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„Unsere Innovationen sind oftmals Revolutionen“

Mirko Merlo, Vorstandsvorsitzender, Walter AG
„Unsere Innovationen sind oftmals Revolutionen“

Digitale Lösungen werden in Zukunft zwingend zum Angebot gehören, davon ist Mirko Merlo, Vorstandsvorsitzender der Walter AG, überzeugt. Im Gespräch mit der mav sprach Merlo auch über seine Version der Fabrik der Zukunft. Das Interview führte: Frederick Rindle

mav: Die Walter AG hat nach Ihren Worten, Herr Merlo, hier in Tübingen mit dem vor kurzem eröffneten Technology Center ein Stück Zukunft verwirklicht. Welche Rolle kann und wird Walter als Präzisionswerkzeughersteller in der Fabrik der Zukunft einnehmen?

Merlo: Ich glaube in der Zukunft werden sich die Kunden die Kernkompetenzen ihrer Zulieferer vollumfänglich zu Nutzen machen. Das hätte zur Folge, dass zum Beispiel das gesamte Zerspanungs-Knowhow einer Fertigung beim Werkzeuglieferanten eingeholt wird. Der Kunde, zum Beispiel ein Automobilhersteller, würde sich seinerseits auf die eigenen Kernkompetenzen fokussieren und alle anderen Herstellungsschritte als Gesamtlösungen zukaufen. Er würde demnach nicht länger ein Werkzeug kaufen, sondern eine Zerspanungslösung, bei der nur noch die Kosten pro Teil zählen, und davon sind wir bekanntlich gar nicht mehr so weit weg.
Was genau haben Sie davon in Ihrem Technology Center verwirklicht?
Merlo: Im neuen Walter Technology Center können unsere Kunden die Entwicklung ihrer Zerspanungsprozesse live miterleben. Dafür haben wir begonnen, die gesamte Prozesskette von der Planung bis zum fertigen Bauteil zu digitalisieren und die daran beteiligten „Devices“ zu vernetzen. So können wir schon heute über eine Anwendungsplattform in Echtzeit mit dem Kunden kommunizieren. Zudem ist es möglich, den gesamten Lebenszyklus der Kundenbauteile abzubilden. Was unsere Kunden in die Lage versetzt, die Werkzeuge und die Bearbeitungsprozesse digital zu erleben und auszuprobieren. Schlussendlich entstehen daraus praxisreife Prototypen, die später in der Fertigung nach dem „Plug & Play“-Prinzip eingesetzt werden. Wir nennen das Real Life Engineering.
Welche Bedeutung hat das Thema Vernetzung oder vielleicht besser Digitalisierung momentan bei Walter?
Merlo: Die Digitalisierung wird die Grundvoraussetzung dafür sein, damit wir auch langfristig mit unseren Produkten erfolgreich sein können. Wir betrachten unsere Aktivitäten in diesem Bereich von daher als Investition in die Zukunft, ohne damit momentan Geld zu verdienen. Das Produkt von morgen wird einen digitalen und einen klassischen mechanischen Anteil haben.
Wird die Digitalisierung den Verdrängungsdruck bei den Werkzeugproduzenten erhöhen?
Merlo: Ja, denn viele Firmen werden sich diese Entwicklungen schlicht nicht leisten können. Digitale Lösungen sind für den Anbieter nicht kostengünstig. Anders sieht es auf der Kundenseite aus, gerade weil es Lieferanten wie Walter gibt. Aber die neuen Lösungen werden die Fertigungen vereinfachen und die Produkte hochwertiger machen. Schlussendlich wird der Anwender sicherlich am meisten von den digitalen Lösungen profitieren.
Sie haben in dem neuen Technologiezentrum einige Lösungen aus der Luftfahrt präsentiert. Ist die Aerospace-Branche ungeheuer innovativ und von daher besonders empfänglich für neue Technologien?
Merlo: Ich glaube, alle Branchen sind innovativ, und von daher würde ich nicht sagen, die eine ist innovativer als die andere. Aber im Bereich Aerospace sind viele Voraussetzungen gegeben, die die Einführung neuer Technologien erleichtern. So ist zum einen der Anteil an Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sehr hoch und zum anderen ist der Druck da, höhere Fertigungskapazitäten aufzubauen. Denn momentan werden mehr Flugzeuge verkauft als gebaut. Daher auch die Impulse und die zahlreichen positiven Entwicklungen in dieser Branche.
Welchen Umsatz macht Walter mit seinen Produkten für die Luftfahrt?
Merlo: Wir machen im Bereich Aerospace etwas mehr als zehn Prozent des Umsatzes. Gerade in letzter Zeit haben wir für diese Branche auch eine Reihe sehr erfolgreicher Produkte entwickelt, und so sind wir in der Lage, in dieser Branche am stärksten zu wachsen. Die Werkzeuge der Skytec-Serie zum Beispiel wurden in den letzten Monaten sehr gut angenommen. Mit diesen Produkten gewinnen wir kontinuierlich Marktanteile hinzu.
Wie sehen Sie die Entwicklungen in der Werkzeugbranche insgesamt?
Merlo: Wir erleben in den letzten Jahren eine sehr flache Entwicklung bei den Werkzeugen. Die Walter AG war dabei aber immer in der Lage, Marktanteile zu gewinnen. Die allgemeine Stimmung ist etwas ruhig geworden. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, dass sich die Industrie im Allgemeinen und Walter im Besonderen auf einem Rekordniveau befinden. Man redet schnell von einer Krise, wenn es in einer Region schlecht läuft, aber wir sollten immer schauen, auf welchem Niveau wir uns befinden.
Halten Sie denn eine große Krise für ausgeschlossen?
Merlo: Ich sehe momentan keine Krise, es gibt Regionen, die unerwartet schlecht laufen – so wie China. Dort ist die Entwicklung, besonders was die Nachhaltigkeit der Ergebnisse angeht, enttäuschend. Wir müssen uns darauf einstellen, dass das Chinageschäft sehr starken Schwankungen unterliegt. Viele würden sich von daher wünschen, dass es zu einer Konsolidierung des chinesischen Marktes kommen würde. Dies auch, da der Markt in der Vergangenheit viel zu schnell gewachsen ist. Die zweite Region, die uns etwas Sorgen macht, sind die USA. Dort liegen die Absatzzahlen auch deutlich unter unseren Erwartungen.
Die letzten Produktinnovationen von Walter haben stetig auf eine höhere Standzeit gezielt, wie zuletzt die neue Beschichtungstechnologie Tigertec Gold. Damit lassen sich laut ihren Angaben bis zu 200 Prozent höhere Standzeiten realisieren. In wie weit wirken sich diese Entwicklungen auf den Werkzeugabsatz aus?
Merlo: Unser Ziel ist es, die Produktionskosten beim Kunden zu senken. Dafür entwickeln wir Produkte, die ihre Vorgänger meistens um ein vielfaches in der Leistung schlagen. So war es sowohl bei Tigertec als auch bei Tigertec Silver. Unsere Innovationen sind von daher oftmals Revolutionen. Ich bin davon überzeugt, dass wir nur mit den bestmöglichen Werkzeugen erfolgreich sein können. Dafür haben wir auch eine echte Innovationskultur in unseren Unternehmen entwickelt, die darauf abzielt, regelmäßig neue Produkte zu entwickeln, die das zwei- bis dreifache der Leistung des Vorgängers bringen.
Bei früheren Produktneuvorstellungen ging es meist ausschließlich um den Faktor Produktivität, heute hört man viel von Standzeitverbesserungen. Erleben wir einen konjunkturbedingten Wandel?
Merlo: Nein, es hat sich nur die Kundenerwartung geändert. Haben unsere Kunden vor zehn Jahren noch soviel als möglich produziert, wird heute mehr auf die Wettbewerbsfähigkeit der eignen Fertigung geschaut. Von daher arbeiten wir heute vermehrt an den Themen Effizienz und Kosten. Es gibt hier aber auch regionale Unterschiede: In China und Südamerika bestimmt weiterhin das Thema Produktivität das Geschehen, während in Europa vorrangig über Standzeiten und Kosten gesprochen wird.
Wie entwickelt sich für Walter der europäische Markt insgesamt?
Merlo: Europa kann man wirtschaftlich gesehen, nicht als eine Einheit betrachten. Da gibt es doch zu große Unterschiede. Aber insgesamt gesehen, ist für uns der europäische Markt der beste überhaupt. Der Markt entwickelt sich innerhalb und außerhalb des Euro-Raumes sehr stabil und zufriedenstellend. Und selbst Russland läuft wirklich gut. Aber der deutsche Markt ist natürlich der am besten funktionierende und er ist für mich immer wieder eine positive Überraschung. Trotz aller negativen Entwicklungen bleibt der Absatz in Deutschland auf einem Topniveau.
Im Rahmen der Digitalisierung wird der Onlinehandel immer interessanter. Welche Chance sehen Sie im digitalen Handel?
Merlo: Wir sind heute schon so weit, dass der Kunde 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche unsere Produkte bequem online bestellen kann. In Zukunft werden die Onlinekäufe sicherlich noch weiter zulegen. Deswegen werden wir eine Plattform anbieten, mit deren Hilfe der Kunde nicht mehr nur ein Werkzeug kaufen, sondern eine Lösung erwerben kann. Dank der Walter-GPS-Technologie kauft der Anwender keinen Bohrer mehr, sondern eine Lösung, ein Loch herzustellen, und dies speziell ausgelegt für seine Maschine und sein zu bearbeitendes Material. Wir sehen beim E-Commerce zwei- bis dreistellige Wachstumsraten. ■
„Der europäische Markt ist für uns der beste.“
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