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Bearbeitungslösungen und Werkzeuge für neue Antriebskonzepte

Automobilindustrie im Wandel
Werkzeuglösungen für große Durchmesser

Alternative Antriebskonzepte wie der Elektromotor setzen völlig neue Bearbeitungsaufgaben auf die Agenda der Zulieferer. Werkzeughersteller sind hier in der Pflicht, die E-Komponenten prozesssicher herzustellen. Aber auch bekannte Komponenten, wie Getriebegehäuse, weisen immer größere Abmaße bei gestiegenen Qualitätsanforderungen auf. Die Autoren: Dr. Nicolas Beer und Jasmin Herter, Gühring KG

Der moderne Automobilbau setzt zudem zunehmend auf die Verwendung von Leichtbaumaterialien wie Aluminium. Komponenten wie Motorblöcke, Zylinderköpfe oder Getriebegehäuse werden aus Aluminiumlegierungen hergestellt und sollen für weniger Kraftstoffverbrauch bei höherer Dynamik sorgen. Das stellt besonders hohe Anforderungen an moderne Fertigungstechniken und die Werkzeuge vor extreme Bedingungen. Doch nicht nur für Fahrzeuge selbst gilt das Dogma Leichtbau, sondern auch bei der Entwicklung und Fertigung von Präzisionswerkzeugen. Innerhalb dieses Problemfeldes entwickelt die Gühring KG PKD-Werkzeuge, die durch unterschiedliche Ausführung an die jeweilige Bearbeitungsaufgabe angepasst werden.

Enorme Anforderungen bei der Statorbohrung

Die Anforderungen, die aktuell an Werkzeuge mit großen Durchmessern gestellt werden, können insbesondere bei den Entwicklungen für die Elektromobilität und hier vor allem an den E-Motor-Gehäusen aufgezeigt werden. Diese Gehäuse werden aus unterschiedlichen Aluminiumlegierungen gefertigt und zumeist mit PKD-Werkzeugen bearbeitet. Die Herausforderungen hierbei sind enorm: Verlangt wird die prozesssichere Herstellung von engen Durchmesser-Toleranzen bis IT6 sowie enge Form- und Lagetoleranzen, wie beispielsweise eine Koaxialitätsabweichung von weniger als 40 µm bei einer Bezugslänge von über 400 mm, die auf Umschlag bearbeitet wird. Die Durchmesser der Statorbohrungen liegen zumeist deutlich über 200 mm.

Limitierte Maschinen erfordern Leichtbauwerkzeuge

Gleichzeitig sind die für diese Prozesse eingesetzten Werkzeugmaschinen oftmals limitiert: Die zulässigen Werkzeuggewichte und daraus resultierende Kippmomente der Werkzeuge werden oftmals durch die Werkzeugschnittstelle (zumeist durch den Werkzeugwechsler) beschränkt. Dies macht die Entwicklung von Leichtbauwerkzeugen unabdingbar. Leichtbau ist dabei nicht zwingend mit dem Einsatz von leichteren Werkstoffen verknüpft, sondern kann auch unter Einsatz der etablierten Werkstoffe für Zerspanungswerkzeuge mit PKD-Schneiden erfolgen. Ein Beispiel stellt das nachfolgend dargestellte Werkzeug mit Stahlgrundkörper dar.

Durch eine lastgerechte Auslegung des Werkzeugs und den Verzicht auf nicht benötigtes Material kann das Gewicht gering gehalten werden. Für eine weiterhin ausreichende Steifigkeit sind allerdings zusätzliche Elemente (wie die im Inneren erkennbaren Streben) notwendig, um auftretende Kräfte aufzunehmen und übermäßige Verformungen zu verhindern. Die Verwendung des konventionellen Werkstoffes Stahl bringt Vorteile mit sich: so können beispielsweise Ableitungen getroffen werden, was den Wärmegang und die Schwingungsneigung angeht, da die Einsatzeigenschaften vergleichbar zu massiveren Werkzeugen mit Stahlgrundköper sind.

Spindelbelastung als ausschlaggebendes Kriterium

Auch bei der Herstellung von Automatik-Getriebegehäusen werden Durchmesser von bis zu 300 Millimetern zerspant. Diese großen Durchmesser führen zu einem hohen Eigengewicht der eingesetzten Werkzeuge. Das hohe Werkzeuggewicht wirkt sich als Kippmoment auf die Spindel aus und beeinflusst die Präzision der Bearbeitung nachteilig. Die hohe Last führt zusätzlich zu höheren Instandhaltungs- beziehungsweise Wartungskosten der Spindel. Hier können weitere Gewichtreduzierungen durch den Einsatz von leichteren Werkstoffen wie Aluminium erreicht werden. Ein Beispiel hierfür ist das 6-schneidige Gühring PKD-Werkzeug für die Bearbeitung eines solchen Getriebegehäuses. Bei einem Durchmesser von 235 mm und einer Länge von 376 mm wiegt dieses Werkzeug weniger als 20 Kilogramm und reduziert das auf die Spindel und den Werkzeugwechsler wirkende Kippmoment auf 22 Nm. Das reduzierte Gewicht ermöglicht, neben der geringeren Spindellast, maximale Produktivität.

Titanausführung bei thermisch instabilen Bedingungen

Trotz des geringen Gewichtes von weniger als 20 Kilogramm kann selbst die Ausführung in Aluminium, insbesondere bei steigenden Durchmessern und größeren Längen, bestimmten Anforderungen nicht mehr genügen. So kann bei steigenden Bearbeitungskräften die geringere Steifigkeit von Aluminium, im Vergleich zu Stahl, negativ hinsichtlich Schwingungen in Erscheinung treten. Insbesondere bei der Bearbeitung mit einer herausfordernden thermischen Umgebung führt die mehr als doppelt so hohe Wärmeausdehnung von Aluminium zu einem erhöhten Aufwand in der Prozessführung, um die gewünschte Prozessstabilität zu erzielen.

Thermische Wechsel und übermäßige Temperaturgradienten müssen so weit wie möglich vermieden werden, um Abweichungen in der Maßhaltigkeit zu minimieren. Ein Temperaturanstieg von 10 °C würde beispielsweise bereits zu einer Änderung im Durchmesser von mehr als 0,05 mm führen und damit die geforderte IT6-Toleranz überschreiten.

Für Bearbeitungen von großen Bohrungsdurchmessern, die nur ein geringes Werkzeuggewicht zulassen und gleichzeitig kritisch hinsichtlich der thermischen Bedingungen sind, setzt Gühring daher auf einen in der Luft- und Raumfahrt beliebten Leichtbauwerkstoff mit hoher spezifischer Festigkeit: Titan.

Das Feinbohrwerkzeug aus einer Titanlegierung ist extrem leicht und unempfindlicher gegenüber wechselnden Temperaturen als andere gängige Materialien. Um maximale Steifigkeit bei möglichst geringem Materialeinsatz zu erreichen, werden im Gühring-eigenen Bereich Forschung & Entwicklung FEM-Simulationen durchgeführt, die in die Konstruktion miteinfließen. So konnte eine topologisch-optimierte Geometrie realisiert werden.

Die Verstrebungen gewährleisten maximale Steifigkeit des Werkzeugs, was die Prozesssicherheit erhöht. Außerdem reduziert das geringere Werkzeuggewicht die Belastung der Maschinenspindel. Der Grundkörper besteht aus einer Titanlegierung, die mit einer Dichte von rund 4,5 g/cm3 rund 40 Prozent geringer ist als jene von Stahl und gleichzeitig eine geringere Wärmedehnung von 8,3 gegenüber 10 x 10-6 x K-1 aufweist. Neben der geringeren Wärmedehnung als Aluminium weist die Titanlegierung auch eine höhere Steifigkeit und spezifische Festigkeit auf, was Sie für den Einsatz als Leichtbaulegierung prädestiniert.

Spezifische Werkzeugkonzepte, spezifische Vor- und Nachteile

Für die Bearbeitungen von großen Bohrungen stehen mit den verschiedenen Konzepten der Werkzeuge unterschiedliche Ansätze zur Verfügung. Abhängig von den Randbedingungen weisen diese jedoch immer spezifische Vor- und Nachteile auf. Welches der vorgestellten Konzepte für die jeweilige Bearbeitung einzusetzen ist, kann nur unter Berücksichtigung der gesamten Prozesskette ermittelt werden. Darüber hinaus werden die vorgestellten Werkzeugkonzepte stetig weiterentwickelt, um auch in Zukunft den steigenden Anforderungen der Anwender gerecht zu werden.

Gühring KG
www.guehring.com

Gühring KG
Herderstraße 50–54
72458 Albstadt
Germany
www.guehring.com


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