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Hermle: Spritzgießformen mit einem rötlich glänzenden Geheimnis

Mit der Metall-Pulver-Auftrag-Technologie Kupfer in Formkerne für den Spritzgussprozess bringen
Spritzgießformen mit einem rötlich glänzenden Geheimnis

S&S Werkzeugbau fertigt komplexe Spritzgießformen komplett inhouse – von der Konstruktion bis zur ersten Abformung. Eine Ausnahme macht der Formenbauer nun, wenn es um eine sichere Kühllösung für enge Querschnitte geht: Hermle Maschinenbau integriert mithilfe der Metall-Pulver-Auftrag-Technologie (MPA) Kupfer in Formkerne und optimiert damit den Wärmeabfluss im Spritzgussprozess.

Bei der Gartenarbeit lassen es viele Hobbygärtner entspannt angehen: Mit der Schere in der Hand und der Vision einer grünen Oase vor Augen stutzen sie Sträucher nach Augenmaß. Mit Ruhe und Pi-mal-Daumen-Schätzungen hat die Produktion des Gartengeräts nichts zu tun. In schnellem Takt fallen einzelne Teile des späteren Griffs aus der Spritzgussmaschine – hier geht es um Perfektion und jede Sekunde. Um schneller optimale Ergebnisse zu erzielen, setzt der Ulmer Gartengerätehersteller Gardena auf Spritzgießformen mit einem rötlich-glänzenden Geheimnis: Im Inneren der dünnsten Stellen leitet Kupfer die Wärme zügig zum nächstgelegenen Kühlkanal. Das Fertigungsverfahren dahinter ist die Metall-Pulver-Auftrag-Technologie (MPA) der Hermle Maschinenbau GmbH (HMG). Mit der Anfrage eines neuen Werkzeugs, optimiert durch diese spezielle Technologie, wandte sich Gardena 2018 an S&S Werkzeugbau in Schlitz.

Spezialist für Formen für die Massenproduktion von Kunststoffbauteilen

S&S ist bekannt für seine hohe Fertigungstiefe und das technologische Know-how bei der Konstruktion und Fertigung von Spritzgießwerkzeugen mit 2-Komponenten-Indexplattentechnik, Drehtellern und Core-back-Technologie sowie bei der Entformung mit Schiebern und Ausschraubgetrieben. Harald Starch, Geschäftsführer des Familienunternehmens S&S, hat sowohl die Konstrukteure im Haus als auch zahlreiche Spezialmaschinen, zum Beispiel zum Tieflochbohren, Laserschweißen und -beschriften. Der Werkzeugbauer stellt selber die Grafitelektroden für seine Senkerodiermaschinen her und hat mittlerweile vier Spritzgussmaschinen in seinem Technikum stehen, mit denen sein Team die Mehr-Kavitäten-Formen vor der Auslieferung testet.

„Zum einen haben Kunden mit einem hohen Fertigungsgrad keine Kapazität für solche Tests, zum anderen können wir so Lösungen ausprobieren und unsere Expertise ausbauen“, begründet Starch. Pro Jahr verlassen etwa 90 Spritzgießformen die Fertigungshallen. Sie wiegen bis zu sechs Tonnen, haben bis zu 64 Kavitäten und erzeugen genarbte, erodierte oder hochglanzpolierte Sichtflächen.

Kupfer statt Kühlkanal

Bei dem Formkern, der für den Hohlraum im Zangengriff verantwortlich ist, gilt: Je filigraner seine Geometrie ist, desto schwieriger wird das Wärmemanagement. Die Alternative zu Kupfer sind dünne Kühlkanäle. Für konturfolgende Temperierkanäle lassen sich diese lasersintern oder vakuumschweißen. „Die Gefahr hierbei ist, dass die sehr engen Kühlkanäle mit der Zeit verstopfen. Um dies zu verhindern, ist eine regelmäßige Werkzeugreinigungen erforderlich“, kommentiert Starch. Die MPA-Technologie bietet hier eine smarte Lösung: Kupfer führt aus den engen Bereichen die Wärme ab. Das Kupfersegment endet dort, wo Kühlkanäle ausreichenden Platz haben. Hier kann das Kühlwasser problemlos fließen.

Wie kommt das Kupfer in den Kern?

HMG hat auf Basis des Fünf-Achs-Fräszentrums C 42 U die MPA 42 entwickelt, die nicht nur Material ab-, sondern auch auftragen kann. Wärme, Stickstoff, überhitzter Wasserdampf und eine Lavaldüse sind entscheidend dafür, dass das Metallpulver auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt wird und sich beim Auftreffen mit dem eingespannten Rohling verbindet. Die fünf Achsen des Bearbeitungszentrums richten den Pulverstrahl nahezu beliebig zum Bauteil aus und lassen so Kühlkanäle oder Kupfer-Inlays selbst auf gekrümmten Oberflächen entstehen. S&S erhält schließlich einen matten Kern. „Die finale äußere Kontur fertigen wir dann hier“, berichtet Starch. Wichtig dafür sind die korrekten Daten. „Unsere Konstrukteure kennen ganz genau die Lage der Kupferfüllung. So erhalten wir filigrane Kerne mit optimaler Wärmeableitung.“

Von den additiven Fertigungsverfahren ist dem Geschäftsführer die MPA-Technologie am liebsten. Warum? Der Kern besteht, bis auf den Kupferanteil natürlich, aus demselben Material wie die restliche Form – aus Werkzeugstahl. „Wir haben damit eine Komponente mit denselben Eigenschaften und derselben Lebensdauer wie die Formkavität. Das funktioniert bei anderen additiven Verfahren nicht“, betont der Maschinenbau-Ingenieur. Dass Kupfer Wärme besser leitet, ist nicht neu: „Früher haben wir einfach ein Loch gebohrt und einen Kupferdraht reingepresst. Besonders flexibel – bezogen auf die Kontur und Form des Kühlbereichs – waren wir damit nicht“, gibt Starch zu. Ebenso besteht die Gefahr, dass kleine Lufteinschlüsse den Wärmefluss behindern.

Vom additiven Fertigungsverfahren der HMG hat er erst über Gardena erfahren, die bereits ein Werkzeug mit vakuumgelöteten Spritzgießwerkzeugen in Betrieb hatten und Optimierungspotenzial sahen.

Metall-Pulver-Auftrag-Technologie

Starch ist von der MPA-Technologie überzeugt. Sie ermöglicht es, komplexe Formen herzustellen und gleichzeitig eine effiziente Wärmeableitung zu gewährleisten. Seinen Kunden würde er dazu raten, wenn sie die Wirtschaftlichkeit durch eine optimierte Kühlleistung in besonders kleinen Bereichen erhöhen wollen und die Mehrkosten dadurch gerechtfertigt sehen. „Es ist eine qualitative, hochfunktionale, aber nicht ganz günstige Lösung“, gibt der Formenbauer zu. Auch seine Konstrukteure und Techniker bewerten die Technologie positiv: „Sie ist unproblematisch in der Anwendung. Mit der Kombination aus MPA-Technologie und traditioneller Temperiertechnik erreichen wir beste Ergebnisse und erfüllen die Kundenbedürfnisse optimal.“ (eve)


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