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„Künstliche Intelligenz – die nächste Revolution?“

Andreas Lindner, geschäftsführender Gesellschafter, Bimatec Soraluce Zerspanungstechnologie GmbH
„Künstliche Intelligenz – die nächste Revolution?“

Mit der intelligenten Maschine will der Großmaschinenhersteller Bimatec Soraluce fehlendes Zerspanungs-Knowhow kompensieren. Wo die Hürden der Digitalisierung liegen, wie Kunden von einem Leihfräskopf-System profitieren und wie sich das Unternehmen als Teil der Danobat-Gruppe verhält, darüber hat die mav mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Andreas Lindner gesprochen. Das Interview führten: Yannick Schwab und Frederick Rindle

mav: Herr Lindner, welche Kunden setzen die intelligenten Bimatec-Soraluce-Maschinen schon heute ein und was ist deren besonderer Vorteil?

Lindner: DAS+ für ratterfreies Bearbeiten, Adaptive Control für eine automatische Vorschubregelung und SSV für automatische Anpassung der Drehzahl sind alles intelligente Funktionen, die heute fast von allen Kunden genutzt werden. Der Vorteil für unsere Kunden liegt darin, dass über spezielle Sensoren der Bearbeitungsverlauf überwacht und über eigens entwickelte Algorithmen ausgewertet werden. Die intelligenten Funktionen sorgen eigenständig, ohne Einwirkung des Bedienpersonals, für eine ratterfreie Bearbeitung und Optimierung der Schnittdaten.

Mit der Smart Machine wird über die speziellen Sensoren und zusätzlichen Messmittel der Verschleiß von wesentlichen Baugruppen überwacht und es können frühzeitig durch den Anwender Maßnahmen für vorausschauende Wartungen eingeleitet werden.

Die Smart Machines werden bislang meist von größeren Unternehmen angefragt, bei denen bereits eine umfassende Digitalisierungsstrategie im Unternehmen installiert wurde. Denn die intelligente Maschine braucht auch das entsprechende Umfeld, damit alle Vorteile voll und ganz genutzt werden können. Aktuell haben wir mit Airbus sicherlich einen ganz Großen, der mit unseren Smart Machines produzieren wird.

Warum verlangt der Markt nach einer intelligenten Maschine?

Lindner: Viele unserer Kunden erleben in ihrem Umfeld einen wachsenden Fachkräftemangel. Bedienten bislang in den meisten Unternehmen langjährige Mitarbeiter mit einem umfassenden Know-how die Maschinen, stehen dort heute vermehrt unerfahrene Kollegen. Die intelligente Maschine kann diesen Verlust an Erfahrung im Unternehmen kompensieren. Da sie sich selbstständig reguliert und negative Einflüsse bei der Bearbeitung von alleine erkennt.

Welche Gewichtung haben die Softwarekomponenten in einer intelligenten Maschine?

Lindner: Unsere Großmaschinen haben einen durchschnittlichen Auftragswert von rund einer Million Euro, davon entfallen auf die Software vielleicht vier Prozent. Mit diesem geringen Invest gewinnt der Kunde allerdings einen riesigen Mehrwert. Denn die Smart Machine verringert aktiv den Werkzeugverschleiß, sorgt für weniger Werkzeugbruch und führt so zu einer sicheren Produktion.

Gibt es im Portfolio von Bimatec Soraluce noch weitergehende Digitalisierunglösungen, vielleicht auch schon in Richtung Industrie 4.0?

Lindner: Ja, wir bieten zum Beispiel ein komplettes Monitoring an, um Arbeitsprozesse und Maschinendaten auszuwerten. Besonders spannend ist allerdings die Kopplung unserer Industrie 4.0-Lösungen mit einer Smart Machine aus unserem Haus. So kann der aktuelle Ist-Zustand der Maschinen topaktuell ausgewertet werden. Wir sind heute zum Beispiel schon so weit, dass wir die Stromaufnahme pro Werkzeug auswerten können.

Was kann man aus dem Stromverbrauch der Spindel auslesen?

Lindner: Bislang ist es meist nicht möglich, die Wirtschaftlichkeit einer bestimmten Bearbeitung zu beleuchten. Klar zu erkennen ist bislang nur, ob der Zerspanungsprozess das richtige Ergebnis geliefert hat. Um den Prozess auch wirtschaftlich betrachten zu können, braucht es viel mehr an Informationen, beispielsweise den Werkzeugverschleiß oder eben die Stromaufnahme der Spindel.

Sie können mit den Daten der Smart Machine auch rechtzeitig erkennen, ob die Maschine gewartet werden soll. Was sind die Hauptkomponenten, die dabei überwacht werden?

Lindner: Im Besonderen werden die Motoren und die komplette Schmierung überwacht. In unseren Großmaschinen setzen wir auf die Schmierung mit Fett. Dies hat viele Vorteile, aber der Anwender muss die Fettschmierung überwachen und gegebenenfalls nachfüllen. Dies kann, wie auch die anderen Wartungen, nach einem bestimmten Intervall erfolgen oder eben smart jeweils an dem von unserem System vorgeschlagenen Termin.

Konnten Sie feststellen, dass sich die Laufzeiten der Fräsköpfe, für deren Qualität Bimatec Soraluce schließlich bekannt ist, durch das Monitoring verlängert?

Lindner: Nein, die Betriebszeiten können auch durch eine optimierte Wartung nicht verbessert werden. Denn jeder Fräskopf, egal welchen Herstellers, muss nach einer bestimmten Betriebsdauer gewartet werden. Das hängt davon ab, in welchem Drehzahlbereich, mit welcher Leistung und natürlich, wie lange der Kopf im Einsatz ist. Das wird zwar auch über das Monitoring erfasst, aber eine Verlängerung der Betriebszeit ergibt sich dadurch nicht. Es wird eher eine Regelmäßigkeit erreicht. Dadurch ist aber selbstverständlich der Werterhalt und im Endeffekt die Standzeit des Fräskopfes deutlich höher. Aber der wesentliche Punkt ist, der Anwender kann entscheiden, wann der Fräskopf in die Wartung geht, und kann so seine Produktion prozesssicher planen. Eventuelle Produktionsausfälle aufgrund eines defekten Kopfes sind somit weitestgehend ausgeschlossen.

Spricht man die Digitalisierung an, wird das Thema Automatisierung oft im selben Atemzug genannt. Ist das bei Ihren Großmaschinen auch ein Thema?

Lindner: Ab gewissen Stückzahlen wird die Automatisierung auch bei unseren Großmaschinen immer wichtiger. Am besten sieht man das zum Beispiel bei unseren Duplexmaschinen. Dort bearbeiten zwei Fräsköpfe zeitgleich ein Werkstück. In den meisten Fällen halbiert sich damit die Bearbeitungszeit. Möglich wir die Bearbeitung mit zwei völlig unabhängigen Spindeln durch unser Dämpfungssystem DAS+. Das Phänomenale daran ist, dass DAS+ die ganze Bearbeitung soweit beruhigt, dass auf der einen Seite geschruppt und auf der anderen Seite geschlichtet werden kann. Werden diese Maschinen zusätzlich automatisiert mit Werkstücken versorgt, führt dies zu einer sehr hohen Produktivität.

Zum Thema künstliche Intelligenz: Gibt es in der Danobat-Gruppe, zu der ja auch Bimatec Soraluce gehört, schon Ideen dazu?

Lindner: Sicher gibt es hierzu schon Ideen. Bis diese allerdings in unseren Werkzeugmaschinen eingesetzt werden können, werden schon noch ein paar Jahre ins Land gehen. Dabei darf man ja auch nie die mechanischen Komponenten der Maschine vergessen. Denn diese müssen schlussendlich mit der Dynamik der Steuerung mithalten können. Die Steuerungen sind ja heute schon viel schneller als die Mechanik. Außerdem ist der Einsatz einer KI sicherlich nur in der Serienproduktion interessant. Bei der Einzelteilfertigung spielt der Faktor Mensch noch eine zu große Rolle. Ich glaube auch nicht, dass der Mensch in den nächsten 20 Jahren durch eine künstliche Intelligenz ersetzt werden kann – vielleicht entlastet. Möglicherweise wird das ja die nächste Revolution, aber ich glaube nicht, dass sie in den nächsten Jahren kommt.

Abschließend noch eine Frage zu den Umsätzen von Bimatec Soraluce in Deutschland. Wie hat sich für Sie das Jahr 2018 entwickelt?

Lindner: Der Umsatz ist 2018 wieder ein Stück nach oben gegangen. Wir werden schlussendlich im Bereich von 52 Millionen Euro Umsatz angekommen sein. Was aber viel wichtiger ist: Wir sind in das Jahr 2019 mit einem Auftragsbestand von über 30 Mio. Euro reingegangen. Außerdem haben wir auch schon Aufträge für 2020 in unseren Büchern stehen. Unser Ziel ist es 2020 erstmalig, über die Marke von 60 Millionen Euro zu kommen. Wenn alles normal läuft, werden wir dieses Ergebnis vielleicht schon 2019 erreichen.

Bimatec Soraluce Zerspanungstechnologie GmbH
www.bimatec.de


Komponenten der intelligenten Maschine

DAS+ (Dynamics Active Stabilizer) kontrolliert und überwacht auftretende Frequenzen im Fertigungsprozess und erkennt Schwingungen bereits im Ansatz. Durch speziell entwickelte und gesteuerte Aktoren im Frässchieber werden Gegenschwingungen erzeugt, während die SSV-Funktion (Spindle Speed Variation) die Drehzahl reguliert . Das Ergebnis ist ein ruhiger Fertigungsprozess ohne Rattern. Dadurch ist eine Erhöhung der Zerspanungsleistung um bis zu 300 % und eine Reduzierung der Fertigungszeit um 45 % möglich.

Die automatische Vorschubregelung Adaptive Control reduziert Bearbeitungszeiten. Dabei ist kein manueller Eingriff des Maschinenbedieners am Vorschubpotentiometer erforderlich, was eine mannlose Bearbeitung ermöglicht. Diese Technik verlängert die Werkzeugstandzeit um bis zu 30 %.


Unternehmensstruktur

Bimatec und Soraluce bilden gemeinsam die Bimatec Soraluce Zerspanungstechnologie GmbH. Dabei stellt Bimatec den deutschen Teil dar. Hinter dem Namen Bimatec stecken die Gründer: „Bi“ für Bisgwa und „ma“ für Makuske, die das Unternehmen am 26. April 1991 gegründet haben. Heute hält Bimatec 48 % des Unternehmens, Soraluce die restlichen 52 %.

Soraluce ist eine einhundertprozentige Tochter der spanischen Danobat-Gruppe. Ebenfalls Teil der Gruppe ist das Forschungs- und Entwicklungszentrum IK4-Ideko mit seinen rund 120 Ingenieuren und Softwareentwicklern. Danobat selbst produziert Drehmaschinen, Rundschleifmaschinen und hat sich auf Hightech-Maschinen spezialisiert. Die insgesamt sechs Firmen der Danobat-Gruppe bilden wiederum die Werkzeugmaschinensparte der Mondragón-Kooperative. Mondragón beschäftigt etwa 84 000 Mitarbeiter in rund 200 Firmen.

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