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Jochen Kress: Mapal bietet Werkzeuge für Großserie und für Losgröße 1

Interview mit Dr. Jochen Kress, Mapal
Bearbeitungskompetenz von der Großserie bis Losgröße 1

Bearbeitungskompetenz von der Großserie bis Losgröße 1
Dr. Jochen Kress, Geschäftsführender Gesellschafter, Mapal Dr. Kress KG. Bild: Mapal
Der Werkzeughersteller Mapal hat sich durch die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit den führenden Automobilherstellern ein enormes Bearbeitungs-Know-how erarbeitet. Im Interview mit der mav erklärt Dr. Jochen Kress, Geschäftsführender Gesellschafter der Mapal Dr. Kress KG, wie das Wissen um die letzte Sekunde in der Bearbeitung auch bei der Losgröße 1 sehr hilfreich sein kann.

Das Interview führte: Frederick Rindle

mav: Vor ungefähr einem Jahr hatten Sie bei einem Gespräch hier in Aalen optimistisch in die Zukunft geblickt und für Mapal ein Wachstum von 10 bis 15 Prozent für realistisch gehalten. Hat sich Ihre Prognose bewahrheitet?

Kress: Rückblickend muss man sagen, dass 2021 kein einfaches Jahr war. Das erste Halbjahr lief dabei für uns noch sehr gut. Für diesen Zeitraum waren die 15 Prozent Wachstum sogar noch sehr vorsichtig geplant. Im zweiten Halbjahr haben der Chipmangel und die daraus resultierenden geringen Produktionszahlen dann auch uns getroffen. Die letzten vier bis sechs Wochen des Jahres waren aber wieder sehr erfolgreich, sodass wir schlussendlich am oberen Ende der Prognose gelandet sind. Insgesamt haben wir in der Mapal-Gruppe im Geschäftsjahr 2021 einen Umsatz von rund 530 Millionen Euro erzielt.

mav: Momentan blickt man ja gerne zurück auf die wirtschaftlich sehr erfolgreichen Jahre 2018 und 2019. Bis wann, glauben Sie, wird Mapal wieder auf Vor-Corona-Niveau sein?

Kress: Stand heute gehe ich davon aus, dass es wahrscheinlich bis in das Jahr 2025 hinein dauern könnte, bis wir die Umsatzzahlen von 2018 wieder erreichen werden. Das Geschäftsjahr 2018 war allerdings auch das beste Jahr der Firmengeschichte. Bis 2025 wollen ja auch die Automobilhersteller wieder auf Vor-Krisen-Niveau sein.

mav: Mit der Umstellung auf elektrisch angetriebene Pkw werden die Zerspanungsvolumen bei den Automobilisten generell geringer werden. Spüren Sie diesen Rückgang in Deutschland bereits?

Kress: Zunächst muss man klar sagen: Wir sind mittlerweile im Bereich der E-Mobilität sehr gut aufgestellt und bieten schon jetzt für die meisten der neuen Bauteile effiziente Werkzeuglösungen an. Generell haben wir aber den Eindruck, dass momentan in den deutschen Produktionsstätten für die E-Mobilität Platz gemacht wird. Dafür werden die Bauteile für die Verbrennungsmotoren aktuell vermehrt nach Osteuropa oder nach China transferiert.

mav: Was bedeutet diese Verlagerung für Mapal als Werkzeughersteller?

Kress: Wir haben bereits in den 1990er-Jahren damit begonnen, uns mit der Mapal-Gruppe sehr viel internationaler aufzustellen. Dafür haben wir weltweit Fertigungswerke und Niederlassungen gegründet und aufgebaut. Deshalb können wir unseren Kunden heute beinahe überall auf der Welt hin folgen.

mav: Mapal betreibt weltweit 31 Produktionsstandorte. Wie schaffen Sie es da die Organisation schlank und effektiv zu halten?

Kress: Wir sehen das als eine immerwährende Aufgabe. Es geht ja nicht nur darum, die Standorte möglichst lean aufzustellen. Jedes Mapal-Werkzeug muss unabhängig davon, wo es hergestellt wurde, letzten Endes die gleichen hohen Qualitätsanforderungen erfüllen, die auch hier am Stammsitz gelten. Somit müssen auch alle Produktionsstandorte und die Mitarbeiter vor Ort immer auf dem neuesten Stand sein. Die Pandemie hat uns gelehrt, wie nah man – auch über große Distanzen hinweg – zusammenrücken kann.

mav: Während der Corona-Krise haben Sie bei Mapal verstärkt auch die internen Strukturen analysiert und sich letztlich entsprechend den eigenen Kernprozessen und Schwerpunktthemen neu ausgerichtet. Welche Auswirkungen hat das?

Kress: Mit der Neuausrichtung orientieren sich nun auch unsere internen Strukturen ganz klar an den Bedürfnissen unserer Kunden. Dafür haben wir den gesamten Prozess, bis der Kunde ein fertiges Werkzeug mit allen Daten in den Händen hält, wesentlich verschlankt und vereinfacht. Zudem haben wir die Themen Segment- und Produktmanagement sowie die Entwicklung unter der Verantwortung von Jacek Kruszynski in der neuen Position des CTO vereint. Intern sind wir jetzt bei einigen neuen Entwicklungen viel zielgerichteter unterwegs und können unseren Kunden in kürzerer Zeit neue Lösungen und Produkte anbieten. Mit der Neuausrichtung bei Mapal sorgen wir außerdem dafür, dass auch die Kommunikationswege kurz sind und wir schnell und unkompliziert auf Kundenanfragen reagieren können. Wir sind, einfach gesagt, viel schlagkräftiger geworden.

Die Erfolge aus dieser Neuausrichtung kann man zum Beispiel in der jüngst wieder in den Fokus gerückten Fluidtechnik deutlich sehen. In kürzester Zeit konnten wir für dieses Segment ein eigenes Produktsortiment entwickeln. Konkret hat es nur rund ein Jahr von der ersten Sondierung bis zur Aufstellung des Werkzeugprogramms gedauert und jetzt sind auch schon die ersten Aufträge eingegangen.

Werkzeuge für die Turbolader-Fertigung

mav: Mapal hat für sich die vier Branchen Automotive, Luft- und Raumfahrt, Werkzeug- und Formenbau und Fluidtechnik als Kernsegmente definiert. Jetzt haben Sie gerade gesagt, die Fluidtechnik sei wieder in den Fokus gerückt.

Kress: Die Hydraulik als Teilsegment der Fluidtechnik war wahrscheinlich eines der ersten Segmente, in denen Feinbohrwerkzeuge von Mapal Anwendung fanden. In den letzten Jahren hatten wir die Fluidtechnik allerdings etwas aus den Augen verloren. Mit dem Fokus auf diese vier Kernsegmente haben wir das wieder revidiert. Wenn wir uns für eine Branche als Schwerpunkt entschieden haben, dann sehen wir das immer als ein sehr langfristiges Engagement. Auch die Kunden müssen Mapal erst einmal kennenlernen und das Vertrauen gewinnen, dass wir ein guter Partner sind.

Auch wenn wir gerne über die neu hinzugekommenen Kernsegmente Fluidtechnik und Werkzeug- und Formenbau sprechen, sind die beiden Branchen Aerospace und Automotive für uns natürlich von ganz besonderer Bedeutung. Die Automobilbranche war und ist für uns immer noch das wichtigste Segment. Genau aus diesem Grund beschäftigen wir uns auch so intensiv mit dem Thema E-Mobilität. Wir haben viel Energie und Zeit investiert, um auch weiterhin die besten Lösungen für die Automobilbranche liefern zu können.

Im Bereich der Luftfahrt haben wir es in Großbritannien und Frankreich geschafft, bei bestimmten Anwendungen mit unseren Lösungen eine dominierende Stellung einzunehmen. Diese Position wollen wir auch in anderen Märkten ausbauen – und das sowohl im Bereich der Endmontage, als auch in der Fertigung von Strukturbauteilen und in der Teilefertigung.

Hightech-Werkzeuge für Präzisionsbauteile

mav: Wie sehr bremsen die enormen Preissteigerungen und die Lieferengpässe Ihre Wachstumspläne?

Kress: Da geht es uns auch nicht besser als allen anderen. Durch den Kaltstart aus der Pandemie heraus sind die Lieferketten überall in der Welt sehr unter Druck geraten. Bei der Materialbeschaffung sind wir allerdings so gut aufgestellt, sodass wir dadurch keine Ausfälle befürchten müssen. Die wahrscheinliche Vervierfachung der Energiekosten in den nächsten zwei bis drei Jahren wird jedoch auch bei uns deutlich spürbar sein.

Die Preissteigerungen haben mittlerweile insgesamt Größenordnungen erreicht, die wir durch die üblichen Maßnahmen wie Produktivitätssteigerungen und Rationalisierungen nicht mehr auffangen können. Deshalb werden die Preisrunden in nächster Zeit ein sehr anspruchsvolles Thema werden. Tesla zum Beispiel hat die Preise kurzerhand um 15 Prozent erhöht. Das zeigt, was für ein Druck momentan herrscht.

mav: Wie nutzen Sie die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung und Automatisierung bei Mapal?

Kress: Wir haben schon vor Jahren erkannt, dass eine saubere Datenbasis das A und O für eine erfolgreiche Digitalisierung ist. Von daher haben wir intern klare Prozesse, Strukturen und Abläufe erarbeitet und setzen diese gerade in der Mapal-Gruppe um. Was mich besonders freut, ist, dass diese intensiven internen Bemühungen gerade in Richtung Digitalisierung und Automatisierung schon bald auch nach außen sichtbar sein werden. Hierfür haben wir sehr kompetente Mitarbeiter gewinnen können, die das Thema weiter vorantreiben.

Als Sonderwerkzeughersteller, der seine Werkzeuge zumeist in Losgrößen von zwei bis drei Stück produziert, ist die Automatisierung der Produktionsprozesse nicht gerade trivial. Anders ist das zum Beispiel in unserer Kegelsenkerfertigung. Hier produzieren wir die Werkzeuge durchgängig digitalisiert, automatisiert und in großen Stückzahlen.

Mit der Open Cloud Plattform c-Com haben wir zudem ein digitales Angebot für das Werkzeugdaten-Management geschaffen, das in dieser Art wahrscheinlich einzigartig ist. Mithilfe der Plattform können die Werkzeugdaten über die gesamte Wertschöpfungskette, auch über Unternehmensgrenzen, hinweg ausgetauscht werden. Darüber hinaus beschäftigen sich die c-Com-Experten auch mit den Themen Data Analytics und Maschinelles Lernen. Darauf aufbauend haben wir erste Piloten gestartet, bei denen mithilfe der gesammelten Daten analysiert werden kann, wo in der Produktion Fehler entstehen und wie man diese am besten vermeiden kann.

Schließlich bieten wir für das Handling der Werkzeuge noch die passenden Einstell- und Ausgabegeräte an. Somit können wir den gesamten Produktlebenszyklus eines Werkzeugs auch digital begleiten.

Digitaler Zwilling zeigt Zähne

mav: Ist es möglich Sonderwerkzeuge auch als Modulbaukasten anzubieten?

Kress: Wir beschäftigen uns natürlich auch mit diesem Thema und unterscheiden dabei, ob das Werkzeug konstruktiv oder physisch aus Modulen aufgebaut wird. Als ein Unternehmen, das sehr viele Werkzeuge für die Bohrungsbearbeitung macht, haben wir allerdings oftmals die Herausforderung, dass das gesamte Werkzeug immer auch in das Loch passen muss. Dadurch sind wir oftmals gezwungen, gewisse konstruktive Anpassungen vorzunehmen. Unsere Konstrukteure können dabei allerdings mittlerweile auf bestimmte Bausteine zurückgreifen, die dann immer wieder neu zusammengesetzt werden. Hierzu haben wir ganz genau analysiert, welche Funktionselemente welche Bauteileigenschaften erzeugen und welche Bauteilanforderungen wiederum welche Werkzeugmerkmale mit sich bringen.

Da wir somit bei der Konstruktion eines Werkzeugs eben nicht wieder bei null anfangen müssen, können wir unseren Kunden auch viel schneller das gewünschte Werkzeug zur Verfügung stellen. Das geht dann so weit, dass wir bei unseren Passungsreibahlen in der Lage sind, Bestellungen, die bis 11:00 Uhr eingegangen sind, bis spätestens 16:00 Uhr fertig bearbeitet haben. Hierfür haben wir Vorstufen dieses Werkzeugs bereits im Lager vorrätig.

mav: Ist es dann so, dass die Geschwindigkeit mit der ich meine Werkzeuge bekomme, in vielen Bereichen wichtiger ist als ein optimal ausgelegter Prozess?

Kress: Die Anforderungen unserer Kunden sind je nach Segment doch sehr unterschiedlich. In der Großserienfertigung der Automobilproduktion kann jede Sekunde, die das Bauteil schneller von der Maschine kommt, darüber entscheiden, ob ich zum Beispiel drei oder vier Maschinen für einen Auftrag benötige. Ein typischer Werkzeug- und Formenbauer hingegen macht sich darüber zumeist weniger Gedanken, da die Rüstzeiten bei seinen geringen Stückzahlen einfach viel zu lang sind. Bei der Funktion der Werkzeuge machen aber beide keinerlei Kompromisse.

Generell benötigen flexibel aufgestellte Betriebe mit kleinen Losgrößen ihre Werkzeuge viel schneller als Großserienfertiger, die über Monate hinweg planen können.

Unsere Aufgabe ist es nun, unser umfassendes Prozessverständnis der Großserienfertigung, dass wir durch die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit den Automobilherstellern erarbeitet haben, auch auf unsere anderen Werkzeuge zu übertragen und die Werkzeuge dann viel schneller zu produzieren. Das ist dann auch der Grund, warum wir so viel in Digitalisierung, Automatisierung und Modularisierung investieren.

mav: Haben Sie ein Beispiel für ein Produkt, das aus der Großserienfertigung in den Standardkatalog überführt wurde?

Kress: Unsere Hydrodehnspannfutter sind dafür ein ideales Beispiel. Die Futter sind bei unseren Automotive-Kunden in der Serienfertigung im Einsatz und müssen dort 24/7 eine konstant hohe Leistung bringen. Das gelingt nur, wenn man die dahintersteckende Technologie bis ins letzte Detail beherrscht. Denn nur so kann man das Spannfutter derart optimieren, dass man damit auch hunderttausend oder sogar eine Millionen Bauteile fertigen kann, ohne dass ein Leistungsabfall erkennbar wäre. Auch wenn man es den Spannfuttern äußerlich nicht ansehen kann, liegen zwischen der Generation von vor fünf Jahren und der heutigen Welten. Von diesem Know-how profitieren alle unsere Kunden – egal, aus welchem Segment sie kommen.

Hydrodehnspannfutter für mehr Stabilität und Präzision

mav: Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in allen Ihren Kernsegmenten rasant an Bedeutung. Was unternehmen Sie bei Mapal in Richtung Umweltschutz und CO2-Einsparung?

Kress: Ganz ehrlich gesagt, für unsere Ansprüche zu wenig. Für mich persönlich und für uns als Familienunternehmen ist ein nachhaltiger Umgang mit unseren Ressourcen und ein fairer Umgang mit unseren Mitarbeitern ein ganz wesentlicher Bestandteil unserer Firmenkultur. Von daher haben wir unseren eigenen CO2-Fußabdruck ständig im Blick und versuchen, diesen möglichst zu reduzieren. Ökostrom, Blockkraftheizwerke, E-Ladesäulen, … – Das ist für mich der Pflichtteil. Im Bereich der Kür machen wir aber noch zu wenig. Das drängendste Problem neben dem Thema CO2 ist aus meiner Sicht unser verschwenderischer Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Wir müssen hier zu einer Kreislaufwirtschaft gelangen, in der 100 Prozent der Materialien in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden.

Was unsere eigenen Produkte betrifft, sind wir als Werkzeughersteller in der erfreulichen Position, dass sich der Energieverbrauch und die Produktivität in den allermeisten Fällen gegenseitig positiv beeinflussen. Unsere optimierten Werkzeuglösungen, kombiniert mit den digitalen Lösungen von c-Com und unserem Angebot an Toolmangement-Lösungen, können so bei unseren Kunden für eine nachhaltigere Produktion sorgen.

E-Mobilität: Interview mit Dr. Jochen Kress



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