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Simulationsgestützte Optimierung von Zerspanprozessen

Physikalische Simulation schafft Transparenz in der spanenden Fertigung
Simulationsgestützte Optimierung von Zerspanprozessen

NC-Programme werden mit am Markt verfügbarer Simulationssoftware geometrisch in punkto Materialabtrag und Kollisionsvermeidung optimiert. Die Ergänzung von CAD/CAM-Prozessketten durch die physikalisch basierte Prozessanalyse und -optimierung mit dem „Production Module“ setzt jetzt neue Maßstäbe hinsichtlich Transparenz und Leistungsfähigkeit in der Zerspanung durch Vorhersage der Zerspankräfte und Werkzeugbelastungen.

Autoren: Dr.-Ing. Kay Marschalkowski, Leitung Tool Engineering Center, Dr.-Ing. Claus Itterheim, Geschäftsführung, ISBE GmbH

In der Serienproduktion können bereits kleine Verbesserungen der oft schon weit optimierten Zerspanprozesse hinsichtlich Zykluszeit oder Werkzeugstandzeit einen großen Einfluss auf Fertigungskosten und Produktivität aufgrund der hohen Stückzahlen haben. Im Bereich der Kleinserien- bzw. Einzelteilfertigung zählt dagegen die Sicherheit und Fehlerfreiheit, angefangen von der Programmierung bis zum ersten Schnitt auf der Maschine, da das erste Teil bereits ein Gutteil sein muss.
In beiden Fällen ist es entscheidend, den Zerspanprozess im Detail zu durchleuchten, um ein bestmögliches Verständnis zu gewährleisten, was während der Zerspanung zwischen Werkzeugschneide und Werkstück passiert. Erst dann ist es möglich, Problembereiche bei der Bearbeitung zu identifizieren und den Bearbeitungsablauf im Detail zu verbessern.
Das Production Module (PM) ist eine Softwarelösung zur Optimierung von NC-Programmen, welche die notwendige Transparenz für ein umfassendes Verständnis im Zerspanprozess schafft. Schlüsselfunktionen des PM sind die Simulation der Prozessgrößen Zerspankraft, Temperatur und Werkzeugbelastung auf Basis eines physikalischen Simulationsansatzes. Durch die Einbindung in die bestehende CAD/CAM-Prozesskette wird die Zerspanung auf Basis des vorhandenen NC-Programms simuliert. Dazu werden als Eingangsdaten die Werkstückgeometrie vom CAD-System und der erzeugte NC-Code (nach dem Postprozessor) oder auch Quellcode (vor dem Postprozessor) im Production Module eingelesen.
Die eingesetzten Zerspanungswerkzeuge können entweder aus einer Datenbank eingelesen oder im Production Module parametrisiert werden. Zur Definition des Werkstückmaterials steht eine integrierte Datenbank für physikalische Werkstoffmodelle zur Verfügung. Hierbei kann eine Auswahl aus ca. 140 verschiedenen Werkstoffen, angefangen bei Aluminium, Stahl und Edelstahl über Guss-, Nickel-, Titan- und Magnesiumlegierungen getroffen werden.
Visualisierung und Analyse von Zerspankraftverlauf und Werkzeugbelastung
Nach Festlegung der Kinematik und Maschineneigenschaften wie Beschleunigungs-/Verzögerungsverhalten werden die im NC-Programm festgelegten Werkzeugbahnen analysiert. Im 3D-Modell wird gemäß Abbildung 1 die Interaktion zwischen Werkzeug und Werkstück visualisiert und die physikalischen Prozessgrößen bestimmt. Dadurch stehen dem Anwender der vollständige Zerspankraftverlauf zwischen Werkzeug und Werkstück sowie der Verlauf der Werkzeugbelastung für die gesamte Bauteilbearbeitung zur Verfügung. In der Benutzeroberfläche können weitere wichtige Informationen über geometrische Eingriffsverhältnisse, Prozessparameter oder auch weitere Prozessgrößen wie Zerspanleistung und maximale Werkzeugtemperatur je Werkzeugumdrehung (Fräsen, Bohren) bzw. Werkstückumdrehung (Drehen) eingesehen und analysiert werden.
Durch die Analyse des Ist-Zustandes (roter Grafikbereich) können Problembereiche identifiziert und durch eine automatische Vorschubanpassung behoben werden. Wie in Abbildung 1 A dargestellt, lässt sich mithilfe der Definition von Grenzwerten das Niveau der Schnittkraft regulieren. Kraftspitzen, welche sich negativ auf die Prozessstabilität und Werkstückqualität auswirken, werden eliminiert. In Bereichen, in denen das definierte Kraftniveau unterschritten wird, findet eine Anhebung des Werkzeugvorschubs statt, um das Kraftniveau auszubalancieren. Im Ergebnis resultiert daraus die Nutzung brachliegender Potenziale im NC-Programm, wodurch auch Einsparungen in der Zykluszeit erzielt werden. In Abbildung 1 B ist diese Vorgehensweise für die kontrollierte Optimierung der Werkzeugbelastung gezeigt. Die Reduzierung der in Rot dargestellten Belastungsspitzen ist gleichbedeutend mit einer Verbesserung der Werkzeugstandzeit und Prozesssicherheit durch Vermeidung von abruptem Werkzeugversagen durch Werkzeugschneidenbruch.
Automatisierte NC-Programmoptimierung steigert Produktivität und Qualität
In Abbildung 2 wird der Einsatz des PM am Beispiel der Bearbeitung eines geschlossenen Impellerrades durch Tauchfräsen veranschaulicht. Die simulative Analyse des Ausgangszustands im PM zeigt Bereiche, bei denen kritische Werte hinsichtlich Zerspankraft und Schneidenbelastung wäh-rend der Tauchfräsoperation auftreten. Nach Festlegung der Grenzwerte für beide Prozessgrößen und der darauffolgenden automatischen Optimierung der Vorschubwerte kann die Überlastung des Fräswerkzeugs vermieden sowie die Zykluszeit der Bearbeitung maßgeblich reduziert werden. Ziele und Vorteile, welche sich daraus für die Fertigung ergeben, sind:
  • Steigerung der Produktivität
  • Verbesserung von Werkstückqualität und Prozesssicherheit
  • Erhöhung der Werkzeugstandzeit und des Maschinennutzungsgrades
  • Überprüfung von NC-Programmen vor der ersten Spanabnahme erleichtert Einfahren neuer Prozesse
Ein weiterer Vorteil, welcher sich aus der automatischen Bestimmung der optimalen Vorschubwerte ergibt, stellt der reduzierte Programmieraufwand bei der Erzeugung der NC-Programme dar, da keine detaillierte Festlegung der Vorschubwerte mehr vorgenommen werden muss. Zusätzlich lässt die Prozessanalyse im PM Verbesserungspotenziale für die NC-Bahnplanung erkennen und ermöglicht ebenso die Erprobung unterschiedlicher Werkzeugstrategien, um eine bestmögliche Vorauswahl der einzusetzenden Werkzeuge treffen zu können. Dies ist umso wichtiger, je komplexer die Bearbeitungsaufgabe wird. Daher bieten Prozesse wie die simultane 5-Achsfräsbearbeitung enormes Verbesserungspotenzial.
Dass eine Einsparung der Zykluszeit auch bei Prozessen mit 2½ bis 3 Achsen erfolgen kann, zeigt der Einsatz des PM für das Fräsen einer Werkzeugform für das Spritzgießen. Für die in Abbildung 3 veranschaulichte Miniaturspritzgussform erfolgte nach der CAM-Programmierung die Optimierung der Teileprogramme zum Schruppen und Vorschlichten im PM. Als Werkzeuge kamen Kugelkopffräser mit ø 3 mm (Schruppen) und ø 2 mm (Schlichten) zum Einsatz.
Abbildung 4 veranschaulicht das Optimierungsergebnis hinsichtlich der realen Fertigungszeiten der einzelnen Zyklen. Die Validierung der Ergebnisse zur Bauteilzerspanung auf der Maschine zeigt einen Produktivitätszuwachs beim Schruppen von ca. 16 % und beim Vorschlichten von ca. 27 %. Insgesamt ergibt sich dadurch eine Steigerung der Produktivität von 19 % bei gleicher Werkzeugstandzeit.
Realitätsnahe Simulation ohne aufwändige Zerspanversuche an der Maschine
Die Optimierung spanender Fertigungsprozesse zur Steigerung der Produktivität ist eine Herausforderung, welcher sich jeder Hersteller von technologisch anspruchsvollen mechanischen Komponenten zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit stellen muss. Als CAE-Lösung zur Steigerung der Leistungsfähigkeit von Zerspanprozessen bietet nun das „Production Module“ Anwendern von CNC-Maschinen die Möglichkeit, NC-Programme zum Fräsen, Drehen und Bohren auf Grundlage physikalischer Prozessgrößen realitätsnah zu simulieren und zu optimieren. Dadurch können Fertigungszeiten gesenkt, die Werkzeugstandzeit erhöht und die Werkstückqualität durch Einhaltung enger Toleranzen verbessert werden. Aufwändige Zerspanversuche an der Maschine und damit verbundene Kosten sowie Bindung von Kapazitäten werden auf ein Minimum reduziert.
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