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XXL-Teile optimiert fertigen

Innovatives Werkzeugkonzept senkt die Bearbeitungszeit um bis zu 40 Prozent
XXL-Teile optimiert fertigen

Beim Transport schwerer Lasten ist die Scheuerle Fahrzeugfabrik GmbH mit ihrer SPMT-Technologie und über 16 000 Tonnen bewegter Nutzlast bereits Weltmeister. Auch bei der Großteilebearbeitung der Trägerplattformen gelang nun erneut ein gewaltiger Sprung: Dank eines Soraluce-Bearbeitungszentrums in Kombination mit Hochleistungswerkzeugen und Schneidstoffen von Korloy hat sich die Fertigungszeit auf ein Drittel reduziert.

Um tausende Tonnen schwere Industrieanlagen, U-Boote, Jachten oder komplette Gebäude zu transportieren, werden extrem belastbare Trägerplattformen benötigt. Die TII Group, zu der die Scheuerle Fahrzeugfabrik gehört, ist Weltmarktführer bei der Herstellung von Schwerlastfahrzeugen. Eine wichtige Schlüsseltechnologie stellt dabei die SPMT-Plattform dar, ein System modularer, selbst angetriebener Fahrzeuge für den Transport extrem schwerer Lasten. Die Moduleinheit mit vier Achslinien bringt es auf rund 25 t Eigengewicht und kann rund 360 t Nutzlast aufnehmen.

Die Fertigung der mobilen XXL-Trägerplattformen ist eine tägliche Herausforderung für das Team im Werk Pfedelbach. Das geschweißte Stahlgerüst muss für die Aufnahme der Achsen, Pendelachsen und Kupplungen in mehreren Arbeitsgängen gebohrt und gefräst werden. Mit der Anschaffung eines Soraluce Hochleistungs-Bohr/Fräszentrums erhöhte sich nicht nur die Effizienz, sondern auch die Zuverlässigkeit und die Planbarkeit: „Obwohl wir die bisherige Maschine bereits einem Retrofit unterzogen hatten, gab es Raum zur Kapazitätssteigerung. Die alten Maschinen erreichten darüber hinaus lediglich 1000 Umdrehungen in der Minute, heute liegen wir bei 5000 Umdrehungen – die Vorteile liegen auf der Hand“, erklärt Simon Gunne, Fertigungsleiter bei Scheuerle.
Bei der Maschinenauswahl waren drei abnahmerelevante Bauteile mit Vorgabezeiten definiert – zwei unterschiedliche Plattformen und ein Verbindungselement (Kupplungsstück). Zuvor hatte Hak-Do Hwang, der als externer Werkzeugberater den Sonderfahrzeugbauer schon einige Jahre bei der Werkzeugauswahl betreut, die gewünschten Schnittdaten ermittelt.
Auf der Maschinenseite machte die Soraluce FP 18 000 das Rennen. Mit einem integrierten flexiblen Universalkopf, schwenkbaren Drehtisch und 80-fach Werkzeugwechsler ausgestattet, erfüllte das Bearbeitungszentrum alle Vorgaben. Musste der Bediener den mechanischen Winkelkopf auf der alten Maschine noch mittels Messuhr einstellen, ist die Einstellung bei dem neuen BAZ schon im Programm enthalten. Dadurch konnte die teilmechanische Fertigung vollautomatisiert werden. Dieses neue BAZ ist nur eine von vielen ersetzten Maschinen aus dem laufenden Optimierungsprogramm, mit dem Scheuerle 2007 startete.
Prozessoptimierung im Echtbetrieb
„Ein solches Bauteil kann man nicht einfach ins Optimierungszentrum des Werkzeugherstellers schicken und dann den schlüsselfertigen Prozess zurückerwarten, da muss man sich vor Ort live herantasten – und das funktionierte in diesem Fall recht gut“, erinnert sich Hak-Do Hwang. Eine kleinere Doosan-Maschine HM800 wurde schon ein Jahr zuvor mit Komplettwerkzeugwechsler und neuen Werkzeugen von Korloy eingeführt. „Daraufhin haben wir dann auch die Fertigungsoptimierung bei den großen Bauteilen vorangetrieben“, erläutert Scheuerle-Industriemeister Patrik Staate.
Mit Einzug der neuen Soraluce hat das Fertigungsteam den gesamten Bearbeitungsprozess analysiert und optimiert. Sichere Prozesse und hohe Produktivitätszuwächse bei sehr hohen Qualitätsansprüchen standen dabei im Vordergrund. „So etwas steht nirgendwo in den Lehrbüchern. Das basiert auf Praxiserfahrung und einer seit vier Jahren bestehenden Kooperation“, ist sich Hak-Do Hwang sicher. Vier Monate benötigte er schließlich für das innovative Fertigungskonzept. „Zeichnung im Kopf, alle Werkzeuge durchgehen, die Stahlbauteile vor Ort vermessen, um die Verfahrwege in den Griff zu bekommen, testen, ob die 80 Werkzeuge in den Winkelkopf passen.“ Sämtliche Arbeitsgänge mussten eingefahren und optimiert werden: Planfräsen, Bohren, Ausspindeln, Gewindeschneiden und zusätzlich zirkulares Ausfräsen, welches auf der alten Maschine nicht möglich war.
Die Werkzeuge erhielten eine Innenkühlung, um den Ansprüchen der Hochleistungszerspanung gerecht zu werden. Beim Fräsen hat sich die Trockenbearbeitung durchgesetzt: Die neuen Fräser erzeugen entsprechend kurze Späne, so dass die Temperatur größtenteils über den Span weggetragen wird. Aber erst im Zusammenspiel mit dem neuen Bearbeitungszentrum war eine solche Prozess- und Werkzeugoptimierung überhaupt möglich.
Sicher in die Tiefe bohren
Zum Bohren der Kupplungslöcher setzte Scheuerle schon immer drei Meter lange Bohrstangen ein, jedoch mit HSS-Meißel. Um zum Schlichten ein Hundertstel zuzustellen, wurde manuell nachjustiert. Wenn bei tiefen Bohrungen kein Kühlwasser mehr an die Schneide gelangte, war unter Umständen eine zeitintensive Nachbearbeitung nötig. Jetzt wird zum Ausspindeln ein modulares, innengekühltes Bohrwerkzeug verwendet. Aufgrund des modularen Aufbaus können unterschiedliche Auskragungen von bis zu drei Meter Auskraglänge abgedeckt werden. Damit wird ein Bohrloch mit 1500 mm und 96 mm Durchmesser ausgespindelt. Später führt dort die Kupplung mit einem drei Meter langen Kolben mit 95 mm Durchmesser durch, um zwei Plattformträger aneinander zu kuppeln.
Die Löcher werden im ersten Schritt geschruppt und anschließend geschlichtet. „Ich hatte eine Idee, wie wir das bewerkstelligen können, machte ein Konzept und Zeichnungen und ließ die Sonderwerkzeuge beim Hersteller anfertigen – das war natürlich ein Risiko“, meint der Werkzeugberater. Allerdings erhöht dieser Prozess die Qualität der selbstgebauten Plattformen. Ein Umstand, der die Fahrzeugfabrik wesentlich vom Wettbewerb unterscheidet, der vermehrt vorgefertigte Teile aus Osteuropa bezieht.
Geringe Varianz steigert Vertrauen
Grundsätzlich sind die Schwerlastexperten bestrebt, die Varianz an Werkzeugen und Platten gering zu halten. „Bevorratungs- und Bestandsminimierung“, nennt Fertigungsleiter Gunne die eigene Strategie. Da Scheuerle an mehreren Maschinen möglichst die gleichen Fräser einsetzt, muss bei einem Bruch des Werkzeugkörpers nicht gleich ein neues Werkzeug beschafft werden. Je nach Verwendungshäufigkeit genügt es mitunter, diesen Fräser nur zweifach zu bevorraten. Zudem hat sich die WSP-Vielfalt deutlich reduziert.
„Mit den Korloy-Werkzeugen sind wir absolut zufrieden, und das Zirkularfräsen bringt neben dem enormen Zeitgewinn auch erheblich mehr Prozesssicherheit“, so Staate. Und das, obwohl das Bauteil aus hochfestem, schweißbaren Stahl in der Bearbeitung äußerst anspruchsvoll ist und beim Fräsen zu Vibrationen neigt. „Die Werkzeuge laufen mit höherer Umdrehung, erzeugen kurze Späne und gewährleisten höchste Prozesssicherheit. So kann der Bediener sich auf seine Aufspannarbeiten konzentrieren. „Das wäre früher nicht möglich gewesen. Der Bediener musste 90 Prozent der Bearbeitung an der Steuerung sein, um im Notfall rechtzeitig einzugreifen. Jetzt haben wir einen Prozess, der von Anfang bis Ende komplett durchläuft.“
Mehr Maschinenkapazität
„Zu Beginn hatten wir große Zweifel an den berechneten Zeiten – mittlerweile sind wir überzeugt“, erinnert sich Staate. Durch die Pendelbearbeitung auf den beiden alten Maschinen blieb ein Bauteil früher deutlich länger in der Produktion als heute. Nun lassen sich zwei Plattformen tatsächlich parallel fertigen, der Durchsatz hat sich verdreifacht. Während sich die eine Plattform auf der Maschine befindet, richtet der Maschinenbediener eine zweite aus.
Durch den Kapazitätsgewinn kann die Fahrzeugfabrik deutlich mehr Fertigungstiefe erreichen. Zudem ist der integrierte Drehtisch wesentlich flexibler, um auch kleinere, kompakte Baugruppen noch wirtschaftlich bearbeiten zu können.
Korloy Europe GmbH www.korloy.com

SPMT-Technologie
SPMT (Self-Propelled Modular Transporter) wie auch Inter-Combi SPE sind die Bezeichnungen für selbstangetriebene Modulfahrzeuge von Scheuerle. Die Modulbautechnologie wurde 1984 vorgestellt und ist inzwischen in 4. Generation mit bis zu 60 t Achslinienlast verfügbar, d. h. eine einzige sechsachsige SPMT mit 8,4 m Länge bewältigt 288 t. Die einzelnen Fahrzeugplattformen sind mechanisch kuppelbar (side-by-side oder end-to-end) und lassen sich zu einem multifunktionellen Transportsystem für Schwerlasten in nahezu jeder Form und Größe zusammenstellen. Außerdem können sie im offenen Verband in einem Areal von 600 x 600 m angeordnet werden. Die eigens entwickelte Steuerungstechnik ermöglicht die synchrone Steuerung aller im Kuppelverband integrierten Transporter-Einheiten. Die elektronische Vielweglenkung macht die Modultransporter sehr wendig.
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