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Prozesssicher entgraten

Lohnfertiger setzt thermische Methode flexibel ein
Prozesssicher entgraten

„Hut ab“, so kommentiert Gerd Bemsel, Senior und Firmengründer der ZPO aus Oberndorf, die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, die das thermische Entgraten bezüglich des Teilespektrums bietet. Mit Stolz zeigt er fünf so genannte TEM-Anlagen von Rexroth – darunter eine neue TEM-P 350 mit moderner Proportionaltechnik für die Gasdosierung.

Autor: Patrick Schweikhardt, Vertrieb Entgrattechnik, Bosch Rexroth AG

Das thermische Entgraten, auch thermische Entgratmethode (TEM) genannt, ist ein noch relativ junges abtragendes Fertigungsverfahren, das Bemsel schon aus den Anfängen in den frühen 70er Jahren kennt, als er in der Metall verarbeitenden Industrie tätig war. Damals wurden komplexe Serienteile im Anschluss an die zerspanende Bearbeitung nach dem Verbrennungsprinzip entgratet. Dabei handelte es sich um Werkstücke mit innen liegenden Bohrungsverschneidungen – Geometrien, die mit anderen Entgratverfahren nicht oder nur schwer zugängig sind.
Außerdem war Gratfreiheit mit absoluter Prozesssicherheit gefordert, die nur so zu gewährleisten war. „Die von Bosch stammende Maschine arbeitete mit 100 Zyklen pro Stunde im Zweischichtbetrieb“, erinnert sich Bemsel, der damit den grundsoliden Maschinenbau anspricht. Rückblickend auf die Anfangszeit der 1991 gegründeten ZPO erzählt Bemsel auch von seiner ersten eigenen TEM-Anlage. Sie wurde 1994 als generalüberholte Maschine angeschafft und läuft heute noch.
Den Grat verbrennen
Was den Senior sowie seine Tochter Pamela Bemsel, die seit einigen Jahren das Unternehmen als Geschäftsführerin leitet, ebenso begeistert, ist die Entgratmethode an sich. Mit ihr lassen sich innen und außen liegende Grate an metallischen Werkstücken durch Zünden eines Gasgemisches bei hohen Temperaturen entfernen. Dazu werden die zu entgratenden Teile in eine hermetisch abgeschlossene Entgratkammer gegeben, in die unter hohem Druck ein Gas-Sauerstoffgemisch zugeführt wird. Mit dem elektrischen Zünden entstehen für einige Millisekunden Temperaturen um 3000 °C, die mit dem übrig gebliebenen Sauerstoff die Verbrennung des Grates einleiten. Da die Gratoberfläche im Verhältnis zum Gratvolumen sehr groß ist, heizt sich der Grat wesentlich schneller auf als das Bauteil selbst. Er beginnt zu glühen und verbrennt mit dem überschüssigen Sauerstoff. Kleine Grate, aber auch lose Partikel, verbrennen während des TEM-Vorgangs völlig, während große Grate zu einem kleinen, nicht lösbaren Gratfuß zurück schmelzen. Es ist somit sicher gestellt, dass sich keine Restgrate mehr im Bauteil lösen können.
Die thermische Entgratmethode eignet sich generell für alle Werkstücke aus oxydierenden Werkstoffen. Sie wird hauptsächlich für Stahl-, Guss- und Aluminiumbauteile eingesetzt. Überall dort, wo hohe Prozesssicherheit gefordert wird, ist TEM erste Wahl. Mit eingestellten Parametern wird in sicher reproduzierbarem Entgratprozess Schuss für Schuss – so bezeichnen Insider auf Grund des Maschinengeräuschs die Zyklen – ein durchgängig gleichbleibendes Entgraten bei komplexen Außen- und Innenkonturen erreicht.
Der besondere Nutzen der Entgratmethode liegt darin, dass auch schwer oder mit anderen Mitteln nicht zugängige Stellen in beziehungsweise an Bauteilen erreichbar sind, wie etwa innenliegende Bohrungsverschneidungen. Der eigentliche Entgratvorgang dauert nur wenige Sekunden. Besonders große Werkstücke werden im Vergleich zum manuellen Verfahren rationeller und sicherer entgratet. „Wobei häufig mehrere Teile gleichzeitig mit einem Schuss bearbeitet werden“, ergänzt Pamela Bemsel und hebt damit den enormen Zeitgewinn, beispielsweise im Vergleich zum manuellen Entgraten, hervor. Dazu ist anzumerken, dass weder aufwändige Vorrichtungen noch Werkzeuge eingesetzt werden müssen und so natürlich auch die entsprechenden Anschaffungskosten sowie die damit einhergehenden Rüstzeiten gering sind – ein Vorteil, den gerade ZPO als Lohnfertiger schätzt, der häufig wechselnde Teile unterschiedlichster Herkunft und Menge bearbeitet. Andererseits erfordert dies aber auch eine Menge Know-how: Anders als in Großserienfertigungen, wo TEM-Parameter einmal ermittelt gleich bleiben, erfolgen hier für kleine und mittlere Serien immer neue bauteilbezogene Einstellungen.
Der Entgratprozess wird maßgeblich durch das Mischungsverhältnis des Gases, durch den Fülldruck und die Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffs beeinflusst. Hinzu kommt die Einschätzung der zu entfernenden Grate in Bezug auf deren Größe und Lage am beziehungsweise im Bauteil. „Hier können Positionsveränderungen der Bauteile in der Entgratkammer oder im Bereich der Teileaufnahme angebrachte Abschirmungen die Ausbreitung der Flammwand (Druck-Wärmewelle) erheblich beeinflussen“, erklärt Pamela Bemsel. Oft findet mit dem Ziel, eine möglichst hochwertige und gleich bleibende Qualität zu erreichen, eine enge Abstimmung mit den zerspanenden Arbeitsgängen des Kunden statt.
Exakt geregelte Parameter
„Besonders die in den neuen Anlagen von Rexroth integrierte Proportionaltechnik für die Gasdosierung hilft komplexe Entgratprozesse noch besser zu beherrschen“, freut sich die ZPO-Geschäftsführerin. Damit lassen sich kürzere Taktzeiten und feinere Gasgemisch-Einstellungen reproduzierbar erreichen. Die Gasdosierung kann bis auf ±0,1 bar genau eingestellt und als bauteilbezogener Prozessparameter in einer Datenbank der Steuerung hinterlegt werden. Von dort sind die Einstellungen über das Bedienfeld jederzeit abrufbar.
Außerdem finden diese Einstellungen in einem geschlossenen Regelkreis statt, der bei jedem Arbeitszyklus, sprich Schuss, ein reproduzierbar gleich bleibendes Entgratergebnis sicherstellt. Ein weiterer Vorteil der Proportionaltechnik ist die schnellere Befüllung der Entgratkammer mit dem Gasgemisch. Dies reduziert die Taktzeiten durchschnittlich um etwa 10 Prozent, was letztlich einen höheren Durchsatz, sprich wirtschaftlicheren Betrieb erlaubt.
Mit der neu in Dienst gestellten TEM-P 350 trägt der im gesamten deutschen Raum agierende Lohnfertiger einer gesteigerten Nachfrage Rechnung. Die Anlage bietet Taktzeiten von 45 bis 50 Sekunden bei einem vollen Zylinderfüllhub und einem Kam- merfülldruck von bis zu 23 bar. Die nutzbare Kammerhöhe liegt bei 300 Millimeter, im Sonderfall bis zu 450 Millimeter. Das SPS-Steuerungskonzept bietet komfortables Visualisieren des Entgratprozesses mit durchgängiger Dokumentation aller wichtigen Prozessdaten.
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