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Strategischer Invest in China bleibt sinnvoll

Trotz Wachstumsschwäche sollte der chinesische Markt weiter intensiv bearbeiten werden
Strategischer Invest in China bleibt sinnvoll

Die immer ausgeprägteren Bremsspuren im Wachstum der ehemals mit stark überproportionaler Dynamik zulegenden Schwellenländer rückt Bedenken in den Vordergrund, dass diese kontraktiven Prozesse die globale Wirtschaftstätigkeit massiver beeinträchtigen und auch stärker auf die USA und Europa durchschlagen könnten. Gerade in China ist der rasante Aufstieg durch strukturelle Schwächen, die mit nachlassendem Expansionstempo hervortreten, und zunehmende Zweifel an der Nachhaltigkeit dortiger Wachstums- und Beschaffungsplanungen abgelöst worden.

Über Jahre hinweg stützte eine immense, auf Investitionsgüter und Industrierohstoffe gerichtete Nachfrage aus China die Weltwirtschaft. Jetzt aber wirkt die Strategie, dringend benötigte Impulse durch die am 11. August 2015 überraschend vorgenommene Abwertung des Renminbi setzen und sich vom Höhenflug des US-Dollar abkoppeln zu wollen, fast hilflos. Eher schürte man den Verdacht, dass es kritischer als bisher angenommen um die chinesische Volkswirtschaft steht. Auch der knapp zwei Wochen später folgende Kurssturz an den chinesischen Börsen hat die seit Monaten um Stützungsmaßnahmen und Vertrauensbildung bemühte Regierung sowie weite Investorenkreise stark verunsichert.

Seither haben die chinesischen Börsen Werteinbußen um rund ein Fünftel erfahren. Selbst die Ankündigung, dass umgerechnet über 80 Milliarden Euro aus nicht minder überraschend erlaubtem Invest staatlicher Pensionskassen in Aktien und Fonds auf die Finanzmärkte einwirken sollen, führte nicht zur Beruhigung der Situation. Schließlich waren weder der Einsatz weiterer geldpolitischer Optionen – man denke an eiligst reduzierte Mindestreserve-Verpflichtungen für den Bankenapparat und die Absenkung des Leitzinses für Kredite mit einjähriger Laufzeit auf (allerdings noch immer) 4,6% – noch die gegenüber der US-amerikanischen Notenbank vorgetragenen Anschuldigungen, dass allein die von der Fed im Juli 2015 erneuerte Ankündigung von Leitzinserhöhungen im laufenden Jahr den Kurssturz ausgelöst habe, dazu geeignet prinzipielle Zweifel an Chinas Prosperität auszuräumen.
Seriös ist derzeit nicht zu prognostizieren, wie hart die Landung der chinesischen Volkswirtschaft nach den vorangegangenen Höhenflügen ausfallen wird. Mit dieser Einschränkung ist heute auch das Ausmaß von Folgewirkungen auf Weltwirtschaft, Amerika, Europa oder gar Deutschland selbst nicht hinreichend absehbar.
Nur eines erscheint als wahrscheinlich: Zwischen 2007 und 2014 stieg das Kreditvolumen in China um 222 %. Die Schuldentragfähigkeit wurde künstlich durch Zinssenkungen erhöht, wie schon früher in den USA, Japan und Europa. Da das Kreditwesen gleichzeitig aber seine Anforderungen gerichtet auf die Qualität der zur Vergabe geforderten Sicherheiten nach oben trieb, wurde das eigentliche Ziel verfehlt. Dieses besteht nämlich darin, Kreditvergabe zur Finanzierung produktiver Investitionen auszuweiten. Je stärker sich China die Gebrauchsanweisung für Quantitative Easing zu eigen macht, desto weniger Wirtschaftswachstum dürfte in den nächsten Jahre generierbar sein.
Frühe Bremsspuren im Export
Soweit die Beschreibung der allgemeinen Situation. Was aber stand an Frühindikatoren aus branchenspezifischer Sicht des deutschen Werkzeugmaschinenbaus zur Verfügung? Mussten die jüngsten Rückschläge überraschen?
Der Einkaufsmanagerindex für den industriellen Sektor Chinas bewegte sich über einen Zeitraum von 19 Monaten im Schnitt unter der kritischen Marke eines Indexwerts von 50, ab der überhaupt erst Besserungstendenzen in der Einschätzung zum Ausdruck kommen. Das Ergebnis im Juli 2015 zeigte absolut beschleunigtes Nachgeben, also ganz besondere Eintrübung der Stimmungslage.
Die Werkzeugmaschinenausfuhr deutscher Hersteller notierte nach einem guten Jahr 2014 (2,3 Milliarden Euro Volumen, + 1 %) noch im 1. Quartal 2015 mit 9 % Plus. Grundlage ist hier naturgemäß die stark zeitversetzte Realisierung von Nachfragevolumen, insbesondere aus dem Projektgeschäft, vorangegangener Perioden. Das Quartal 2 allerdings kam auf satte 28 % Minus und trübte das Halbjahresergebnis auf 14 % Einbuße. Ursache sind hier nicht die aktuellen, sich erst in den Sommermonaten verschärfenden Probleme in Chinas Wirtschaft und Börsenlandschaft. Grund ist vielmehr das in 2014 noch starke Projektgeschäft mit der Automobilindustrie, wobei dieses auf noch weiter vorgelagerten Auftragseingängen beruhte. Entsprechende Projektvolumina ließen sich jetzt nicht aufrecht erhalten. Einflüsse am aktuellen Rand können natürlich noch nicht oder nur ansatzweise abgebildet sein.
Deutlichere Indizien lieferten die Verläufe im Auftragseingang deutscher Werkzeugmaschinenhersteller. Bereits das Jahr 2012 hatte den Einbruch um ein Drittel gegenüber Vorjahr gebracht, d. h. die relativ moderaten Minusraten von jeweils 2 % in 2013 und 2014 beziehen sich auf eine zuvor stark beschnittene Basis. Danach zeigte das Quartalsmuster der Bestellungen 2015 wieder erhöhte Investitionsneigung in China an: Das 1. Vierteljahr brachte 5 % Steigerung, Quartal 2 stand nach vorläufigen Zahlen für 8 % Plus und das 1. Halbjahr 2015 rangierte wertmäßig reichlich 6 % über der Vorjahresperiode.
Beschaffung ungleichmäßig verteilt
Allerdings spielen auch in dieser Betrachtung Großaufträge und Projekte mit erheblicher Durchlaufzeit, erteilt durch Anwenderindustrien, die offiziell als strategisch eingestuft sind und privilegiert agieren können, eine erhebliche Rolle. Die Beschaffung lief also längst nicht gleichverteilt über die Breite der Maschinenarten und Kundenbranchen.
Dann der Blick auf die Entwicklung der Orders beim gefährlichsten Wettbewerber Japan: 2014 hatte eine Verdopplung des Auftragsvolumens aus China gebracht. Indessen nur, weil das Referenzjahr in gleicher dramatischer Größenordnung aufgrund einer politisch motiviert angeordneten „Eiszeit“ eingebrochen war. Die ersten sieben Monate 2015 signalisierten indessen rund 10 % echten Substanzverlust im japanischen Chinageschäft.
Fazit soweit: Jeder der kurz diskutierten Indikatoren hat Skepsis angelegt! Rückschläge konnten nicht wirklich überraschen. Dieses gilt für den VDW ebenso wie für den Vertrieb größerer deutscher Werkzeugmaschinenhersteller, die Kapazität für Research bereitstellen und vom Verband gebotene Informationsdienstleistungen unternehmensspezifisch bewerten. Überrascht hat allerdings die Vehemenz im Auftreten der Korrekturen, die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Schockwelle und damit die international umfassende Reaktion in Finanzwesen und politischem Raum.
Stellung des chinesischen Werkzeugmaschinenmarkts
Auch die Vorausschau des VDW für den chinesischen Markt reagierte selbstverständlich auf die geschilderten kontraktiven Tendenzen im Kranz der Prognose-Grundlagen. Noch im zeitigen Frühjahr 2015 standen die folgenden, gegenüber Herbst 2014 bereits nach unten revidierten Steigerungsraten für 2015 und 2016 im Raum: 6,4 % bzw. 5,5 % Plus für die Industrieproduktion, 5,9 % bzw. 7,1 % Zuwachs bei den Anlageinvestitionen der wichtigsten chinesischen Anwenderindustrien von Werkzeugmaschinen.
Die Prognoseüberprüfung per September 2015 ergab hinsichtlich der erstgenannten Makrogröße eine Absenkung auf 5,5 % und 4,5 % Plus, im zweiten Fall eine Verschiebung zu Gunsten des laufenden Jahres auf (nur noch sehr bedingt haltbar) hochgesetzte 7,2 % Plus (2015) bzw. abgezinste 4,3 % Zunahme in 2016.
Prinzipiell unterstellt der VDW-Prognosepartner Oxford Economics, dass die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie vom regierungsseitig verordneten „Qualitätsruck“ quer durch die Anlagenbeschaffung profitieren wird! Und 2015 werde investiv besser laufen als 2016 und die Folgejahre.
Selbst im Fall einer wirklich schmerzlichen Abkühlung des China-Geschäfts der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie – die revidierten Produktionsplanungen der Automobilindustrie bieten Anhaltspunkte – sollte niemand vergessen, dass noch in der ersten Jahreshälfte 2015 ein Auftragsvolumen aus China zu Buche stand, das um mehr als Faktor 2 über dem Bestellwert aus den immer wieder mit viel Vertrauensvorschuss gesegneten USA lag.
Chinesischer Markt bleibt erstrangig
Unabhängig von der Aussagefähigkeit chinesischer Statistik und ihrem Realitätsgrad dürfte es also allein wegen der bestehen bleibenden Größe des chinesischen Markts aus deutscher Sicht – wobei die Prämisse technologisch weiterhin hinreichender Teilhabe gilt – bei dessen Erstrangigkeit im Feld der global aufnahmestärksten Regionen bleiben.
Dieses wiederum heißt, dass fortgesetzt intensive Marktbearbeitung angemessen bleibt, und strategischer Invest, sei es durch Ausbau von Vertriebs- und Serviceorganisationen oder Aufbau einer Produktion „on site“ sinnvoll war und weiterhin sein wird. Gleiches gilt für Beteiligungen oder Übernahme von chinesischen Firmen im Interesse der stärkeren Marktdurchdringung und verbesserter Anpassung der Technologien an regionale Anforderungsprofile. Große deutsche Werkzeugmaschinenhersteller sollten trotz allem über Kompensationsmasse für die auch mittelfristig nachlassende Dynamik in Leitmärkte nachdenken, wie sie z. B. im Iran, in ausgewählten Regionen Afrikas oder in allerdings besonders hart umkämpften Ländern Südostasiens gegeben sein könnte.
VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e. V.) www.vdw.de

Deutsche Werkzeugmaschinenexporte nach China


Top-5 Absatzmärkte im 1. Halbjahr 2015


Werkzeugmaschinenverbrauch weltweit (Top-5-Länder)


Der Autor

Gerhard Hein ist
Bereichsleiter Wirtschaft und Statistik beim VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e. V.)
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