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„Wir haben Amerika überrascht“

Florian Weigmann, Geschäftsführer Axoom, und Stephan Fischer, Leiter Software-Entwicklung Trumpf
„Wir haben Amerika überrascht“

mav: Woher kam die Idee zur Gründung von Axoom?
Fischer: Bei Trumpf sehen wir aktuell sehr stark, wie Maschinenbau-Knowhow und IT-gestütztes Prozesswissen zusammenkommen. Dazu haben wir uns auch Kundenbeispiele angeschaut. Ein typischer Fall: Um zweimal 20 Teile zu stanzen, benötigt man lediglich 5 Minuten. Die Gesamtzeit vom Auftrag bis zur Rechnung beträgt aber 97 Minuten. Eine Reduktion der reinen Bearbeitungszeit bringt also im Endeffekt nicht so viel. Daraus entstand die Idee, dass wir die Prozesskette komplett durchgängig machen müssen. Die ersten konzeptionellen Vorarbeiten dazu haben 2014 begonnen, im Januar 2015 kam das Team an Bord, und jetzt sind wir live. Wir haben wohl einen der schnellsten Ramp-ups in der IT-Geschichte hingelegt.
mav: Was ist Axoom konkret?
Fischer: Axoom ist zum einen eine Integrationsplattform zwischen Maschinendaten und IT/Prozessdaten. Dazu braucht man natürlich Applikationen, die darauf laufen. Im Moment sind das in erster Linie ERP- und MES-Anwendungen. Die zweite wichtige Komponente ist der Datentransport – von der Sensor-Ebene in die Maschine, dort erfolgt die Vorverdichtung, dann von der Maschine in die Fabrik, von der Fabrik in die Cloud. Die von uns eingesetzte Technologie stammt von der US-Firma C-Labs, an der wir eine Beteiligung erworben haben. Sie bietet ein hochmodernes und extrem fortschrittliches Produkt an, unter anderem beliebige Verschlüsselungsmöglichkeiten – eine ganz wesentliche Voraussetzung.
mav: Funktioniert das nur für Trumpf-Maschinen?
Weigmann: Es funktioniert generell mit jeder Art von Maschinen. Deshalb haben wir Axoom auch als unabhängige Marke aufgestellt. Sie werden kaum einen maschinenreinen Produktionspark finden; spätestens wenn Sie die Blechbearbeitung verlassen und in die Zerspanung gehen, haben Sie es mit unterschiedlichen Herstellern zu tun. Die Durchgängigkeit der Prozesskette lässt sich nur herstellen, wenn Sie sowohl existierende Maschinen als auch Softwarelösungen anbinden können. Die Plattform muss daher in eine bestehende Landschaft integrierbar sein, der Kunde kann sich dann in seiner eigenen Geschwindigkeit entwickeln und modulweise vorgehen.
mav: Welche Rolle spielen dabei Standards?
Weigmann: In einer perfekten Welt sind sowohl die Signale als auch deren Interpretation standardisiert und mit einem „Stecker“ vergleichbar, auf dessen Format man sich geeinigt hat. Aber in der Realität finden Sie beispielsweise in den USA ganz andere Konnektierungslandschaften als in Europa. Deshalb gehen wir zunächst mit unterschiedlichen Steckern vor. An bestimmte Plug-in-Systeme bauen wir entsprechende Adapter, über die ich konnektieren kann.
mav: Könnte man denn nicht alle Fertigungsdaten in einem standardisierten Format weltweit ausgeben?
Weigmann: Selbst wenn Sie ein standardisiertes Datenformat haben, dann fehlt Ihnen immer noch die Semantik – also die Interpretation, was das Einzelsignal bedeutet. Deshalb wird Industrie 4.0 auch kein Thema sein, das eine einzelne Firma löst. Es geht nicht nur um die Verbindung von Maschine, Mensch und System, sondern auch um die Verbindung unterschiedlicher Unternehmen, die gemeinschaftlich eine Lösung im Sinne des Kunden schaffen – jedes in seiner Kernkompetenz.
mav: Suchen Sie nach weiteren Partnern?
Fischer: Wir haben eine weitere Akquisition im Bereich MES getätigt: Die Firma Xetics hat ein Cloud-basiertes Lean MES-System entwickelt, das bereits voll in Axoom integriert ist. Diese Funktion war uns vom Start weg so wichtig, dass wir nicht auf weitere Partner warten wollten. Wir sprechen aktuell auch mit Unternehmen im Fräsbereich, die oft sehr gute Lösungen haben, aber nicht ohne Weiteres in die Cloud kommen. Wir ergänzen uns da sehr schön.
Weigmann: Auch hier bleibt die Logik immer dieselbe: Axoom bringt ein tief integriertes MES-System mit. Wenn der Kunde aber schon eines hat, dann binden wir dieses stattdessen an. Denn er hat ja bereits einen Vorinvest getätigt und spezifische Anpassungen vorgenommen. Das würden wir nicht ersetzen.
mav: Zielt Axoom hauptsächlich auf Endanwender ab, oder auch auf Komponentenhersteller?
Fischer: Komponentenhersteller sind ein wichtiger Kundenkreis, den Axoom bedienen kann und wird. Wenn ein Hersteller von Kühlaggregaten, Antrieben oder Ähnlichem heute seine Produkte an einen Maschinenhersteller verkauft, verschwinden sie bei ihm quasi vom Radar. Wandern die Daten in Axoom, kann er sie dort prozessieren und so seine eigenen Entwicklungen verbessern. Er kann sie aber auch in aufbereiteter Form wiederum Trumpf zur Verfügung stellen, um den Service von Trumpf als neues Geschäftsmodell zu verbessern.
mav: Diese Zusammenarbeit sollte in der Cloud passieren?
Fischer: Genau. Das geht gar nicht anders. Dort haben Sie auch die Prozessierungspower, die Sie bei den anfallenden Datenmengen brauchen werden.
mav: Wo läuft das Hosting ab?
Weigmann: Für europäische Kunden in einem deutschen Rechenzentrum, rein nach deutschem Datenschutzrecht. Es sind keine anderen Unternehmen involviert, auch unser amerikanischer Partner ist bei uns lokal implementiert.
Fischer: Die Daten werden Axoom niemals verlassen, es gibt auch keine Verbindung zu Trumpf. Das ist auch auditiersicher. Es war ein wesentlicher Aspekt für uns, dass keine Daten, die von einer Wettbewerbsmaschine kommen, etwa nach Ditzingen fließen.
mav: Siemens nutzt für seine neue Cloud-Plattform die In-Memory-Datenbanktechnologie HANA von SAP, und das Hosting findet in Walldorf statt. Welche Infrastruktur für die Datenauswertung nutzen Sie?
Weigmann: Wir arbeiten zum einem mit sequenziellen Datenbankformaten, zum anderen mit unstrukturierten Datenbanken wie Mongo-DB, und wir nutzen die gängigen Analytikwerkzeuge. Dabei orientieren wir uns am konkreten Use-Case. Es ist ein großer Unterschied, ob Sie eine Big-Data-Analyse fahren wollen oder einen Report erstellen wollen.
mav: Herr Fischer, Sie sind vor rund zwei Jahren von SAP zu Trumpf gestoßen. Wo liegt denn aus Ihrer Sicht der Knackpunkt bei der Verbindung von IT und Maschinenbau?
Fischer: Die IT muss lernen, die Sprache des Maschinenbaus zu sprechen, und umgekehrt. Zum Beispiel haben wir eine Anwendung entwickelt, die zeigt, wie effizient Ihre Fertigung arbeitet. Sie können Reports erstellen, wann die Maschinen produzieren und welche Materialien Sie über die Zeit hinweg verwenden. Für einen ITler ist sofort klar, um was es dabei geht, für einen Maschinenbauer müssen Sie es dagegen oft erst visualisieren, damit er den Nutzen versteht. Unser Performance Cockpit macht genau das, und es ist sehr schnell entstanden, weil beide Welten zusammengearbeitet haben.
Weigmann: Das Performance Cockpit zeigt sehr schön, was Axoom eigentlich macht. Ein Axoom Report zeigt lediglich: An, Aus, Defekt, Wartung. Daraus ergibt sich eine Komplettsicht über den gesamten Maschinenpark, wie sie keiner der einzelnen Hersteller liefern kann. Will man dann tiefer in eine bestimmt Maschine reingehen, gibt es dafür eine App des Herstellers, da mischt sich Axoom nicht ein.
mav: Werden Sie zum Marktstart vor allem Trumpf- Anwender ansprechen?
Weigmann: Wir sind da komplett offen. Trumpf ist natürlich ein sehr guter Vertriebskanal für uns, aber wir werden uns nicht auf die Blechbearbeitung fokussieren. Die zerspanende Industrie ist für uns genauso interessant.
mav: Wie verdienen Sie Geld mit Axoom?
Weigmann: Das finale Preismodell steht noch nicht fest, aber es wird ein Mietmodell in irgendeiner Form sein. Es wird sicher auch Pay-per-use-Szenarien geben für Funktionen, die man selten oder nur einmal benutzt. Und die Applikationshersteller bekommen eine Umsatzbeteiligung.
mav: Wie integrieren sich die Apps in das Gesamtsystem?
Weigmann: Wir haben unterschiedliche Bereiche des Fertigungsprozesses: Planung, Office, Produktion, Inventar. Die Apps gliedern sich dort ein, wo es sinnvoll ist.
mav: Wollen Sie eine Art Apple der Industrie werden, der einen lukrativen App-Store betreibt?
Fischer: Ich würde es eher mit Google vergleichen, weil wir keine proprietäre Plattform haben. Man kann beliebige Maschinen einbinden. Android wäre also die bessere Parallele. Allerdings ist Axoom faktisch kein Betriebssystem, mit Ausnahme der Datenübertragung, die wir mit eigenen Komponenten abdecken.
mav: Schauen Sie sich konkret an, was Google und Co. so treiben?
Fischer: Wir schauen da sehr genau hin, allerdings weniger auf Google. Tief auf die Maschinenebene zu gehen ist schon sehr schwierig, und die klassischen IT-Unternehmen haben genau das Problem, dass sie Maschinenbau und IT nicht so leicht zusammenbekommen. Es gibt aber jetzt in Amerika eine ganze Reihe von Entwicklungen, die uns zeigen, dass man dort aufgewacht ist.
Weigmann: Wir haben Amerika jetzt überrascht – in dem Sinn, dass wir 2015 schon vorgestellt haben, was für 2016 erwartet wurde. Aber man ist dort ganz klar aufgewacht. Wobei die Schere zwischen dem Status des Maschinenbaus und der Cloud-Entwicklung dort deutlich weiter auseinander geht als hierzulande. Dort sind die Maschinenhersteller eher etwas konservativer als die Europäer, während umgekehrt die Cloud-Entwicklung in Amerika natürlich weiter fortgeschritten ist als hier.
mav: Wo steht der deutsche Maschinenbau bezüglich Industrie 4.0? Ist man schon ganz schön weit, oder verläuft die Entwicklung eher zäh?
Fischer:Eher Letzteres. Aber Deutschland hat absolut die Chance, in diesem Bereich große IT-Firmen aufzubauen. Wir haben sehr gute Informatiker, und auch das Produktions-Knowhow ist in Europa vorhanden. Wenn wir das nutzen und schnell genug sind, sehe ich keinen Grund, warum hier keine erfolgreichen Unternehmen entstehen sollten.
Axoom GmbH www.axoom.com
Trumpf GmbH & Co. KG www.trumpf.com

Offene Plattform für die Fertigung

Mit der Gründung des Tochterunternehmens Axoom am Standort Karlsruhe, will der Werkzeugmaschinen-Riese Trumpf eine herstellerunabhängige Geschäftsplattform im Sinne von Industrie 4.0 im Markt etablieren. Als offene Plattform soll Axoom allen Kunden, deren Zulieferern sowie Dienstleistern zur Verfügung stehen. Komponenten unterschiedlicher Hersteller innerhalb einer Wertschöpfungskette können sich vernetzen und intelligent zusammenarbeiten. Da Axoom als modulares und skalierbares System gestaltet ist, können Nutzer in einem gestaltbaren Zeitraster einzelne Prozessschritte durch eine durchgängige Lösung ersetzen. Zu den Modulen, die Axoom mitbringt, zählen Auftragsmanagement, Ressourcenmanagement, Logistik, Produktionsplanung und Reports.
Zur Stärkung ihres Software-Portfolios haben die Ditzinger gleich zwei Akquisitionen getätigt. Zum einen hat man eine Mehrheitsbeteiligung an der Stuttgarter Xetics GmbH erworben, die auf Fertigungssteuerungssysteme (MES) für kleine und mittlere Unternehmen spezialisiert ist. Zum anderen hat Trumpf eine Beteiligung an C-Labs erworben. Der US-Softwarehersteller mit Sitz in Redmond, Washington, bietet Lösungen für die hochsichere und einfache Erfassung und Übertragung von Maschinendaten im Produktionsumfeld – sowohl von der Maschine in das IT-Netzwerk der Fabrik als auch in die Cloud. Die Lösungen funktionieren herstellerunabhängig und können an beliebige Maschinensteuerungen angebunden werden.
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