„Es gibt nichts Schädlicheres als die Krankheit.“ Diese Aussage des französischen Existenzialisten Albert Camus, gefallen auch vor dem Hintergrund seiner eigenen TB-Erkrankung, kann wohl jeder nachvollziehen, der Derartiges am eigenen Leib erfahren hat. Jetzt trifft es eine ganze Gesellschaft. Als alter Französisch-Schüler habe ich mich im Zuge der Corona-Entwicklung natürlich an Camus‘ wegweisenden Roman „La Peste“ erinnert. Und egal, ob „die Pest“ nun metaphysisch oder konkret zu begreifen ist – die Schlussfolgerungen seiner Philosophie passen gerade jetzt: Solidarität, Zusammenarbeit und eigenständiges Handeln sind die Instrumente, die wir in den Händen halten, um einem derartigen Feind zu begegnen. Tatsächlich zeigt sich zu Frühlingsanfang, während ich dies schreibe, dass bei vielen Menschen die Kreativität geweckt ist und dass die Ideen sprießen, wie man sich gegenseitig helfen und wie auf veränderten Wegen das gesellschaftliche Leben weitergehen kann.
Aktuell erliegt man schnell dem Eindruck, neben den sozialen Kontakten müsse auch die Wirtschaft auf Null fahren. Dabei scheinen Online-Handel oder Lebensmittelnachschub mehr oder weniger zu funktionieren wie bisher. Viele Kanäle sind also weiter offen. Dabei unterscheidet eines diese Wirtschaftskrise von anderen: Sind die Einflussfaktoren auf die Konjunktur oft hoch komplex und schwer durchschaubar, so stellt sich das Problem im Fall von Corona zwar als extrem herausfordernd, aber nicht unbedingt als komplex dar. Es geht schlicht darum, die Zahl der Neuinfektionen pro Zeiteinheit im Zaum zu halten, um unser Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Auch die „Lösung“ ist nicht komplex: Abstand halten. Es ist das Einzige, was wir tun können, und – ehrlich gesagt – ist das so schwer? Es gibt eine ganze Menge Dinge, die wir auch im Abstand von zwei Metern ganz gut organisieren können – warum nicht auch in der Fertigung? Und die Möglichkeiten, die die digitale Vernetzung heute bietet, hätten wir bei früheren Pandemien doch niemals gehabt.
Also gilt es, den Kopf aus dem Sand zu ziehen und uns an das zu erinnern, was uns in solchen Zeiten bleibt: Solidarität – bestehende Geschäftskontakte pflegen, Zusammenarbeit – gemeinsam mit den Partnern Lösungen finden, wie es für alle weiter gehen kann, und Kreativität – die riesigen technischen Möglichkeiten nutzen, die wir heute haben, um Kommunikation und Wirtschaftstreiben auch unter veränderten Bedingungen aufrecht zu erhalten. Vielleicht stehen wir ja jetzt an dem Wendepunkt, an dem sich die viel diskutierten Umwälzungen durch die Digitalisierung endgültig Bahn brechen.
Wie die Welt nach dieser Krise aussehen wird, kann wohl keiner abschätzen. Von „zurück zur Tagesordnung“ bis zum technologischen New Deal ist alles drin. Dass viele Produktionsunternehmen jetzt ihren Betrieb herunterfahren, ist nachvollziehbar. Aber zu lange nichts zu tun, wäre gefährlich. Schnell ist der Anschluss verloren, wenn die Karten neu gemischt werden. Also bitte nicht zu lange in der Schockstarre verharren!
Aber das Wichtigste natürlich: Bleiben Sie gesund!
Dr. Frank-Michael Kieß
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