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Geschaffen für Extreme

Getriebehersteller erobert mit anspruchsvoller Messtechnik neue Märkte
Geschaffen für Extreme

Sie heben 140 Meter unter dem Meeresspiegel eine Ölplattform in die richtige Position, bewegen die Walzen in Druckmaschinen und schwenken Antennen in der Wüste: Die Hubgetriebe der Firma Albert müssen unter schwierigen Umgebungsbedingungen zuverlässig funktionieren. Deshalb setzt das Unternehmen alles daran, sie absolut präzise zu fertigen und dies seinen Kunden auch nachzuweisen. Ein Koordinatenmessgerät von Zeiss hilft bei der Qualitätssicherung und Dokumentation der Messergebnisse.

Der Klang der Geigen erfüllt den Saal. Die Tänzerin im Scheinwerferlicht vollführt eine Pirouette. Als die Flöte einsetzt, fährt die Bühne mit der Ballerina nach oben. Lautlos und geschmeidig. So können sich die Tänzer während ihrer Höchstleistungen ganz auf ihre künstlerische Darbietung konzentrieren. Ein wesentlicher Bestandteil dieser High-End-Technik sind die Hubgetriebe der österreichischen Firma Albert. Sie heben und senken beispielsweise im Moskauer Bolschoi-Theater mühelos die tonnenschwere Bühne.

Das Unternehmen mit Sitz in Gampern in der Nähe von Salzburg schneidet die jeweiligen Getriebe ganz auf die besonderen Anforderungen seiner Kunden zu: Im Bolschoi-Theater müssen sie lautlos arbeiten, damit sie nicht die Orchesterklänge stören. Als Teil einer Ölplattform haben sie jeweils Belastungen von 150 Tonnen zu tragen, das entspricht in etwa dem Gewicht von 40 Elefanten. In der Papierindustrie müssen sie Säuren und Laugen standhalten, beim Schockfrosten in der Lebensmittelindustrie Temperaturen bis minus 50 Grad, in der Stahlindustrie bis plus 200 Grad.
Neue Chancen im Blick
So unterschiedlich die Getriebe des Antriebsspezialisten sind, allen gemeinsam ist, dass sie hohen Ansprüchen an Präzision und Sicherheit genügen müssen. Und diese steigen stetig. Dafür sorgt schon Geschäftsführer Martin Kirchmaier, ein agiler 51-Jähriger, immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen. „Wir haben unsere Qualitätslatte 2013 sehr, sehr hoch gehängt“, so Kirchmaier. Das Unternehmen wollte sich die Chance eröffnen, auch Aufträge aus besonders sicherheitssensiblen Branchen wie der Atomkraft anzunehmen.
Aber nicht nur die Genauigkeit sollte steigen. Kirchmaier hatte auch vor, größere Getriebe zu fertigen. Um diese beiden Ziele zu erreichen, kaufte man eine neue Verzahnungsmaschine. Außerdem entschloss sich Kirchmaier, in ein Koordinatenmessgerät zu investieren. Bis dato hatte der Getriebebauer nur die integrierte Messtechnik der Bearbeitungsmaschinen genutzt, in Kombination mit einer manuellen Ständermessmaschine sowie Messmitteln wie Lehren und Messschiebern.
Für die anvisierte Nukleartechnik waren jedoch Messgeräte mit maximalen Messunsicherheiten im µ-Bereich notwendig. Die unzähligen zu erfassenden Merkmale mussten zudem vollständig protokolliert werden. Sowohl die Messungen als auch die Dokumentation hätten sich mit den vorhandenen Methoden nicht bewältigen lassen, geschweige denn mit überschaubarem Zeitaufwand.
Ein Koordinatenmessgerät war deshalb gefragt. Dieses sollte sowohl groß als auch präzise sein. Zudem wünschte sich Kirchmaier, dass die Messergebnisse während des Scannens durch den taktilen Taster automatisch protokolliert würden, um ganz einfach in ein fertiges Protokoll für den Kunden einzufließen. Er entschied sich für ein Portalmessgerät Zeiss Accura mit einem Messbereich von x = 2000 mm, y = 4200 mm, z = 1500 mm und einer Längenmessabweichung lediglich ab 1,2 μm + L/350.
Zentimeter um Zentimeter
Bis das Messgerät allerdings vor Ort installiert werden konnte, hatten Kirchmaier und sein Team noch eine Aufgabe zu lösen. Dass ein hochgenaues Messgerät einen klimatisierten Messraum benötigt, war ihnen von Anfang an klar gewesen. Auch der Standort dafür – innerhalb der Fertigungshalle – stand schnell fest. Doch es stellte sich heraus, dass die räumlichen Voraussetzungen alles andere als ideal waren, um ein Messgerät mit Maßen von 3 x 5 x 4,6 m unterzubringen und nebenbei eine Reihe zusätzlicher Voraussetzungen zu erfüllen. Dazu gehörte, dass im Messraum oberhalb der 4,6 Meter hohen Accura ein Kran zum Bestücken des Messgerätes fahren sollte. Auch außerhalb des Messraumes, an der Decke der Fertigungshalle darüber, wollte Kirchmaier nach wie vor Platz für einen Kran haben. Des Weiteren verliefen hinter dem potenziellen Messraum Kabelbäume, die den Spielraum auch in der Breite einschränkten.
Zu den räumlichen Anforderungen kamen noch weitere. Neben den klimatischen Erfordernissen an das Messrauminnere, das zum Beispiel eine maximale Temperaturschwankung von zwei Grad vorsah, sollte das Dach des Raumes zu Reinigungszwecken begehbar sein. Und auch die Kosten für den Bau der Einhausung musste Kirchmaier permanent im Blick haben. Er prüfte deshalb Angebot um Angebot. Am Ende war es ein Hersteller von Kühlhäusern, der die Messhalle baute. „Es war eine nervenaufreibende Zentimeterarbeit“, blickt Kirchmaier zurück, „aber es hat sich gelohnt. Wir sind froh, dass wir die Voraussetzungen geschaffen haben, um an unserem Standort eine hochmoderne Messmaschine zu installieren.“
Millimeterarbeit – zwölfmal so schnell
Während es beim Bau des Messraumes auf jeden Zentimeter ankam, sind es beim Messen der Getriebe zehntel bis hundertstel Millimeter. Reinhold Malli steht im Messraum und wirft einen prüfenden Blick auf den Taster, der gerade ein Dutzend Getriebegehäuse in einem Durchgang scannt. Diesmal geht es um Bohrungstoleranzen zwischen vier und fünf hundertstel Millimetern – und Achsabstände im Zehntel-Millimeter-Bereich. Die Erstmuster auf dem Messgerät kommen direkt von der Bearbeitungsmaschine. Alle zwölf sind rundum auf einer Säule montiert, damit sie nicht einzeln bearbeitet, transportiert und gemessen werden müssen. Per Kran hat sie Malli auf das Koordinatenmessgerät geladen. Der 42-jährige Verzahnungstechniker arbeitet seit 26 Jahren bei Albert und ist heute für die Bedienung der Zeiss Accura verantwortlich.
Eine halbe Stunde lang scannt das Koordinatenmessgerät die Getriebegehäuse, dann liegen die Messergebnisse vor. Elf Merkmale pro Gehäuse sind es, die das Messgerät in diesem Zeitraum an jedem der zwölf Werkstücke erfasst. Dazu zählen unter anderem Lage und Parallelität der Bohrungen, Abstand und Parallelität der Bohrungen zur Standfläche und die Einbaumaße der Schneckenwelle. „Vorher haben wir ein Getriebegehäuse von Hand in 30 Minuten gemessen“, sagt Malli. „Mit dem Messgerät schaffen wir in dieser Zeit zwölf Gehäuse – und die Ergebnisse sind viel genauer.“
Mit dem Messgerät kam der neue Job
Präzision und Wiederholbarkeit sind es, die den Techniker neben den kurzen Messzeiten besonders an der Maschine beeindrucken. Denn seiner Erfahrung nach kamen früher drei Personen, die die gleichen Messungen durchführten, nicht selten zu drei unterschiedlichen Ergebnissen. Als er das Messgerät jedoch zum ersten Mal sah, überwältigte ihn vor allem eines: die Größe der Maschine.
Bevor Malli, der auch Ausbildungsleiter ist, mit der Accura arbeitete, hatte er noch gar keine Erfahrungen mit Koordinatenmessgeräten. Die Einführung des Messgerätes brachte ihn also auch zu seiner neuen Aufgabe. Respekt hatte er am Anfang schon davor. Aber im Rahmen von zwei Schulungen – einer am Hauptsitz von Zeiss in Oberkochen, einer vor Ort in Gampern – erwarb er die wichtigsten Praxiskenntnisse, die er für den Umgang mit Messgerät und Software benötigte. Diese wendet er nun im eigenen Messraum an: „Es gibt jeden Tag etwas Neues zu lernen. Und je mehr man sich damit beschäftigt, desto leichter ist es“, findet er – und fügt mit einem Lächeln hinzu: „Ich bin schon ein bisschen stolz darauf, so eine Maschine der gehobenen Klasse bedienen zu können.“ Demnächst plant er, durch eine dritte Schulung sein Knowhow zu vertiefen.
Sicherheit gewonnen
Die Aufgaben, die Malli mit dem Koordinatenmessgerät erledigen muss, sind so vielfältig wie die Verwendungszwecke, für die Albert Getriebe herstellt. Wareneingangskontrolle, Erststückkontrolle, Stichproben- und Endkontrolle finden nun fast vollständig auf dem Messgerät statt, zum Teil ergänzt durch einzelne manuelle Messungen. Hinzu kommen die 100-Prozent-Kontrollen der Getriebeteile mit extremen Anforderungen, wie beispielsweise für den Unterwassereinsatz. Selbst zwei Meter lange Getriebeteile wie Spindeln können nun ohne großen Aufwand gemessen werden.
Für die Konstruktion und Fertigung bei Albert hat die höhere Präzision und Zuverlässigkeit des Messgerätes eine größere Sicherheit mit sich gebracht. Anhand der Ergebnisse erkennen die Konstrukteure nun viel detaillierter, wie präzise sie tatsächlich arbeiten müssen. So können sie den Genauigkeitsgrad in der Fertigung viel besser an die tatsächlichen Erfordernisse anpassen. „Wir haben inzwischen ein anderes Bewusstsein für Qualität – und können sogar die hochkomplizierten Dokumentationen für die Nukleartechnik liefern“, ist Geschäftsführer Kirchmaier zufrieden. Mit Hilfe des neuen Messgerätes erhielt er einen Auftrag für Torantriebe in einem britischen Atomkraftwerk. Doch mit diesem Erfolg gibt er sich nicht zufrieden. Er will weiter neue Märkte erobern. ■
Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbHwww.zeiss.de/industrial-metrology
Maschinenfabrik Albert GmbHhhttp://inkoma-albert.com

Führend bei Hubgetrieben
80 Mitarbeiter fertigen bei Albert im oberösterreichischen Gampern Hubgetriebe in Standard- und Sonderausführung in den unterschiedlichsten Baugrößen. Verzahnen, Wirbeln, Drehen, Fräsen, Nuten und Bohren zählen zu den Kernkompetenzen des Unternehmens. Durch die 100-prozentige Integration in die Inkoma-Group im Jahr 2000 gelang es dem Unternehmen, den Bereich der Spindelhubgetriebe wesentlich zu erweitern und damit eine führende Position in der Branche zu besetzen. Mit derzeit 15 Lehrlingen investiert Albert in die Zukunft, um seine bereits 68-jährige Tradition in der mechanischen Antriebstechnik weiter fortzuführen.
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