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Digitalisierung in der Zerspanung schreitet voran

Weg zur Vernetzung führt über offene Schnittstellen
Digitalisierung in der Zerspanung schreitet voran

Auf dem Weg zur Digitalisierung bilden die Schnittstellen der Betriebsmittel quasi das Nadelöhr der Vernetzung. Für Industrie 4.0 müssen die anfallenden Daten nicht nur erfasst, sondern auch herstellerübergreifend weitergegeben werden. Standardisierung ist der einzige Weg, diese Hürde zu nehmen. Sie wird eines der Themen auf der neuen Sonderschau und Kongress dem „Digital Way“ auf der AMB, der internationalen Ausstellung für Metallbearbeitung ivom 18. bis 22. September 2018 in Stuttgart, sein.

Werkzeugmaschinen erreichen schon heute einen hohen Grad an Perfektion. Wer in Zukunft jedoch noch nennenswerte wirtschaftliche Verbesserungen und damit Vorteile erzielen will, kann das eigentlich nur noch im Zusammenspiel mit den anderen Komponenten des Gesamtsystems und sogar unternehmensübergreifend. So verbinden der Studie „Industrie 4.0 im Mittelstand“ der Unternehmensberatung Deloitte aus 2016 zufolge 90 Prozent der mittelständischen Unternehmen mit dem Begriff Industrie 4.0 vor allem digital vernetzte Systeme.

VDW-Initiative soll den Weg ebnen

Das hat auch der VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) erkannt. Mit seiner kürzlich vorgestellten Brancheninitiative legte der Verband einen konkreten Fahrplan vor, wie die Schnittstellen der Maschinen standardisiert werden sollen. „Ziel ist es, einen Standard für die Anbindung unterschiedlichster Maschinensteuerungen an eine gemeinsame Schnittstelle – einen Connector – zu entwickeln und softwaretechnisch zu implementieren“, erklärte der VDW-Vorsitzende Dr. Heinz-Jürgen Prokop anlässlich der Vorstellung.

Zunächst soll eine Schnittstellenspezifikation erarbeitet werden. Ein Connector-Stack soll dann dafür sorgen, dass die Signale aus unterschiedlichen Steuerungsschnittstellen in das offene Format OPC UA (Open Plattform Communications Unified Architecture) übersetzt werden. Schließlich wird ein Gateway implementiert, mit dem sich unterschiedliche DV-Systeme und Clouds via Standardprotokoll anbinden lassen. In der ersten Projektphase ist ein Kernteam mit den Firmen DMG Mori, Emag, Grob, Heller, Liebherr-Verzahntechnik, United Grinding und Trumpf beteiligt.

Für die United Grinding Group ist Standardisierung und eine gemeinsame Sprache der Systeme jedenfalls der Schlüssel für die aktuellen Industrie-4.0-Visionen. „Technisch ist Industrie 4.0 real umsetzbar“, erklärt Christian Josi, Projektleiter HW/SW Engineering beim Gruppenmitglied Fritz Studer AG. „Wenn jedoch auf Grund der Interessen Einzelner keine Vereinheitlichung bei den Standards stattfinden, werden die Maschinen weiterhin Insellösungen bleiben.“

Auch DMG Mori sieht die Vernetzung der installierten Basis als eine derzeit noch relevante Barriere für die Umsetzung von I4.0-Projekten. Der VDW-Vorstoß soll für den Werkzeugmaschinenhersteller das Anschließen von Maschinen und die systematische und echtzeitnahe Datenauswertung vereinfachen. Konnektoren könnten zudem helfen, Maschinen verschiedener Fremdanbieter zu vernetzen, um Data Driven Services bzw. IoT-Applikationen realisieren zu können.

Schnittstellen ein Thema des „Digital Way“

Erste Ergebnisse der Initiative sind für das erste Quartal 2018 angekündigt, weitere Fortschritte dürften zur AMB folgen. Mit Sicherheit werden sie als Wegbereiter zu Industrie 4.0 in der Praxis eine wichtige Rolle auf der neuen Sonderschau und Kongress „Digital Way“ spielen. Sie bietet eine Expertenkonferenz und eine Begleitausstellung. Interaktive Show Cases zeigen das Zusammenspiel vernetzter Abläufe in Unternehmen und ihren Mehrwert.

Dass Standardisierung ein zentrales Thema sein wird, macht Thomas Hösle, Geschäftsführer von Elabo, einem Tochterunternehmen der Euromicron-Gruppe, deutlich. Er will Vorurteile abbauen, dass Standards für die Digitalisierung fehlen, die Kosten für die Umsetzung zu hoch seien und insbesondere kleine Mittelstandsunternehmen nicht über die notwendige Manpower verfügten: „Diese gilt es jetzt auszuräumen und diesen Trend nicht zu verschlafen.“ Mit der Smart Factory von Elabo und der Beteiligung zahlreicher AMB-Aussteller wird dies im Eingang Ost live erlebbar gemacht.

Besonders Steuerungshersteller sind gefordert, den Datenfluss in und vor allem aus den Werkzeugmaschinen zu unterstützen. Sie machen das nicht immer mit Begeisterung, denn darin steckt oft auch eine Menge Produkt-Know-how. Michael Marzluff, Deputy Division Manager CNC Europe Mechatronics CNC bei Mitsubishi Electric Europe sieht das anders. Er begrüßt eine Standardisierung ausdrücklich: „Endkunden – also die Kunden unserer Kunden – sagen, dass sie die Maschinen auf Basis eines Standards schneller anbinden können; wir müssen diesen Standard bedienen können, denn es ist eine Kundenforderung.“ Ein IoT-Gateway-Modul habe man deshalb bereits im Programm.

Auch Maschinenhersteller profitieren

Beim Werkzeugmaschinenhersteller Emco sieht man in standardisierten Schnittstellen erhebliche Vorteile für den Kunden beim Vernetzen von Maschinen in heterogenen Maschinenparks. Für Emco selbst – man setzt Steuerungen von Siemens, Fanuc und Heidenhain ein – „bringt eine gemeinsame Schnittstelle sowohl bei der Entwicklung als auch im Verkauf der Maschinen Erleichterungen“, erklärt Dr. Christian Klapf, Leiter Forschung und Entwicklung.

Weshalb man dort bereits zusammen mit dem IFT Institut für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik der TU Wien das Forschungsprojekt „OPC 4 Factory“ durchgeführt hat. Dabei wurde ein OPC-UA-Server inklusive Informationsmodell für die Win-NC-Steuerung von Emco entwickelt. Klapf: „Wir werden die Ergebnisse des Projekts und der VDW-Brancheninitiative übereinanderlegen und damit die nächsten Schritte planen.“ Auf der AMB 2018 will man zeigen, wie verschiedenste Emco-Maschinen mit unterschiedlichsten Steuerungen über einen Standard kommunizieren und mit anderen, heterogenen Maschinenparks vernetzt werden können.

Die positive Wirkung eines Standards bestätigt Jonas Ruesch, Manager Software Development Digital Transformation bei GF Machining Solutions: „Eine standardisierte Schnittstelle für Maschinensteuerungen ist eine grundlegende Voraussetzung für die Umsetzung von flexiblen Anwendungen wie sie unsere Kunden im Umfeld von Industrie 4.0 fordern.“ Und ein Connector-Stack, wie ihn die VDW-Initiative vorsieht, würde den Aufwand für die Entwicklung steuerungsunabhängiger Lösungen signifikant senken. Übrigens auch eine wichtige Voraussetzung zur Produktion individualisierter Produkte mit Losgröße eins, da „beispielsweise die Umrüstzeit stark reduziert werden könnte“. Bei GF will man einen Weg finden, das Datenmodell der Maschinensteuerung mit den übrigen Daten, die in den Maschinen verarbeitet werde, „zu einer einheitlichen Repräsentation verknüpfen zu können“.

Standard entspricht Kundenforderung

Kasto muss seine Sägen schon heute „mühelos in einen digitalisierten und einheitlich gesteuerten Materialfluss integrieren“ können, wie Sönke Krebber, Mitglied der Geschäftsleitung, feststellt. Unnötige Schnittstellen sollten deshalb möglichst vermieden werden – weshalb man die Brancheninitiative „tatkräftig unterstützt“. Kasto ist bereits Mitglied in einem Konsortium führender Sägemaschinen- und Werkzeughersteller sowie verschiedener Forschungsstellen, um ein Konzept zur Vernetzung in der Sägetechnik zu entwickeln. „Basis ist ein einheitlicher Kommunikationsstandard, der alle wesentlichen Prozessdaten berücksichtigt und einen gesteuerten Lese- und Schreibzugriff für alle beteiligten Produktionspartner erlaubt.“

Auch Präzisionswerkzeuge profitieren von Digitalisierung und Vernetzung. „Generell ist für uns die Digitalisierung eine Möglichkeit, unseren Kunden Anwendungswissen direkt und zielgerichtet zur Verfügung zu stellen“, sagt Dr. Niklas Kramer, Product & Industry Segment Director bei Sandvik Tooling Deutschland. Um richtig beraten zu können, müsse aber der Ausgangszustand bekannt sein. „Konkrete Kontextdaten aus der Werkzeugmaschine sind da ein riesiger Schritt voran, je einfacher und einheitlicher sie uns zur Verfügung stehen, desto größer der Anwendernutzen.“

Den Weg zur Vernetzung über die Cloud geht der Roboterhersteller Kuka. „Nicht nur der Roboter, auch die Werkzeugmaschine und weitere Geräte in der Fertigung können an die Kuka-Cloud angebunden werden, um dort die Daten zu sammeln und zu analysieren, um die Fertigungsabläufe zu optimieren“, erläutert Business Development Manager Winfried Geiger. Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt Kuka auf der nächsten AMB mit einer vollautomatisierten, vernetzten Roboterzelle, in die zwei Heller-Bearbeitungszentren integriert sind. Alle aktiven Komponenten sind miteinander und mit der Kuka-Cloud über die Kuka Connectivity Box verbunden.

AMB 2018
www.messe-stuttgart.de/amb


„Wer die Standards setzt, hat Vorteile im Markt“

Vier Fragen an Professor Eberhard Abele, Leiter des PTW Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen der TU Darmstadt.

Herr Professor Abele, sind Schnittstellen ein Hindernis auf dem Weg zur Digitalisierung? Weist die VDW-Brancheninitiative in die richtige Richtung?

Abele: Eindeutig ja! Betriebsleiter und vor allem Fertigungsplaner müssen sehr viele unterschiedliche Betriebsmittel planen, einkaufen und zunehmend vernetzen. Die Planer haben gar nicht die Zeit, viel Aufwand in die Vernetzungsproblematik zu investieren. Da ist es eine immense Hilfe, wenn ein herstellerübergreifender Standard vorhanden ist. Industrie 4.0 wird im Produktionsbetrieb nur vorankommen, wenn es möglichst einfach wird, die Komponenten zu vernetzen.

Muss ein solcher Schnittstellenstandard nicht weltweit gelten, um erfolgreich zu sein?

Abele: Auch wenn niemand vorhersehen kann, wie sich die Welt entwickelt, ist es auf jeden Fall wünschenswert, wenn die Standards hier gesetzt werden. Es ist ja fast ein Naturgesetz, dass derjenige, der die Standards setzt, gewisse Vorteile am Markt hat. Ich glaube, die Chancen stehen nicht schlecht, denn Deutschland ist ja eine der führenden Nationen im Werkzeugmaschinenbau.

Derzeit entsteht eine Vielzahl neuer Plattformen im Fertigungsbereich, die den Datenaustausch via Cloud vereinfachen sollen. Droht nicht wieder einer Verzettelung?

Abele: Hinter diesen Plattformen haben sich die unterschiedlichsten Allianzen gebildet, beispielsweise Mindsphere von Siemens, Axoom von Trumpf, oder Adamos von DMG Mori und anderen. Es ist im Moment schwer zu erkennen, wohin die Reise geht, aber es wird langfristig sicher nicht nur eine Lösung geben. Schon deshalb, weil es Firmen gibt, die sehr uniform in der Auswahl der Betriebsmittel sind und die Lösung favorisieren werden, die ihr jeweiliger Maschinenhersteller empfiehlt. Andererseits gibt es Tausende von Produktionsunternehmen, die mit einer Vielzahl von Herstellern arbeiten. Diese werden eher offene Plattformen wählen.

Die Innovationsschau des PTW ist einer der Leuchttürme der AMB. Wissen Sie heute schon, was Sie zeigen werden?

Abele: Wir werden mit Sicherheit sehr konkrete Lösungen zum Thema Industrie 4.0 und auch sonst echte Spitzentechnologie zeigen. Messebesucher können auf der jetzt noch größeren AMB die enorme Vielfalt kaum mehr vollständig erfassen. Deswegen setzen wir uns das Ziel, die relevanten Zukunftsentwicklungen konzentriert an einem Ort zu zeigen. Durch die geführten Touren auf unserem Stand werden die Dinge auch erläutert und eingeordnet.

Professor Eberhard Abele, Leiter des PTW Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen der TU Darmstadt. Bild: PTW
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