Es ist etwas faul im Staate Deutschland – zumindest, was die Zukunft der mittelständischen Wirtschaft betrifft. Dieses Gefühl beschleicht mich, wenn ich auf die aktuelle Studienlage und den öffentlichen Diskurs blicke. Brechen uns bald nicht nur die Fachkräfte weg, sondern auch die Unternehmer, die sie beschäftigen könnten? Die Frage ist berechtigt, denn die demografische Keule schlägt auch bei den Inhabern mittelständischer Familienunternehmen zu. Laut KfW Research ist jeder Dritte von ihnen bereits 60 Jahre oder älter. Und die Frage nach einer Nachfolgeregelung treibt viele um. Im vergangenen Jahr ist die Zahl derer, die konkrete Pläne verfolgen, signifikant gestiegen. Das zeigt eindrucksvoll, dass die Firmeninhaber ihr Lebenswerk gerne in guten Händen wissen wollen – am liebsten in der Familie.
Doch nicht immer ist in der Nachfolgegeneration die Bereitschaft dazu da. Wer selbstständig ist, arbeitet sprichwörtlich selbst und ständig. Wird die Kapitaldecke dünn, kann man schnell Haus und Hof verlieren. Und gerade hierzulande ist es nicht einfach, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Unsicherheit prägt das aktuelle Lebensgefühl. Nicht nur die Älteren fragen sich, ob sie noch den Lebensstandard haben werden, den sie von ihren Eltern her kennen. Auch die nachfolgende Generation macht sich so ihre Gedanken. Will man da noch ins unternehmerische Risiko gehen?
Viele Firmengründungen datieren auf die Nachkriegszeit zurück. Da konnte es ja eigentlich nur aufwärtsgehen, fällt es uns im Rückblick leicht zu sagen. Doch die Zahl der Neugründungen sinkt nun seit vielen Jahren. Das betrifft natürlich auch den Industriebereich. Und da frage ich mich manchmal, ob wir als Gesellschaft die falschen Signale senden. Vielleicht ist für den unternehmerischen Erfolg künftig ein anderes Mindset gefragt. Vielleicht führt die künstliche Intelligenz dazu, dass tiefes technisches Verständnis seine Bedeutung verliert. Vielleicht definiert sie die Mensch-Maschine-Beziehung neu. Vielleicht führt der Weg wieder zurück zu Leibniz, für den die Rechenmaschine nur ein Mittel darstellte, um sich in seinen Augen wichtigeren Dingen widmen zu können. Zitat von 1673: „Es ist unwürdig, die Zeit von hervorragenden Leuten mit knechtischen Rechenarbeiten zu verschwenden, weil beim Einsatz einer Maschine auch der Einfältigste die Ergebnisse sicher hinschreiben kann.“
Auf dem Technology Day von Mitsubishi Mitte Juni in Stuttgart hat Claudia Becker, digitale Vordenkerin und Geschäftsführerin der Berliner Edgize GmbH, den „Digital Mindset“ recht anschaulich beschrieben. „Auch im Ingenieurwesen werden wir weiterhin neue Kompetenzen benötigen und entwickeln und so spannende Innovationen ermöglichen“, sagt sie. „So wird das Creative Engineering in Zukunft stetig präsenter – beispielsweise durch die Maschinenbedienung in natürlicher Sprache.“
Mit dem demografischen Wandel verändern sich eben auch die Fähigkeiten und Kompetenzen der Menschen. Digital Natives gehen ganz anders an Probleme heran als die Generation vor ihnen. Ich kann mir vorstellen, dass die Jungs und Mädels, deren Finger scheinbar traumwandlerisch über das Display eines Smartphones gleiten, ohne sich um Betriebssystem und Hardwarearchitektur zu kümmern, vielleicht genau die Fähigkeiten haben, auf die es künftig ankommt. Auch für die Führung eines Industriebetriebs? Was, wenn es so wäre …? Ein bisschen Ermutigung würde sicher nicht schaden.