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Dr. Markus Flik, Geschäftsführer Chiron Group im Interview

Interview mit Dr. Markus Flik, Geschäftsführer Chiron Group
„Entwicklung in intensivem Austausch mit dem Kunden“

Die Chiron Group präsentiert auf der AMB gleich drei neue Bearbeitungszentren. Wie man damit Antworten auf die gestiegenen Anforderungen in der spanenden Fertigung geben will und wie das mittelständische Unternehmen die Herausforderungen der Globalisierung angeht, erläutert Geschäftsführer Dr. Markus Flik im Gespräch mit der mav. Das Interview führte: Holger Röhr

mav: Wie ist aktuell die wirtschaftliche Lage bei der Chiron Group?

Dr. Flik: Nachdem wir in den letzten Jahren nur ein leichtes Wachstum hatten, wird dies in 2018 deutlich stärker ausfallen. 2017 lag unser Umsatz bei 466 Millionen Euro.

Das heißt, die halbe Milliarde ist fest im Blick?

Dr. Flik: Auf jeden Fall. Die getroffenen Maßnahmen beginnen Wirkung zu zeigen. Wir haben das Produktprogramm erweitert und unsere weltweite Präsenz erhöht. Der Auftragseingang ist ebenfalls sehr erfreulich. Daher erwarten wir für 2018 einen ordentlichen Schritt nach vorn.

Wie hoch ist in der Gruppe die Abhängigkeit von Automobil-Teilen? Gibt es hier momentan Veränderungen?

Dr. Flik: Automotive liegt recht stabil bei gut 60 Prozent, davon macht der Bereich Powertrain allerdings nur circa ein Drittel aus. Der Rest sind Struktur- und Fahrwerksteile und Nebenaggregate. Aerospace liegt aktuell bei drei bis vier Prozent, Medical und Precision machen sechs bis sieben Prozent aus, der Rest kommt aus der Werkzeugfertigung und dem allgemeinen Maschinenbau. Gerade in den Bereichen Aerospace und Medizintechnik sehe ich in Zukunft Wachstumschancen, weil wir mit unserer neuen 16er Baureihe sehr gut passende Bearbeitungszentren anbieten können.

Gibt es bereits Projekte im Bereich Elektrofahrzeuge bei Chiron?

Dr. Flik: Ja, unbedingt. Ein sehr großer Kunde von uns fertigt auf einer ganzen Reihe von Chiron Maschinen Teile für einen großen Hersteller batterieelektrischer Fahrzeuge. Ganz aktuell haben wir konkrete Projekte laufen, bei denen es um Teile für elektrisch angetriebene Klima-Kompressoren geht. Die ersetzen bei E-Fahrzeugen die herkömmlichen riemengetriebenen Kompressoren und erfordern extrem präzise Bearbeitungen.

Ist innerhalb der Gruppe vor allem Chiron der Wachstumstreiber?

Dr. Flik: Nein, Chiron hat zwar den größten Umsatzanteil, aber ich sehe bei allen vier Marken, Chiron, Stama, Scherer und CMS eine sehr gute Perspektive.

Welche Regionen treiben das Wachstum im Besonderen?

Dr. Flik: China wird immer wichtiger, hier sehen wir unverändert einen Trend hin zu hochwertigen Hochgeschwindigkeits-Präzisions-Bearbeitungszentren. Deshalb bauen wir ja auch für über 10 Millionen Euro eine neue Fabrik in Taicang, die im zweiten Quartal 2019 eröffnet werden soll. Hinzu kommt, dass viele chinesische Autozulieferer auch Werke in Europa und Amerika haben, die sie mit Maschinen ausstatten müssen. In den USA sehen wir aktuell wenig Wachstumspotenzial, dafür ist Europa stark, und auch in Deutschland profitieren wir vom Trend zu hochwertigen, flexiblen und automatisierten Bearbeitungszentren.

Noch wesentlich größer als in China ist die aktuelle Investition in Deutschland, über 30 Millionen Euro für ein neues Werk in Neuhausen. Wofür wird diese Fabrik gebraucht und wann ist sie fertig?

Dr. Flik: Wir haben jetzt schon ein Flächen- und Kapazitätsproblem. Mit unserer neuen Baureihe 16 und den weiteren Baureihen, die auf dieser Plattform in den nächsten Jahren kommen werden, war klar, dass wir eine zusätzliche Produktion brauchen. Wenn alles nach Plan läuft, wird die neue Precision Factory im dritten Quartal 2019 eröffnet. Es wird die modernste Werkzeugmaschinenfabrik Europas mit einer Gesamtfläche von 14 000 m2. Wir planen eine Produktionskapazität von 450 Maschinen im Jahr.

Wer sind die Treiber hinter den enormen Investitionen?

Dr. Flik: Wir haben 2015 zwischen Geschäftsführung und Verwaltungsrat die Strategie besprochen. Dabei waren auch Führungskräfte im Unternehmen eingebunden. Ergebnis war ein klarer Plan, der im Wesentlichen auf drei Elementen basiert: einerseits neue Maschinenbaureihen, andererseits eine regionale Ausweitung der Chiron Präsenz und drittens Innovationen und neue Dienstleistungen im Rahmen der Digitalisierung. Die Investitionen, die wir aktuell tätigen, sind Teil der Umsetzung dieser Strategie.

Ein weiterer Aspekt der Strategie sollte das Zusammenwachsen von Chiron, Stama und Scherer innerhalb der Gruppe sein. Wie gestaltet sich dieser Prozess?

Dr. Flik: Ausgezeichnet! Die Mannschaft hat diesen Ansatz positiv aufgenommen. Ein Bereich, in dem wir bereits sehr gut zusammenarbeiten, ist die Entwicklung, insbesondere die Komponentenentwicklung. Wir haben einen modularen Baukasten realisiert, der schon jetzt viele zentrale Komponenten enthält. Zum Beispiel Hauptspindeln, Rund- und Linearachsen aber auch Bediensysteme und Nebenaggregate wie Späneförderer und Kühlmittelanlagen. Von diesem Baukasten profitieren vor allem Stama und Chiron schon heute. Für Scherer fällt der Nutzen noch geringer aus, da die Vertikaldrehzentren doch recht stark von den anderen Bearbeitungszentren abweichen.

Gibt es weitere Synergien?

Dr. Flik: Auch im Einkauf arbeiten wir jetzt sehr eng zusammen. Basierend auf den standardisierten Komponenten sprechen wir mit unseren Lieferanten über größere Volumina und können so profitieren.

In der Produktion tut sich ebenfalls einiges. Wir vereinheitlichen die Produktionssystematiken und stellen einzelne Bauteile wie zum Beispiel Werkzeugmagazinplätze nur noch bei einem Gruppenmitglied her. Dieser Prozess wird weiter gehen.

Das Gleiche gilt für den Vertrieb. Alle internationalen Gesellschaften machen Vertrieb und Service für Chiron, Stama und Scherer. Noch intensiver ist die Zusammenarbeit im Bereich Turn-Key-Projekte. Insgesamt bin ich nach drei Jahren vom Fortschritt beim Zusammenwachsen der Gruppenmitglieder positiv beeindruckt.

Wie wird verhindert, dass in Zukunft Konstrukteure von Stama und Chiron in dasselbe Nutzerfeld hinein entwickeln?

Dr. Flik: Wir haben seit drei Jahren eine zentrale Produktplanung, die genau festlegt, welche Marke mit welchem Entwicklungsprojekt in welches Marktsegment stößt. Das klappt sehr gut.

Wie sind hier die Aufgaben zwischen Chiron und Stama verteilt?

Dr. Flik: Für Chiron ist bei HSK63 Schluss, dafür steht hier die Dynamik noch stärker im Vordergrund. Stama hat mit der größeren HSK100-Werkzeugschnittstelle Vorteile, wenn es um wirklich schwere Zerspanung geht. Das spiegelt sich auch in den Bauteilgrößen wider. Chiron bietet Doppelspindler bis zu einem maximalen Spindelabstand von 600mm an. Stama wird hier auch in größere Abmessungen gehen.

Sie haben schon die neueste Chiron-Entwicklung, die Baureihe 16, erwähnt, was ist an dieser Maschine neu?

Dr. Flik: Grundlegend neu ist für Chiron die Bauweise mit einem Fahrportal. Dadurch wird die Steifigkeit maßgeblich erhöht und folglich eine höhere Präzision in der Bearbeitung erzielt.

Die Maschine gibt es zunächst als Einspindler mit der Bezeichnung FZ16 S five axis und als Doppelspindler DZ16 W mit Werkstückwechsler. Beide Typen zeichnen sich durch eine einzigartige Kombination von Dynamik und höchster Präzision aus.

Welche Kunden möchten Sie mit dieser Maschine erreichen?

Dr. Flik: Wir haben eine Marktanalyse gemacht und geschaut, wo die Wachstumsbereiche liegen. Es zeigt sich, dass der Markt in Richtung komplexerer Werkstücke, höherer Schnittkräfte und engerer Toleranzen geht. Das hängt unter anderem mit Entwicklungen beim Antriebsstrang und anderen Technologieveränderungen im Automotive-Bereich zusammen. Insofern ist die Baureihe wirklich konsequent nach Marktanforderungen und in intensivem Austausch mit unseren Kunden entstanden. Dass wir damit richtig liegen, lässt sich auch daran erkennen, dass unsere Prototyp-Maschinen schon nach wenigen Wochen alle vergeben waren.

Ab wann wird die 16er Baureihe regulär verkauft?

Dr. Flik: Der offizielle Verkaufsstart ist auf der AMB.

Wird Stama ebenfalls eine neue Maschine auf der AMB vorstellen?

Dr. Flik: Ja, die neue Baureihe MT 733 hat ein Fixportal, sehr steif mit deutlich erweiterter Drehfunktionalität und hervorragenden Genauigkeitswerten auch bei der Zerspanung hochfester Werkstoffe. Sie bietet mit der 6-Seiten-Komplettbearbeitung eine Schlüsseltechnologie, die branchenübergreifend für innovative Fertigungslösungen steht.

Eine der drei Säulen der Chiron Strategie sollen Innovationen und neue Dienstleistungen im Rahmen der Digitalisierung sein, sagten Sie. Trägt dieser Bereich bereits maßgeblich zum Umsatz bei?

Dr. Flik: Hier schauen wir gar nicht in erster Linie auf den Umsatz. Ich sehe die Digitalisierung vielmehr als „Enabling Technology“, als unsere Eintrittskarte für Dinge, die Kunden heute oder in Zukunft brauchen. Aber zu Ihrer Frage, wir haben jetzt über 300 Data-Line-Installationen im Feld und verdienen damit Geld.

Welche Entwicklungen kommen als nächstes?

Dr. Flik: Wir geben im gesamten Smartline Programm Vollgas. Auf der AMB stellen wir mit Conditionline ein Condition-Monitoring-System und mit Protectline ein Kollisionsvermeidungssystem vor. Außerdem zeigen wir Touchline, unser neues hochmodernes Touch-Bediensystem. Im nächsten Jahr wird mit Cellline eine eigene Zellensteuerung präsentiert, weitere Module sind in Arbeit.

Lässt sich in wenigen Worten der Kundennutzen dieser Produkte beschreiben?

Dr. Flik: Wir sehen ganz klar, dass mit Softwaresystemen und digitalen Bausteinen die Verfügbarkeit der Maschinen gesteigert werden kann, dass sich die Produktivität für den Kunden erhöht und dass wir die Qualität der produzierten Werkstücke verbessern können.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz, wird es in Zukunft lernende Werkzeugmaschinen geben?

Dr. Flik: Ganz sicher werden wir an einen Punkt kommen, an dem wir durch Auswertung hochfrequenter Daten auch direkt in den Prozess eingreifen können. Ob wir das dann mit deterministischen oder mit KI-Algorithmen machen, weiß ich nicht. Wahrscheinlich wird es eine Kombination aus beidem sein.

Ich habe gehört, dass Chiron in Zukunft auch additive Verfahren anbieten wird, stimmt das?

Dr. Flik: Wir beschäftigen uns mit der Technologie. Das heißt aber nicht, dass wir selber 3D-Prozessentwicklung betreiben wollen. Wir arbeiten mit Partnern zusammen und verfolgen einen flexiblen Ansatz bei der System-Integration. Momentan ist es noch etwas früh, aber ich bin überzeugt, dass wir in wenigen Jahren auch in diesem Bereich Lösungen anbieten werden.

Chiron Group
www.chiron.de

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