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Trockenbearbeitung von Schichtverbundwerkstoffen

Werkzeuglösungen für den Flugzeugbau
Trockenbearbeitung von Schichtverbundwerkstoffen

In der Flugzeugmontage spielen nicht nur die Werkstoffe oder die Forderung nach Prozesssicherheit, sondern auch das Kühlkonzept, die engen Toleranzvorgaben und die eingesetzten Maschinen eine entscheidende Rolle. Mapal hat hierzu entsprechende Werkzeugkonzepte, unter anderem zur prozesssicheren Trockenbearbeitung von Materialkombinationen wie CFK-Aluminium oder verschiedenen Aluminiumlegierungen, auf den Markt gebracht.

Hochfeste und gleichzeitig leichte Materialien sind in der Luftfahrt von zentraler Bedeutung. Durch neue Materialkombinationen lässt sich das Gewicht weiter senken, die Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit erhöhen sowie eine Vereinfachung der Montage durch integrative Bauweise erreichen. Während Strukturbauteile aus Aluminium, Titan oder hochfesten Stählen auf Bearbeitungszentren oder Portalmaschinen bearbeitet werden, erfolgt die Bearbeitung der Bauteile in der Endmontage meist durch handgeführte Maschinen, Bohrvorschubeinheiten oder Roboter.

Die Anforderungen an die Werkzeughersteller und Werkzeuge für die Endmontage unterscheiden sich deshalb maßgeblich von denen für die Teilefertigung. Während die bearbeiteten Bauteile in der Teilefertigung einen Wert von rund 1000 bis 50 000 Euro haben, sind die Bauteile in der Endmontage, abhängig vom Montagefortschritt, mit einem Wert von etwa 50 000 bis 2 Millionen Euro deutlich kostenintensiver. Fehlerhafte Bearbeitungen müssen entweder aufwendig manuell nachgearbeitet werden oder die Bauteile müssen komplett ersetzt werden. Aus diesem Grund erfolgt die Auswahl der Lieferanten für die Endmontage sehr gewissenhaft.

Eine Herausforderung ist die Vielfalt der Werkstoffe, besonders wenn gleichzeitig mehrere Werkstoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften bearbeitet werden sollen. Um sich eine Qualifikation als Werkzeughersteller zu sichern, müssen alle Materialien prozesssicher und wirtschaftlich bearbeitet werden können. Die Qualifikation dauert zwischen einem und fünf Jahren. Werkzeuge und Prozesse erfordern zudem eine zusätzliche Qualifikation. Bestehende Prozesse werden nur in Ausnahmefällen umgestellt. Denn es muss sichergestellt sein, dass alle Bearbeitungen in konstanter Qualität durchgeführt werden. Beispielsweise muss bei Bohrbearbeitungen in der Endmontage eine geringe Streuung der Bohrungsdurchmesser, ein CpK-Wert größer 1,7, gewährleistet sein.

Flugzeughersteller nutzen für die Verbindung der Außenhaut mit den darunterliegenden Strukturbauteilen Nietverbindungen. Hierzu werden unzählige Bohrungen eingebracht. Um einen möglichst geringen Widerstand gegen Strömung zu erhalten (niedriger cW-Wert), werden die Nietköpfe in der Außenhaut versenkt. Hierzu muss am Bohrungseintritt eine zusätzliche Senkung angebracht werden. Während in der Vergangenheit oft ein Prozess mit bis zu vier Einzelbearbeitungen erforderlich war (Vollbohren, Aufbohren, Reiben, Senken), sind heute Bearbeitungen in nur einem Schritt, bei denen Bohrung und Senkung in einem Arbeitsgang realisiert werden, Stand der Technik.

Nur dadurch wurde die automatisierte Bearbeitung durch Roboter möglich. Diese Bearbeitung wurde bisher mit Minimalmengenschmierung (MMS) realisiert. Nach der Bearbeitung mussten die Bauteile demontiert, gereinigt und wieder montiert werden. Zudem gelangte das Kühlmedium in den Innenraum des Flugzeugs, wo parallel weitere Montageschritte durchgeführt wurden. Die Forderung nach Werkzeugen zur Trockenbearbeitung verschiedener Schichtverbundwerkstoffe war die Konsequenz.

Forderung nach Trockenbearbeitung

Bei der Trockenbearbeitung wird vollständig auf den Einsatz eines Kühlschmierstoffs verzichtet. Kühlschmierstoffe dienen in erster Linie der Wärmeabfuhr und Verminderung der Reibung zwischen Werkzeug und Werkstück durch Schmierung und unterstützen den Abtransport der Späne. Durch den Verzicht auf einen Kühlschmierstoff müssen diese Aufgaben durch das Werkzeug kompensiert werden.

Die zentrale Herausforderung bei der Umstellung des Bohrprozesses auf eine Trockenbearbeitung ist somit das Konzept der Wärmeabfuhr beziehungsweise die Vermeidung der Wärmeentwicklung sowie der Abtransport der Späne. Kann die Wärme nicht rechtzeitig abgeführt werden, wird die Temperatur zu hoch und das Material wird beschädigt. So führt beispielsweise ein zu hoher Wärmeeintrag bei faserverstärktem Kohlenstoff zur Verbrennung des verwendeten Harzes. Dadurch wird das Material spröde. Bei Aluminium hingegen kann eine höhere Gratbildung beobachtet werden.

Im Gegensatz zu einem mehrstufigen Bohrprozess muss das Kombinationswerkzeug beim Bearbeiten alle Arbeitsschritte (Bohren, Aufbohren, Reiben und Senken) übernehmen und die Bohrung für die Nietverbindung in einem Schritt fertigen. Somit ist zum einen die Position der Bohrung und zum anderen die Flucht zwischen dem zylindrischen Teil der Bohrung und der Senkung gewährleistet. Ein Winkelfehler oder Versatz wie bei mehrstufigen Operationen ist so ausgeschlossen.

Neben anderen Qualitätsmerkmalen des Bearbeitungsergebnisses wie Durchmesser, Übergangsradius und Senkwinkel, spielt der Austrittsgrat eine große Rolle. Sollte sich bei einer mehrstufigen Bohrbearbeitung, die manuell ausgeführt wurde, am Bohrungsaustritt ein Grat gebildet haben, so kann dieser ohne großen Aufwand mit Hilfe eines Kegelsenkers entfernt werden. Wird der Prozess automatisiert in nur einem Schritt durchgeführt, ist ein manuelles Entgraten nicht möglich. Daher muss das entsprechende Werkzeug in der Lage sein, nahezu gratfrei zu bohren. Die Flugzeugbauer geben hier meist eine maximale Grathöhe von 0,1 mm vor. Zum Grat am Bohrungsaustritt kommt der interlaminare Grat zwischen den Lagen. Bildet sich dieser, muss der Schichtverbund am Ende der Bohroperationen demontiert werden, um den interlaminaren Grat zu entfernen. Diese Demontage ist zeitaufwendig und kostenintensiv, daher muss auch dieser Grat vermieden werden.

Auswirkungen des Maschinenkonzepts

Das Maschinenkonzept beeinflusst maßgeblich die Werkzeuggeometrie. CNC-Anwendungen auf Bearbeitungszentren oder Portalmaschinen zeichnen sich durch hohe Steifigkeit und stabile Maschinenführung aus. Das Werkzeug wird dadurch sehr gut in der Bohrung geführt. Anwendungen mit Bohrvorschubeinheiten, Robotern oder Handbohrmaschinen sind weniger stabil und erfordern für hohe Genauigkeiten Werkzeuge mit zusätzlichen Stabilisierungsmerkmalen.

Eine weitere Besonderheit bei Bohrvorschubeinheiten sind die sogenannten „Nosepieces“, auch Führungsbuchsen genannt. Der Abtransport der Späne erfolgt über das Werkzeug durch die lange und schmale Führungsbuchse hinweg bis zu einem Absaugkanal, der sich am Ende der Führungsbuchse befindet. Damit die Späne abgeführt werden können, sind lange Spanräume notwendig, die richtig dimensioniert sein müssen und angepasst ausgeführt werden müssen.

Die Bohrungen an der Außenhaut (Rumpf und Flügel) werden mit Portalmaschinen oder Robotern gebohrt. Die unzugänglichen Bohrbearbeitungen, hauptsächlich in der Endmontage, werden dann mit Bohrvorschubeinheiten oder mit Handbohrmaschinen gebohrt.

Bearbeitung von Schichtverbund-
werkstoffen

Neben Prozess und Maschinenkonzept haben die eingesetzten Werkstoffe einen großen Einfluss auf die Werkzeugauslegung. Jeder einzelne Werkstoff stellt individuelle Anforderungen an das Werkzeug und die Prozessparameter. Die Wahl der einzelnen Materialkombinationen im Flugzeugbau ist abhängig von den Belastungen, die im Flugbetrieb auf das Bauteil wirken. Generell steht zudem immer eine Einsparung des Gewichts im Fokus. Außenhaut und Rippen von Flugzeugen der neuesten Generation bestehen überwiegend aus einem Verbund aus CFK und Aluminium. Zudem werden im Bereich der Luftfahrt oft Kombinationen aus verschiedenen Aluminiumlegierungen oder aus CFK-Titan eingesetzt. Das Entscheidende bei den Bohrungen in diesen Schichtverbundwerkstoff ist die Maßhaltigkeit. In beiden Werkstoffen der jeweiligen Kombination muss die Bohrung den exakt selben Durchmesser aufweisen.

Gebohrt wird grundsätzlich von außen nach innen. Somit liegt beispielsweise bei der Bearbeitung CFK-Aluminium der Bohrungseintritt und die Senkung in der Außenhaut, die aus CFK besteht, und der Bohrungsaustritt in der darunterliegenden Struktur, die in Aluminium ausgeführt ist. Bei der einzelnen Bearbeitung der Materialien CFK und Aluminium sind die Geometrien der Werkzeuge sowie die Schnittdaten grundverschieden.

Werkzeuge für CFK-Titan

Bei der Paarung CFK-Titan werden Werkzeuge benötigt, deren Schneidkante stabil genug ist, um dem duktilen Titan zu widerstehen und gleichzeitig eine entsprechende Schärfe besitzt, um das CFK zu schneiden. Ob ein Bohrprozess allein ausreicht, um die Bohrung zu fertigen, oder ob die Bohrung im Nachgang noch gerieben werden muss, hängt bei dieser Materialkombination von der geforderten Bohrungstoleranz ab.

Werkzeuge zum Bohren von Schichtverbundwerkstoffen aus unterschiedlichen Aluminiumlegierungen, beispielsweise 7050 und 2024, benötigen keine verschleißhemmende Beschichtung. Denn die im Flugzeugbau verwendeten Aluminiumsorten enthalten wenig bis kein Silizium und können somit nahezu verschleißfrei gebohrt werden. Dies unterscheidet diesen Schichtverbund bei der Bearbeitung entscheidend von Verbunden, die CFK enthalten.

Werkzeuge, die für Materialkombinationen eingesetzt werden, die CFK enthalten, werden beispielsweise generell mit einer Diamantschicht versehen. Diese wirkt der Abrasion des CFK entgegen und ermöglicht hohe Standzeiten. Ein Nachschliff dieser Werkzeuge ist nicht möglich, da die verwendete Diamantschicht eine sehr hohe Härte aufweist.

Um Prozesssicherheit bei der Bearbeitung zu gewährleisten, muss bei der Auslegung der Werkzeuggeometrie also das Augenmerk auf die Qualitätsanforderung, das Material und den zum Einsatz kommenden Prozess gelegt werden. Da die Großzahl der Bohrungen im Flugzeug aufgrund der Nieten mit Senkung produziert werden, ist der Bohrungsaustritt kritischer zu bewerten, um kostenintensive Nacharbeiten auszuschließen. Im Werkstoff CFK müssen Delaminationen und Faserüberstande, im Aluminium die Gratbildung verhindert werden. Wichtig ist bei der Bearbeitung aller Einzelmaterialien sowie aller Schichtverbundwerkstoffe zudem die Spanabfuhr.

Ist die perfekte Spanabfuhr nicht gewährleistet, ist die Bohrungsqualität beim Trockenbohren deutlich außerhalb der geforderten Toleranzen. Die größte Herausforderung bei der Entwicklung eines Trockenbohrers stellt aber die Anpassung der Werkzeuggeometrie auf das labile Bearbeitungssystem der Bohrvorschubeinheiten in Kombination mit Schnittparametern und Spannsystemen (Concentric-Collet) dar.

Bohr-Senk-Werkzeug für Alu-Alu-
Kombinationen

Für die Trockenbearbeitung der Schichtverbundwerkstoffe aus unterschiedlichen oder gleichen Aluminiumlegierungen, hat Mapal einen Bohrer mit Senkstufe entwickelt. Durch spezielle Geometriemerkmale wird die Gratbildung geringgehalten sowie eine verbesserte Zentrierung erreicht. Die Beschichtung des Bohrers verhindert die Bildung einer Aufbauschneide an der Schneidkante. Speziell ausgeformte Spannuten stellen die optimale Spanabfuhr sicher. Gekühlt wird mit Luft, was sowohl die Überhitzung an der Werkzeugschneide als auch die des Aluminiums und damit die Gratbildung verhindert. Zudem werden mit der Pressluft die Späne ausgeblasen. Bei einem Flugzeughersteller kommt der Bohrer unter anderem für die Bohrungen an der Längsnaht im hinteren Hauptfeld zum Einsatz. Hier wird mit einer Drehzahl von 2959 min-1 und einem Vorschub von 0,154 mm gearbeitet. Prozesssicher bearbeitet der Bohrer mit einem Durchmesser von 4,748 mm und einer 100°-Senkstufe 1600 Bohrungen, bevor die Bohrungen nicht mehr die geforderte Toleranz von 4,73 bis 4,805 mm erreichen.

Um Schichtverbundwerkstoffe aus CFK und Aluminium prozesssicher zu bearbeiten, hat Mapal ebenfalls einen Bohrer mit Senkstufe zur Trockenbearbeitung entwickelt. Die spezielle Geometrie des Werkzeugs sorgt dafür, dass die entstehende Bearbeitungswärme nicht an das Bauteil abgegeben wird. Zudem werden weder das Bauteil noch die Arbeitsumgebung durch Kühlmittel verschmutzt. Der zweischneidige Bohrer aus Vollhartmetall vereint die Eigenschaften eines Bohrers zur Bearbeitung von Aluminium mit denen eines Bohrers zur CFK-Bearbeitung. Durch die speziell ausgeführten Spanräume ist die prozesssichere Abfuhr der Späne sichergestellt. Da CFK ein extrem abrasiver Werkstoff ist, ist der Bohrer diamantbeschichtet. Damit wird gegenüber einem unbeschichteten Bohrer die achtfache Standzeit erreicht.

Das Bohr-Senk-Werkzeug zur Trockenbearbeitung von CFK-Alu-Kombinationen ist erfolgreich bei Kunden im Einsatz. Es wird mit einer Drehzahl von 5000 min-1 und einem Vorschub von 0,1 mm gearbeitet. Das Werkzeug überzeugt in der Praxis nicht nur durch die erreichten Ergebnisse hinsichtlich Prozesssicherheit, Standzeit und Bearbeitungsergebnis, sondern auch durch den ruhigen Bohrprozess.

Mapal Dr. Kress KG
www.mapal.com
AMB Halle 1, Stand 1D10


Auf den Punkt gebracht

Unterschiedliche Materialkombinationen, die engen Toleranzvorgaben sowie die geringe Maschinenführung stellen die Werkzeughersteller vor eine große Herausforderung. Im Hinblick auf die automatisierte Fertigung durch Roboter gewinnt zudem die Trockenbearbeitung in der Luftfahrt immer mehr an Bedeutung. In enger Zusammenarbeit mit führenden Flugzeugherstellern, hat Mapal diese Herausforderungen gemeistert und innovative Bohr-Senk-Werkzeuge zur prozesssicheren Trockenbearbeitung von Schichtverbundwerkstoffen aus CFK-Aluminium und Aluminium-Aluminium entwickelt. Die gezielte Auslegung der Werkzeuggeometrie im Hinblick auf Werkstoffkombination, Maschinenkonzept und Bohrprozess ermöglicht in der Praxis eine signifikante Erhöhung der Prozessfähigkeit sowie der Standzeit der Werkzeuge. Bohrungen außerhalb der Toleranz sowie Defekte an Bohrungsein- und -austritt gehören damit der Vergangenheit an.

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