Wer, vom Messeeingang Ost kommend, nicht stante pede die Ausstellungshallen ansteuerte, der konnte auf der AMB 2024 im Foyer eine spannende Demonstration vernetzter Fertigung live erleben. Am Beispiel eines witzigen Multitool-Würfels, der sich für alle möglichen Alltagsanwendungen einsetzen lässt, veranschaulichte die „Smart Factory“ die Verknüpfung von digitaler und analoger Produktion – von der Auftragserstellung über automatisierte Bearbeitung bis hin zur Beschriftung und Ausgabe. Citizen, Fanuc, Gewatec, Häberle, Hoffmann Group und Trumpf zeigten gemeinsam die umfangreiche Prozesskette zur Herstellung des Werkstücks. Die Botschaft an die Messebesucher: In Zeiten von künstlicher Intelligenz und digitaler Vernetzung ist insbesondere das Zusammenspiel unterschiedlicher Partner und Prozessschritte von Bedeutung.
Wie schon auf vorangegangenen Messen, zeigten VDW und VDMA die Fortschritte von Umati (Universal machine technology interface), der OPC-UA-basierten Standardschnittstelle für die Vernetzung von Werkzeugmaschinen und anderen Fertigungsanlagen. Am Stand konnten Messebesucher täglich verfolgen, wie Maschinen und Anlagen untereinander kommunizieren oder in kunden- und anwenderspezifische IT-Ökosysteme integriert werden können. Der Standard wird von prominenten Maschinenherstellern aus Deutschland, aber auch aus der Schweiz vorangetrieben. So nutzt die United Grindig Group Umati erfolgreich für die einfache Vernetzung verschiedener Maschinen von unterschiedlichen Herstellern und Baujahren. Bei Studer etwa wurden neben den eigenen Rundschleifmaschinen auch Werkzeugmaschinen von DMG Mori sowie Waldrich Coburg mittels Umati vernetzt. Die Daten wurden anschließend im Production Monitor der United Grinding Digital Solutions zusammengeführt.
Vernetzung leicht gemacht –
auch für Bestandsmaschinen
Die Anbindung habe gezeigt, dass Umati nicht nur für Neumaschinen angewendet werden kann, sondern auch ältere, bereits installierte Maschinen problemlos vernetzt werden können. „Wir konnten zeigen, wie einfach die Vernetzung von älteren Maschinen mittels Umati wirklich ist“, sagt Christian Josi, Head of Digital Engineering der United Grinding Group.
Mit AIMS (Anca Integrated Manufacturing System) bietet Anca ein eigenes digitalisiertes Produktionssystem für die automatisierte Werkzeugherstellung an. Das geht mannlos mit Unterstützung eines fahrerlosen Transportsystems (AGV) – muss es aber nicht: Auf der AMB diente die aktuelle Werkzeugschleifmaschine MX7 Ultra mit Nanometer-Auflösung nebenbei als Anschauungsbeispiel für eine Automationslösung, die schnell und ohne großen Aufwand den Einstieg in die digitale Produktionssteuerung ermöglicht. „AIMS Connect“ verbindet Maschinen logisch miteinander und ermöglicht transparente und nachweisbare Abläufe. Eine Werkerführung informiert Mitarbeiter zum Produktionsablauf, also darüber, welche Aufgaben wann anstehen. Fachkräfte werden so entlastet und können dort eingesetzt werden, wo sie wirklich benötigt werden.
Jedes Werkzeug wird anhand eines „Rezepts“ nachvollziehbar in einem Auftragsprozess beschrieben und sichert die gleichbleibende Qualität durch festgelegte Kompensationsstrategien und -logiken. In Stuttgart war der Ablauf beispielhaft anhand einer Demo erlebbar, die neben der digitalen Werkerführung auch die Messung und Kompensation auf einer Universalmessmaschine Genius von Zoller sowie die Verknüpfung mit der Schleifmaschine umfasste.
Eine Schlüsselposition bei der Digitalisierung nehmen die Steuerunganbieter ein – denn als „Gehirn“ der Maschine stellt die CNC den entscheidenden Anknüpfungspunkt dar. Auf der AMB haben die Protagonisten die Weiterentwicklungen ihrer aktuellen Plattformen präsentiert – und auch Anwendungsbeispiele gezeigt. So hat sich Anderson beim neu auf der Messe vorgestellten Mikrobearbeitungszentrum ProSys ADV+ für die State-of-the-art-CNC M8V von Mitsubishi entschieden. Die Steuerungshardware der Japaner kommt unter anderem auf Maschinen von Mazak, Citizen oder Index Traub zum Einsatz. Bei Anderson liefert sie, in Verbindung mit leistungsstarken Lineardirektantrieben, nicht nur einen Sprung in Sachen Performance, Präzision und User Experience – auch die optionale Automatisierung mittels Melfa-Roboter trägt zur Produktivität bei (siehe auch S. 68).
Heidenhain hat seine neue CNC-Plattform TNC7 erstmals 2021 vorgestellt. Sie zeichnet sich unter anderem durch intuitive Bedienfunktionen für die werkstattorientierte Fertigung aus. Auf der AMB zeigten die Traunreuter neue Hardware-Varianten, die das Portfolio in Sachen Baugröße nach unten abrunden und dabei alle TNC7-typischen Vorteile bieten – etwa den Monitor mit Full-HD-Auflösung und ein umfangreiches Optionenpaket mit Features wie dem grafischen 6D-Einrichten MAS, der Kollisionsüberwachung DCM oder den OCM-Wirbelfräszyklen.
Komponentenhersteller nehmen
Nachhaltigkeit ins Visier
Ein großes Messethema war auch die Nachhaltigkeit. Heidenhain hat hierfür an seinen Messsystemen für Werkzeugmaschinen „geschraubt“. Dank der True-Image-Technologie bieten die Längenmessgeräte der Baureihen LC und LB sowie die Winkelmessgeräte der Baureihen RCN und ECA einen von Kontaminationen ungetrübten Blick auf den Maßstab. So lässt sich in vielen Fällen auf Druckluft verzichten – und die Positionserfassung im Closed Loop kann den CO2-Footprint drastisch reduzieren (siehe auch S. 69).
Nachhaltigkeit ist auch für Fanuc ein wichtiges Thema. So bringt das neue CNC-Flagschiff der Japaner, die FS500i-A, ausgefeilte Funktionen zur Energieeinsparung mit. Die neue CPU, kombiniert mit frisch eingeführten Funktionen, verbessert zudem die Basisleistung und sorgt für eine Verkürzung der Zykluszeit. Die FS500i-A bietet außerdem die Möglichkeit, die PMC (programmierbare Maschinensteuerung) in strukturiertem Text – also einer modernen, in einer ISO-Norm definierten Sprache – zu programmieren. Eine weitere Vereinfachung gibt es bei Prozessen, die eine Programmierung und Bearbeitung in fünf Achsen erfordern. Konkret soll die FS500i-A künftig in der Lage sein, mithilfe eines speziellen Tools alle Arten von Maschinenkinematiken abzudecken.
Und noch ein weiteres drängendes Thema adressiert Fanuc: Auf der AMB stellte das Unternehmen eine brandneue Robotersteuerung vor: Die R-50iA sei die weltweit erste ihrer Art, die internationale Cybersicherheitsstandards erfüllt, so der Claim der Japaner – und das bei verbesserter Performance.
Innovationen mit Auszeichnung
Mit Digitalisierung beschäftigt sich auch einer der Gewinner des erstmals verliehenen AMB Award: Der Stuttgarter Fertigungssoftware-Spezialist Gocad wurde für seinen Webshop für CNC-Lohnfertiger gewürdigt. Insgesamt wurden sechs herausragende Innovationen ausgezeichnet, die auf der Messe zu sehen waren – und zudem zwei Sonderpreise verliehen. Die Bewertung erfolgte durch eine hochkarätige, neutrale Jury, bestehend aus Vertretern der drei Trägerverbände sowie der Wissenschaft. Die Preisverleihungen fanden jeweils auf der AMB Stage im Atrium der Messe Stuttgart statt. Weitere Infos unter https://mav.industrie.de/news/amb-2024-impulsgeber-fuer-die-metallbranche/