinung durch allerlei Geschichten über berühmte Persönlichkeiten. Das Spektrum reicht dabei von Leonardo da Vinci über Johannes Gutenberg und Thomas Alva Edison bis zum jüngst verstorbenen schwäbischen Universaltüftler Artur Fischer.

Deren Erfindungen – Wasserförderschnecken und Helikopter, Buchdruck, elektrische Glühlampe, synchroner Fotoblitz, Kunststoffdübel und Mechanikbaukasten – sind heute jedem Schulkind geläufig. Betrachtet man die jeweiligen Ideen etwas genauer, fällt sofort eines auf: Leonardo da Vinci war zwar hochgebildet und im ausgehenden 15. Jahrhundert seiner Zeit sicher weit voraus, seine Erfindungen blieben aber historisch gesehen zunächst (und über sehr lange Zeit) reine Theorie. Ganz anders verhielt es sich mit den weiteren genannten Urhebern neuer Produkte. Sie gelten als Schrittmacher des Fortschritts. Wesentlich dafür waren die technische Verwirklichung der Erfindungen und – ganz besonders wichtig – der gesellschaftliche und wirtschaftliche Erfolg. Buchdruck verbreitete sich für die Verhältnisse im 16. Jahrhundert geradezu rasend schnell. Er entsprach einem Bedürfnis, Wissen und Information wiederholbar und zuverlässig zu verbreiten. Edison galt als gewiefter Geschäftsmann, der schon im ausgehenden 19. Jahrhundert seine Erfindungen am wirtschaftlichen Erfolg orientierte. Artur Fischer schließlich gründete seine Entwicklungen auf einen Bedarf, auf latent vorhandene Wünsche und Forderungen. Nach aktuellen Definitionen wurden erst durch diese gesellschaftliche und wirtschaftliche Relevanz aus Ideen und Erfindungen wirklich Innovationen.
Nützlich muss es sein
Damit ist vorgezeichnet, wie man heute im industriellen Umfeld Innovationen angeht. Sie werden als eine ganzheitliche Marktleistung betrachtet. Es geht um einen gesellschaftlichen Prozess langsamer Reifung. Im Fokus steht der Aspekt der Nützlichkeit. Nützlich soll ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung für Anwender, aber auch für den Anbieter sein. Dabei erbringt der Anbieter die Leistung der Erfindung. Er benötigt dafür eine Vielzahl an Ressourcen, die er zum Erfolg der Innovation geschickt nutzen muss. Der Anwender profitiert von der Erfindung. Mit seiner Anerkennung durch sein Begehren und seine wirtschaftliche Gegenleistung entlohnt er den Erbringer der Innovation. Das gibt zugleich Ansporn für weitere Innovationen.
Erst aus dem Zusammenspiel von Anwender und Anbieter, aus Rückkopplungen ergeben sich Innovationen. Das geschieht in einem Prozess, der sich nicht vollständig planen und vorhersagen lässt. Er erfordert also einiges an unternehmerischem Mut. Um dennoch die Entwicklung nicht völlig dem Zufall zu überlassen, vertrauen viele Unternehmen inzwischen auf ein aktives Innovationsmanagement.
Was führt konkret zu einer Innovation?
Anstoß für eine Innovation sind meist Forderungen nach besseren oder alternativen Produktionsprozessen, Produkten oder Dienstleistungen. Häufig gilt es, konkrete Probleme zu lösen, auf die beispielsweise Kunden, Geschäftspartner oder Mitarbeiter aufmerksam gemacht haben. Deshalb sind zwei Aspekte wesentlich als Basis für ein erfolgreiches Innovationsmanagement: Zum einen offen sein, um Denkanstöße von außen und von „Freidenkern“ zunächst vorbehaltlos aufnehmen zu können. Zum anderen Vernetzung unter Mitarbeitern, Geschäftspartnern und Kunden fördern, um von allen Seiten möglichst viel verwertbaren Input zu bekommen.
Aller Erfahrung nach liefert das eine oder das andere die Initialzündung für den anschließenden Innovationsprozess. Das kann ein zunächst völlig querulanter Vorschlag eines Mitarbeiters oder unbedarften Betrachters sein. Es kann aber auch eine auf den ersten Blick unerfüllbare Kundenforderung sein. Der Innovations-Experte Andreas Schutkin beschreibt in seiner aktuellen Publikation „Das Geheimnis des Neuen: Wie Innovationen entstehen“ unterschiedliche Innovationsprozesse. Er erläutert darin die wirkenden Mechanismen branchenübergreifend. Er rät dazu, das Gewohnte offen in Frage zu stellen und grundlegend Neues anzudenken. Aus seiner Sicht führen Forderungen von Kunden häufig nur zu kleinen Innovationsschritten. Denn meist ist der Blick bereits verstellt, nur das im gewohnten Umfeld technisch und wirtschaftlich realisierbare wird gefordert. Richtungsweisende Innovationen ergeben sich aber erst, wenn man grundsätzlich gewohnte Lösungskonzepte in Frage stellt und völlig neue Wege beschreitet.
Passende Ideen zur Lösung der anstehenden Innovationsaufgabe ergeben sich oft aus einem weit gefächerten Netzwerk. Analogien zu völlig andersartigen Prozessen oder Produkten liefern wertvolle Impulse. Eine derartige Situation beschrieb und untersuchte beispielsweise Prof. Dr. Alexander Fliaster an der Universität Bamberg. Er forscht und lehrt im Studiengang BWL mit dem Schwerpunkt Innovationsmanagement (siehe Kasteninfo).
Ebenso entstehen Innovationen meist an technologischen Schnittstellen. Das erfordert eine fächer- und abteilungsübergreifende Vernetzung und Zusammenarbeit. In einem Innovationsprojekt können Mitarbeiter aus unterschiedlichen Abteilungen ihr Knowhow einbringen und zusammenführen.
Innovation lohnt sich!
Nach Angaben der KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau, einem der bedeutenden Finanziers des deutschen Mittelstands, wächst der Umsatz in einem innovativen Unternehmen durchschnittlich 3,9 % bereits innerhalb von zwei Jahren nach Einführung einer Innovation gegenüber einem Vergleichsbetrieb ohne Innovation. Die Umsatzrendite steigt innerhalb von zwei Jahren um 7 % gegenüber nichtinnovativen Unternehmen.
Neugierig sein und dranbleiben
Für Karlheinz Brandenberg, Miterfinder der mp3-Technologie, wird eine Innovation vor allem von Neugier angestoßen. Prof. Dr. rer. nat. habil. Josef Pauli, in Lehre und Forschung an der Universität Duisburg an der Fakultät Ingenieurwissenschaften auf dem Gebiet Intelligenter Systeme tätig, hält vor allem kontinuierliche Arbeit für entscheidend.
Innovationsmanagement tritt an, beides in Einklang zu bringen. Zum einen sollen die Aufmerksamkeit und die Neugier gefördert und wachgehalten werden, zum anderen sollen die Denkanstöße in einem breiten Forum kontinuierlich weiterverfolgt werden. Innovationsmanagement schafft dafür die richtigen Rahmenbedingungen. In ihr müssen Führungskräfte auch zu Risiken bereit sein und eventuelle Fehlschläge einkalkulieren. Sie müssen ihren Mitarbeitern Fehler verzeihen. Mehr noch sollen sie geradezu zu Fehlern aufrufen. „Macht Fehler!“ soll der Start-up-Unternehmer Lukasz Gadowski seinen neuen Angestellten mit auf den Weg gegeben haben. Laufen Entwicklungen anders als erwartet, verbuchen alle Beteiligten das als Lerneffekt. Auf Basis wechselnder Erkenntnis und der aktuell verfügbaren Mittel werden Entscheidungen für die folgenden Entwicklungsschritte getroffen.
Können alle Beteiligten vorbehaltlos an diesem Innovationsprozess mitwirken, ergibt sich eine gute Innovationskultur. In ihr können alle Mitarbeiter mit ihren Ideen zum Entstehen von Innovationen beitragen. In einer perfekten Innovationskultur befinden sich die Mitarbeiter in einem regen Austausch. Alle bauen auf den Ideen der anderen auf, bringen sich mit ihren besonderen Talenten ein und lassen mit Begeisterung begehrte Produkte und Prozesse entstehen. Die Mitarbeiter sind auf ihr Schaffen stolz und freuen sich über neue Herausforderungen. Da es ihnen gelingt, eigene Ideen zu verwirklichen, haben sie ein erfülltes Arbeitsleben, das ihnen Freude bereitet. Das Unternehmen profitiert von Markterfolgen und steigenden Umsätzen. Somit sichert richtig vorangetriebene Innovation die Zukunft jedes Unternehmens und insgesamt unserer Gesellschaft. ■

Branchen- und fächerübergreifend vernetzen
Ärzte des Great Ormond Street Hospital in London suchten Möglichkeiten, ihre Arbeit zu verbessern. Ein im Fernsehen verfolgtes Formel 1-Rennen lieferte den entscheidenden Impuls. Das komplexe Zusammenarbeiten mehrerer Mitarbeiter beim Boxenstopp, der nur wenige Sekunden dauerte, beeindruckte die Ärzte. Sie erkannten viele Parallelen zur Teamarbeit im OP-Raum und bei der Patientenübergabe an die Intensivstation. Daraufhin nahmen sie mit den Verantwortlichen von Ferrari Kontakt auf und erarbeiteten gemeinsam mehrere Veränderungen der Arbeitsabläufe im Krankenhaus.

Mehr als neue Produkte
Innovation verbindet man allgemein mit neuen Produkten. Doch Innovationen verändern sämtliche Bereiche industrieller Unternehmen: Sie können komplexe Prozesse betreffen, zum Beispiel das Abfüllen von Getränken oder das Herstellen komplexer Werkstücke. Letzteres hat sich einhergehend mit der Produktinnovation „Multitasking-Maschinen“ ergeben. Statt eine Vielzahl von Bearbeitungsstationen zu durchlaufen, werden Bauteile heute auf nur einer Maschine in einem steten Ablauf gebohrt, gedreht, gefräst und somit komplett fertig bearbeitet. Auch optimierte Abläufe im Management und in der Organisation gründen auf einer Prozessinnovation. Beispiele sind die heute übliche CAD-CAM-Koppelung bis direkt an die CNC-Maschinen und die Vernetzung von kaufmännischen und technischen Abteilungen durch Tool-Data-Management. Die mit Industrie 4.0 fortschreitende Vernetzung wird signifikante Prozessinnovationen hervorbringen.
Auch im Marketing führen Innovationen zu deutlichen Veränderungen. Heute fördern unter anderem interaktive Internetseiten den direkten Kontakt zu Kunden. Auch die Einführung von Online-Shops, zum Beispiel für den Direktvertrieb von Standard-Werkzeugen, zählt zu den Marketinginnovationen.
Als Beschaffungsinnovationen bezeichnet man unter anderem das Erschließen neuer Bezugsquellen. Das betrifft beispielsweise Zuliefernetzwerke, die ein Komplettangebot von der Entwicklung über die Produktion bis zur Lieferung einbaufertiger Baugruppen bieten. Auch das Beschaffen von Standardprodukten über Internet-Ausschreibungen beinhaltet eine Beschaffungsinnovation.

Zur passenden Zeit
Stephen B. Johnson Blogger, Mitgründer dreier Online-Unternehmen und Buchautor (unter anderem „Interface Culture“ und „Die neue Intelligenz: Warum wir durch Computerspiele und TV klüger werden“), hebt die Bedeutung des richtigen Zeitpunkts und Zeitraums für eine Innovation hervor. Seiner Ansicht nach lässt sich eine gute Idee nur erfolgreich realisieren und wird somit zu einer Innovation, wenn dafür „die Zeit reif ist“, wenn schon „etwas in der Luft liegt“. In seiner jüngsten Publikation „Where Good Ideas Come From“ empfiehlt er, bei Innovationen seiner Zeit etwa zwei Jahre voraus zu sein. Mehr sei eher hinderlich, da die Menschen im Umfeld dann die Innovation nicht nachvollziehen können. Zudem fehlen häufig weitere Voraussetzungen, um aus der richtigen Idee eine Innovation, also ein erfolgreiches Produkt zu formen. Als Beispiel führt er den englischen Mathematiker Charles Babbage an, der bereits Mitte des 19. Jahrhunderts einen Computer gebaut hatte. Dieser arbeitete jedoch rein mechanisch und äußerst störanfällig, da Elektronik mit Halbleitern noch nicht bekannt war. Deshalb scheiterte Babbages Innovation kläglich.

So gelingt Innovation:
Bedürfnisse erkennen und analysieren
in (wechselnden) Teams arbeiten
fächer-, branchen- und abteilungsübergreifend vernetzen, Ideen sammeln, Analogien finden
gewohnte Lösungswege in Frage stellen und sogar verwerfen, völlig Neues konzipieren
Risiken eingehen, Fehler und Irrwege tolerieren
konsequent und beharrlich an der Lösungssuche arbeiten
Nützlichkeit und Profit für Anwender und Hersteller generieren
der Zeit, also der aktuellen Technologie, immer ein wenig, aber nicht zu weit voraus sein

Eine Innovation
durchbricht bekannte Sachzwänge und löst ein breites Marktbedürfnis mit durchschlagendem Erfolg auf neuartige Weise.“
Christoph Plüss, Technischer Geschäftsführer / CTO der Ewag AG, Etziken / Schweiz
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